Die KPÖ wählen? – Eine Innenperspektive

Die KPÖ wählen?

Die KPÖ hat die historische Chance, bei den Wahlen am Sonntag das erste Mal seit 1959 wieder ins österreichische Parlament einzuziehen. KPÖ-Vorsitzender Günther Hopfgartner darüber, warum die KPÖ mehr als eine klassische Parlamentspartei ist und warum man sie trotzdem wählen sollte.

Bei den kommenden Nationalratswahlen hat die KPÖ die Chance, in den Nationalrat einzuziehen. Das ist für all jene, die sich dem Kampf für eine grundlegende Überwindung kapitalistischer Verhältnisse verschrieben haben, eine Chance. Nicht nur, weil damit eine starke und unkompromittierte linke Stimme im Parlament zu hören wäre.

KPÖ als verbindende Klassenpartei

Denken gerade politische Menschen an politische Parteien, fragen sie sich meist, wer die eigenen Interessen am besten im Parlament und vielleicht sogar in der Regierung vertreten kann. Daraufhin suchen sie nach der größten Übereinstimmung mit dem jeweiligen Programm auf Wahlkabine.at. Doch geht es bei Wahlen nicht einfach darum, ein ‚Menü‘ zu wählen, wie beispielsweise Wlaznys Postpolitiker*innen meinen. Hinter Parteien steht im besten Fall auch immer ein strategisches Projekt zur Veränderung und Verbesserung der Gesellschaft. Das Projekt der KPÖ unterscheidet sich hier grundlegend von den anderen. Das ist nicht nur programmatisch der Fall, sondern auch in der gelebten Praxis. 

Für die KPÖ wäre der Einzug in den Nationalrat sicherlich ein qualitativer Sprung. Gleichzeitig wird die parlamentarische Arbeit auch dann nicht das Zentrum ihrer Tätigkeit sein. Denn der Kampf für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen – eine Transformation – wird nicht im Parlament gewonnen. Ebenso falsch wäre es aber, für diese Transformation allein auf die Kraft sozialer Bewegungen und Arbeitskämpfe zu vertrauen. Zu stark wirken die Kräfte des Staates und des Kapitals auf sie ein, spalten, unterdrücken oder kooptieren sie. Gerade heute braucht es wieder eine Kommunistische Partei, die die vielen Kämpfe und Interessen verbindet – eine verbindende Klassenpartei.

Die Partei als organisierter Kern… 

Klassenkampf findet tagtäglich an vielen gesellschaftlichen Orten statt – individuell wie auch kollektiv und auch ohne Partei. Die Partei ist aber dazu da, den Klassenkampf zu organisieren und diverse gesellschaftliche Kämpfe miteinander zu verbinden. Auf einer analytischen Ebene bedeutet das, gegensätzliche (antagonistische) (Klassen-)Interessen in gesellschaftlichen Institutionen, Politik, Medien etc. zu begreifen und zu benennen. Auf einer praktischen Ebene heißt es unter anderem, politische Subjekte herauszubilden. Sie sollen gerade auch in krisenhaften Zeiten in der Lage sein, gesellschaftliche Transformation voranzutreiben. Menschen sollen sich auf Grundlage ihrer Interessen vereinen und organisieren, um so handlungsfähig zu werden. Beschäftigte in Krankenhäusern werden etwa zu politischen Subjekten, wenn ihnen eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Orte gegeben werden, in denen sie für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne kämpfen können. 

Bewegungen und Mobilisierungen haben ihre Zyklen. In Hochzeiten entfalten sie ihre eigene Dynamik. In Phasen der Demobilisierung von Bewegungen braucht es jedoch organisierte Kerne, die die Anliegen der Bewegung weiterhin vertreten, indem sie auf ihre Organisationsmacht zurückgreifen. Eine Partei stellt so einen organisierten Kern dar. Sie kann auch nach dem Abebben einer Bewegung inhaltlich an einem Thema weiterarbeiten. Sie ist auch bereit, das zur Verfügung zu stellen, wenn es wieder eine neue Dynamik gibt. So ist sichergestellt, dass die Bewegung nicht wieder von vorne beginnen muss. Strukturen und Ressourcen einer Partei sind langfristig und strategisch einsetzbar und nicht vom Auf und Ab von Mobilisierungs-Zyklen abhängig.

