DIEM25… was können wir in Österreich daraus lernen?

Die offizielle Auftaktveranstaltung von Diem25 fand am Mittwoch in Berlin statt. Laut Ankündigung sollte dort „die Rettung der Europäischen Demokratie“ eingeläutet werden. Den Medien gefällt so etwas. Durch eine etwas zynischere Brille könnte man aber auch sagen: Es war ein anstrengender, sehr widersprüchlicher Tag und Europa ist ein großes Wort.

Die Liste derer, die sich bereits tagsüber in Berlin versammelten, war beeindruckend: Demokratieinitiativen und BürgermeisterInnen, die IG Metall, Blockupy, Menschen aus linken und liberalen Parteien, JournalistInnen, KünstlerInnen, das Commons-Netzwerk und viele mehr. Die anfängliche Aufbruchsstimmung hätte also nicht besser sein können. Doch schlecht moderierte Demokratie kann auch schnell ermüden. Die deutsche Sozialdemokratin Gesine Schwan verglich die vielen, viel zu speziellen und endlos aneinandergereihten Wortbeiträge irgendwann schmunzelnd mit den Diskussionen der 68er-Bewegung. Andere fühlten sich vielleicht an den Moment erinnert, wenn man sich am Ende einer versehentlichen, vierstündigen Youtube-Trance dabei ertappt, bereits völlig erschöpft philippinische Satiresendungen zu schauen. Das große europäische Narrativ war da nicht mehr zu finden.

Wer von DIEM25 einen Plan erwartet, wie man eine „große europäische Konversation“ organisiert oder zumindest moderiert, wird enttäuscht. Und dennoch war die Veranstaltung nicht umsonst. Das große Narrativ des Tages wirft drei Perspektiven auf, bei denen wir auch – oder gerade – in Österreich einhaken und weiterarbeiten sollten, wenn wir einen Beitrag zu einem solidarischen Europa leisten wollen:

(1) Bewegung ist eine Frage inklusiver Mobilisierung

DIEM25 hat KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, AktivistInnen und PolitikerInnen aus so vielen verschiedenen Bereichen in einem Raum zusammen gebracht, wie es in Österreich nur selten, und wenn, dann bei Großdemonstrationen, gelingt. Danach zerstreut sich die Menge meist schneller in alle Richtungen, als man das Wort „gemeinsam“ aussprechen kann. Wenn wir die Demokratie in Europa retten, reformieren oder überhaupt neu erfinden wollen, sollten wir uns fragen: Wie können wir nicht mehr nur nebeneinander stehen, sondern miteinander nach vorne blicken? Berlin hat gezeigt, dass das mit einer verbindenden, größeren Idee durchaus gelingen kann.

(2) Bewegungen versprechen nichts, sondern wollen etwas

DIEM25 hatte eine klare Botschaft: Niemand anderer in Europa wird unsere Arbeit erledigen. Kein Yanis Varoufakis, keine IG Metall und keine spanische Bürgermeisterin werden Europa für uns retten. Da müssen wir schon selbst mit anpacken. Es ist egal, ob man selbst in einer NGO, einer Partei, Gewerkschaft, einem Nachbarschaftsverein oder in einem wissenschaftlichen Netzwerk organisiert ist. Demokratische Verhandlungsmacht erhält man nicht durch das Aufstellen langer, politischer Forderungskataloge, die ein Versprechen von Umsetzbarkeit suggerieren, sondern in dem man mit und für andere kooperative, politische Netzstrukturen aufbaut.

(3) Für Erfolg braucht es viel Glück und eine neue strategische Perspektive

Was DIEM25 wirklich ist oder noch sein kann, wird sich zeigen. Was es allerdings schon heute besonders macht, ist der strategische Perspektivenwechsel hinter dem Projekt. Europäische Initiativen und Solidaritätskundgebungen gibt es viele. Bisher lag der Fokus dabei aber immer auf der internationalen Koordination und Abstimmung nationaler Initiativen. Varoufakis hat die Brille gewechselt. DIEM25 ist ein von Beginn an paneuropäisches Projekt – mit allen Chancen und Risiken, die das mit sich bringt. Wer sagt, dass wir nicht auch in Österreich die „Rettung unserer Politik“ nächstes Mal gleich gemeinsam angehen können?

Für Ungeduldige ist DIEM25 wahrscheinlich nichts. Aber welche Bewegung hat schon gut organisiert begonnen? Auch die alten Bewegungen Europas waren – trotz ihrer Erfolgsgeschichte – aus der Innenperspektive meist diffus und frustrierend langsam. Wer dabei war, weiß das. Wir anderen müssen diese Erfahrung wahrscheinlich erst selbst durchleben.

Dani Platsch ist Regionalökonomin und arbeitet insbesondere zu den Themen Globalisierung, Strukturwandel und Organisationskultur. Sie ist politische Geschäftsführerin von Der Wandel und Redakteurin bei mosaik.

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