DIE LINKE-Kandidatin Nina Treu über Wahlkampf und Klimafrage

Nina Treu, DIE LINKE

DIE LINKE-Kandidatin Nina Treu spricht im Interview über ihre Erfahrungen im Wahlkampf, die Zukunft der Partei und Umweltpolitik als linken Schwerpunkt.

„Die Wirtschaft der Zukunft gestalten. Klimagerecht, demokratisch und für alle“ – mit diesem Motto tritt Nina Treu für die Partei DIE LINKE bei den Bundestagswahlen am 26. September in Leipzig an. Sie ist Bewegungsaktivistin und hat das „Konzeptwerk Neue Ökonomie“ in Leipzig mitgegründet und geleitet. Warum sie in das Parlament möchte und welche Erfahrungen sie mit einem dezidiert linken Wahlkampf macht, darüber spricht sie mit Mosaik-Redakteur Ulrich Brand.

Mosaik-Blog: Warum kandidierst du für den Bundestag?

Nina Treu: Ich bin schon lange politisch aktiv. Beim Konzeptwerk Neue Ökonomie versuchen wir einen Brückenschlag zwischen Wissenschaft, sozialen Bewegungen und dem politischen Geschäft. Vieles von dem was wir diskutieren, zum Beispiel zu Klimagerechtigkeit und Postwachstum, ist ganz weit weg von realpolitischen Fragen. Das möchte ich im Bundestag ändern. Mein Ziel ist, eine echte radikale, soziale, ökologische Transformationsperspektive einbringen. Zum Beispiel durch einen kostenlosen öffentlichen Personenverkehr, anstelle von Flughafenausbauten. Deswegen kandidiere ich.

Die Linke als Kümmerer-Partei, als Verteilungspartei oder das Buch von Sarah Wagenknecht – worüber wollen die Menschen mit dir im Wahlkampfalltag sprechen?

Die Menschen im Haustürwahlkampf beschäftigt alles Mögliche: Ihre Arbeit, niedrige Löhne, Ausbeutung, bezahlbare Mieten, aber auch Zufriedenheit und Flexibilität. Und natürlich die Corona-Krise.

Wie kann man sich diesen Haustürwahlkampf vorstellen? Du gehst alleine von Tür zu Tür, klingelst und stellst dich vor?

Wir gehen in Teams, sagen, wir sind von der Linken, wir gehen heute durchs Viertel und möchten uns mit der Bevölkerung unterhalten und wissen, was sie gerade beschäftigt. Manche Menschen sind total schüchtern und sagen erst einmal gar nichts und manche sind sehr interessiert und reden gleich ganz viel. Ein wichtiger Punkt an der Haustür ist: Die Leute wissen, dass das Gespräch nicht anonym ist und werden daher nicht ausfällig.

Interessanterweise funktioniert es auch sehr gut, an der Tür Mitglieder anzuwerben. Da gibt es Leute, die wollten schon immer in DIE LINKE eintreten und haben nur darauf gewartet, dass sie irgendwie abgeholt werden.

Kommt es in euren Gesprächen auch zu Kapitalismuskritik?

Durchaus, in etwa: „Da gibt es die Wenigen, die wirtschaften in ihre eigene Tasche, wir haben einen zu geringen Lohn und die anderen machen ihre Gewinne.“ Da wird schon eine systemische Ebene gesehen. Aber mich erschreckt, dass die Leute wohl nicht gewohnt sind, sich gegen oben zu verbünden und zu kämpfen. Viele treten nach unten. Ich habe sehr viele rassistische Aussagen gehört, auf eine sozialdarwinistische Art: „Die Schmarotzer, die sollen mal arbeiten gehen.“ Ich weiß, dass linke Positionen nicht hegemonial sind, aber das ist für mich echt schockierend.

Wie gehst du mit derlei rassistischen Aussagen um?

Ich diskutiere mit ihnen. Ich argumentiere, dass das menschenfeindliche Positionen sind, dass es den Menschen, die sie verurteilen, wohl genauso schlecht geht wie ihnen. Wenn nicht sogar noch schlechter. Und, dass das am System liegt.

Ein Hausverwalter hat daraufhin zum Beispiel einmal gemeint, er nimmt seine vorhergegangenen Aussagen zurück. Da hatte ich das Gefühl, einen Schritt weitergekommen zu sein.

Gibt es bereits Vorabsprachen mit der Partei, für welche Inhalte du in Zukunft zuständig bist? Für den Fall, dass du dann zum politischen Spitzenpersonal gehörst?

