Deshalb haben wir in Israel gegen Sebastian Kurz protestiert

Gestern, Sonntag, besuchte Bundeskanzler Sebastian Kurz im Zuge seiner Israel-Reise die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Geplant war auch ein Gespräch mit den österreichischen Gedenkdienstleistenden in Israel. Diese hatten jedoch geschlossen ihre Teilnahme abgesagt. Der angekündigte Protest zeigte Wirkung, ein Sprecher der österreichischen Bundesregierung nahm Kontakt mit dem Verein Gedenkdienst auf und kündigte eine finanzielle Absicherung der Arbeit an. Anders als „Der Standard“ berichtet, gibt es aber noch keine Lösung. Immer noch steht im Raum, dass der Betrieb des Gedenkdienstes aus Protest eingestellt werden muss. mosaik hat bei Benjamin Kirchengast, Gedenkdienstleistender im Ghettokämpfer_innenmuseum Beth Lohame Haghetaot, nachgefragt.

 

mosaik: Du bist gerade Gedenkdienstleistender in Israel und als solcher dem Staatsbesuch von Bundeskanzler Kurz in Yad Vashem fern geblieben. Was waren die Gründe dafür?

Benjamin Kirchengast: Wenn wir die Delegation, so wie ursprünglich geplant, begleitet hätten, hätte das für Österreichs Erinnerungspolitik ein schönes Bild abgegeben. Aber es wäre ein falsches Bild gewesen. Wenn man unsere Arbeit als Gedenkdienstleistende tatsächlich wertschätzen würde, würde man uns zumindest so entlohnen, dass wir uns das Leben in den jeweiligen Einsatzländern leisten könnten, ohne auf finanzielle Unterstützung von Familie etc. angewiesen zu sein oder Schulden machen zu müssen. Kurz gesagt: Wir wollten uns nicht als populistisches Instrument benutzen lassen.

Die schwarz-blaue Bundesregierung versucht immer wieder, sich vom Rechtsextremismus zu distanzieren. Vor allem der FPÖ mag das nicht so recht gelingen. Wie siehst du den Staatsbesuch in diesem Kontext?

Dass es der FPÖ nicht gelingt, ihren rechtsextremen Kern zu verbergen, ist ja nichts Neues. Aber es sind auch keine FPÖler in der Delegation nach Israel vertreten.

Sebastian Kurz selbst und die ÖVP haben generell gute Beziehungen zur israelischen Regierung, die ja ebenfalls in das rechte Spektrum einzuordnen ist. In Anbetracht dessen und dass es quasi normal ist, dass Vertreter der österreichischen Regierung in Israel zu Besuch sind und auch Holocaust-Gedenkstätten besuchen, sehe ich nicht wirklich etwas Außergewöhnliches an dem Staatsbesuch.

Wie wird der Staatsbesuch von kritischen Stimmen in Israel gesehen? Ist er dort Thema?

In den israelischen Medien war der Besuch eigentlich bis jetzt kaum präsent. Generell wurde der Rechtsruck in Österreich als Teil einer globalen oder zumindest westlichen Entwicklung gesehen. Auch Israel hat ja wie oben schon erwähnt eine rechten Regierung. Nach der Nationalratswahl 2017 hat eine Arbeitskollegin scherzhaft zu mir gemeint: „Willkommen im Klub!“.

Du bist im Ghettokämpfer_innenmuseum tätig. Das Museum wurde 1949 von überlebenden Kämpfer_innen des Warschauer Ghettoaufstandes gegründet. Was lehrt uns deren Vermächtnis in Bezug auf die politische Situation und den Rechtsrutsch heute?

Das Ghetto Fighter’s House und das daran angehängte Center of Humanistic Education legen einen großen Wert darauf, Lehren aus der Erinnerung und dem Gedenken zu ziehen. Es werden regelmäßig Seminare abgehalten, bei denen jüdische und arabische Schulklassen zusammengeführt werden und anhand der Thematik des Holocaust auch aktuelle Konflikt behandelt werden.

Wir zeigen auf, dass ausgrenzende Prozesse, die zum Holocaust geführt haben auch heute noch aktiv sind, bzw. wieder aktiver werden. Das Vermächtnis zeigt uns, dass man nicht still zuschauen sollte, sondern aktiv gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Diskriminierung vorgehen sollte.

Der Verein Gedenkdienst macht ja schon seit Jahren auf seine prekäre finanzielle Situation aufmerksam. Was müsste passieren, damit eure Arbeit langfristig abgesichert wird?

Ich bin erst seit rund einem Jahr im Gedenkdienst aktiv und kein Mitglied des Vorstands, kann hier also nur meine persönliche Einschätzung abgeben. Aber ich denke, dass außer einer Erhöhung der Pro-Kopf-Förderung der Gedenkdienstleistenden, vor allem auch eine Basissubvention für den Verein und ein Abbau der bürokratischen Hürden nötig sein wird, um den Verein in Zukunft erhalten zu können. Zur Zeit ist ein enormes ehrenamtliches Engagement von vielen Mitgliedern nötig, das wirklich bewundernswert ist und das ich gar nicht genug hervorheben kann.

Benjamin Kirchengast ist Gedenkdienstleistender in „Beth Lohame Haghetaot – Ghetto Fighters’ House“.

Interview: Rainer Hackauf.

Autor

 
Nach oben scrollen