…und lebendiges Archiv

Verbunden mit der Funktion eines ‚organisierten Kerns‘ ist auch die Aufgabe der Partei als Archiv vergangener Kämpfe und entsprechender Erfahrungen. Diese Funktion als Archiv ist dabei nicht einfach von einem abstrakten historischen Interesse. Die Funktion muss in einer Partei auch praktische Relevanz entfalten. Unsere aktuellen Erfahrungen mit politischen Kämpfen, solidarischen Praxen, Ansätzen der Organisierung und Vergesellschaftung können und sollten mit vergangenen Erfahrungen abgeglichen werden. Wie ist es etwa in der Vergangenheit gelungen, Frieden und Neutralität zu einem zentralen Thema zu machen? Und wie kann das heute gelingen, ohne ins falsche Fahrwasser zu kommen? 

Die Geschichte der sozialistischen Bewegungen birgt einen enormen Erfahrungsschatz. Die Bezugnahme darauf zwingt uns dazu, uns mit der Komplexität und der Widersprüchlichkeit gesellschaftlicher Veränderung auseinanderzusetzen. Denn unter aktuellen Vorzeichen würden diese vermutlich ganz ähnliche Probleme verursachen. 

Den Glauben an Politik wecken

Zugleich reicht es nicht, als Partei jenen Menschen ein Angebot zu machen, die sich bereits in Bewegung befinden. Gerade die letzten Jahrzehnte neoliberaler Kapitalismus haben Solidarität und Gemeinschaft zerstört. Große Teile der Arbeiter*innenklasse empfinden sich heute nicht als Teil einer Klasse und kämpfen sich als Individuen durchs Leben.

Die KPÖ legt daher einen Schwerpunkt darauf, diese Menschen wieder anzusprechen. Sie sollen wieder daran glauben, dass Politik etwas Positives in ihrem Leben verändern kann. Das gelingt uns selten durch kluge Texte oder die richtige Gesetzesinitiative. Es gelingt uns vielmehr durch gelebte solidarische Praxis. Egal ob Küchen für alle, Kleidertauschpartys oder Mietrechtsberatung, das sind alles Beispiele, wo wir Solidarität – und das ist letztlich ein Kern des kommunistischen Projekts – real erlebbar machen. Hier agiert die KPÖ als organisierende Partei: Menschen können sich selbst einbringen und so daran teilhaben. Wer bei uns eine Pizza Comunista isst, bekommt gewissermaßen einen Vorgeschmack auf den Kommunismus. Zugleich erlaubt diese Praxis der KPÖ ihre Politik auch aus den Alltagserfahrungen jener Menschen zu entwickeln, die sich sonst nicht mehr ins politische System einbringen. 

Ein Programm in Entwicklung

Das bedeutet auch, das Programm kontinuierlich mit Betroffenen und Akteur*innen aus den jeweiligen sozialen Feldern zu entwickeln und nicht ‚für diese‘ zu agieren. Dies auch im Sinne unseres Konzepts von organisierender wie auch verbindender Partei. Strategisch gilt es dabei, auf jene Themen zu setzen, die einerseits eine zentrale Rolle im gegenwärtigen Kapitalismus einnehmen und sich andererseits zunehmend krisenhaft im Alltag der Menschen bemerkbar machen. Das ist natürlich das Thema Wohnen, aber auch Gesundheit und Pflege, die Teuerung, Krieg und Frieden und nicht zuletzt die eskalierende Klimakrise.

Eine weitere Herausforderung ist es, die Diskussion um Alternativen zum gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem anzustoßen. Es geht also um Fragen der Transformation in Richtung einer öko-sozialistischen Gesellschaft. Auch hier geht es nicht darum, dass wir als Partei alleine Antworten finden, denen dann der Rest der Gesellschaft zu folgen hat. Es geht darum, eine gesamtgesellschaftliche Diskussion zu Weg und Ziel anzustoßen und uns darin aktiv einzubringen.

Ansprüche, die es zu erfüllen gilt

Vieles von dem hier Skizzierten kann die KPÖ heute noch nicht voll einlösen. Die KPÖ ist heute eine Partei im Aufbau. Es sind Ansprüche, die wir an uns selbst formulieren und erst erreichen müssen. Unabhängig davon, ob wir als KPÖ am Sonntag in den Nationalrat einziehen, machen wir damit ein strategisches Angebot. Das Angebot lautet, sich langfristig zu organisieren und am Aufbau einer beständigen Kraft mitzuwirken. Einer Kraft, die nicht nur auf kleine Verbesserungen hinarbeitet, sondern auf die Überwindung des kapitalistischen Systems. Die große Herausforderung besteht dabei darin, die verschiedenen beschriebenen Funktionen der Partei auch miteinander zu entwickeln und zu verbinden. 

Titelbild: KPÖ Bundespartei

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