Es gibt in jedem Fall Vorabsprachen in der Partei. Allerdings: Solange es relativ unwahrscheinlich ist, dass ich in den Bundestag komme – also ich bin da natürlich optimistischer – geht niemand auf mich zu. Für mich sind die Felder sozial-ökologische Politik und Verkehrspolitik naheliegend, denn ich stehe für den sozial-ökologischen Umbau. Und die Verkehrswende mit dem Umbau der Autoindustrie wird eine der zentralen Auseinandersetzungen sein.

DIE LINKE sieht sich selbst als Transformationspartei, in der Öffentlichkeit wird sie dagegen als Umverteilungspartei und Partei gegen die neoliberalen Hartz-Reformen wahrgenommen. Wie gehst du damit um?

Es gab letztens eine Sendung der „Anstalt“, bei der gesagt wurde, die Grünen werden für das gewählt, was sich Die Linke ins Wahlprogramm geschrieben hat. Ich sehe meine Rolle darin, diese Positionierung innerhalb der Partei weiter voranzutreiben. Wir müssen bewegungsnäher werden und verstehen, dass die Klimafrage eine Gerechtigkeitsfrage ist. Wenn es uns um globale Gerechtigkeit geht, dürfen wie ökologische Fragen nicht außen vor lassen.

Das ist natürlich ein Machtkampf innerhalb der Partei. Ein Beispiel ist die Frau, gegen die ich bei der Listenkandidatur um Platz Sieben gewonnen habe. Sie gab danach enttäuscht ein Interview: „Wir sollten nicht grüne Themen kopieren, die Leute wählen dann das Original.“ Das zeigt exemplarisch, dass viele noch nicht verstanden haben, was eine moderne Gerechtigkeitsfrage ist – und entsprechende politische Antworten darauf. Und dafür kämpfe ich in der Linken.

Was denkst du über die Orientierung der Unions-Parteien und der Grünen in Richtung eines Grünen Kapitalismus? Zum Beispiel über den European Green Deal?

Ein Grüner Kapitalismus wird nicht funktionieren. Wir haben nicht die Ressourcen, den Kapitalismus zu begrünen. Außerdem werden damit Fragen zu Verteilung und Gerechtigkeit ignoriert. Ökoaktivist*innen und Menschen, die versuchen, klimafreundlich zu leben, geben sich einer Illusion hin, wenn sie denken, Die Grünen werden es schon irgendwie für sie richten. Ich denke, dass das Thema in vier Jahren noch viel mehr greift, wenn es jetzt zu einer grünen Regierungsbeteiligung kommt. Weil die Menschen dann sehen, wie wenig da passiert.

Du bestehst auf eine Politik für globale Gerechtigkeit. Wie vermittelst du zwischen nationalstaatlicher, europäischer und globaler Dimension?

Die Flutkatastrophe in Deutschland ist ein Anlass, den wir nutzen können, um uns die Auswirkungen des Klimawandels vor Augen zu führen. Bisher konnten wir die Folgen in anderen Teilen der Welt ignorieren. Jetzt, wo Menschen bei uns sterben, ist das nicht mehr möglich. Gleichzeitig müssen wir auf globale Ausbeutungsverhältnisse zu sprechen kommen und die Zusammenhänge aufzeigen. Wenn wir zum Beispiel über den Umbau der Autoindustrie sprechen, müssen wir uns fragen, woher das Lithium für die Batterien kommt.

Die Grünen wollen Elektromotoren bauen und blenden Ressourcenfragen komplett aus. Dagegen sagen wir: Wir brauchen eine Verkehrswende, müssen mehr auf den Öffentlichen Verkehr, das Fahrrad und Fußwege setzen und unsere Städte so umbauen, dass sie klima- und menschenfreundlich werden. Und wir müssen uns überlegen, was wir statt Autos in Deutschland bauen können.

Und das nehmen die Menschen ernst?

Es gibt eine neue Studie von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Laut der ist den Beschäftigten oft bewusster als den Managern, dass die Autoindustrie in der Form nicht zukunftsfähig ist. Und sie sind auch dazu bereit, zukunftsfähige Lösungen zu finden.

Was machst du als Erstes, wenn du in den Bundestag kommst?

Ich werfe mich auf den Boden. An dem Abend möchte ich den grandiosen Wahlkampf und die viele Unterstützung feiern – egal, ob ich gewählt werde oder nicht.

Nina Treu am Zukunft für Alle Kongress (C) ZfA/ Tim Wagner

Interview: Ulrich Brand

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