Der Fall Maja T. – ein europäischer Justizskandal

"Free Maja"-Graffiti an einem Bahnhof

Seit fast einem Jahr sitzt Antifaschist*in Maja T. in Ungarn in Isolationshaft. Im Februar 2025 begann der Prozess gegen Maja. Morgen findet der Justizskandal seine Fortsetzung.

Maja T. sitzt seit fast einem Jahr in einem ungarischen Gefängnis in Isolationshaft. Der Vorwurf: Beteiligung an Angriffen auf Neonazis am Rande des sogenannten „Tag der Ehre“ in Budapest im Februar 2023, einem jährlichen Aufmarsch der internationalen faschistischen Szene. Es drohen bis zu 24 Jahre Haft. Der Fall ist Teil dessen, was als „Budapest-Komplex“ bekannt geworden ist. Aber es ist nicht nur irgendein Prozess gegen ein*e Antifaschist*in – es ist ein europäischer Justizskandal und ein politischer Schauprozess. Maja ist non-binär, antifaschistisch und zeigt eine klare Haltung. Diese Eigenschaften werden in Zeiten des autoritären Aufschwungs zunehmend zur Gefahr.

Abschiebung in die Autokratie

Im vergangenen Juni wurde Maja in Deutschland verhaftet und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Ungarn ausgeliefert. Minuten danach entschied das Bundesverfassungsgericht, die Überstellung sei unrechtmäßig erfolgt. Es hatte noch gar keine Entscheidung über einen eingelegten Eilantrag gegeben. Zu spät: Die deutschen Behörden konnten offenbar gar nicht abwarten, Maja so schnell wie möglich an Ungarns queerfeindliche, autokratische Regierung zu übergeben. Dass sie bereit waren, eine*n deutsche*n Antifaschist*in auszuliefern – wissend, dass Orbáns autoritäre Regierung weder einen rechtsstaatlichen Prozess noch menschenwürdige Haftbedingungen garantiert –, ist ein Skandal. Aber einer, der medial kaum Wellen schlug.

Haftbedingungen jenseits der Menschenwürde

Seit Juni 2024 sitzt Maja in Ungarn in Isolationshaft. Ohne andere Inhaftierte, ohne sozialen Austausch. Maja berichtet von Schikanen, unzumutbaren hygienischen Zuständen. Die Zelle wurde zwischenzeitlich sogar mit Kameras überwacht – alles klare Verstöße gegen jegliche menschenrechtliche Mindestnorm.

Der Druck auf Maja hat System. Es geht darum, zu brechen. Maja sagt selbst: „Sehr geehrte Staatsanwaltschaft, seien Sie doch ehrlich: Sie hoffen, mich hungert die Isolation aus und erzwingt ein Urteil ohne Gerichtsprozess.“ Aber Maja lässt sich nicht brechen – sondern zeigt Haltung.

Trotz Faschos im Saal, Maja steht nicht allein

Der erste Prozesstag fand im Februar 2025 statt. Was dort geschah, war mehr als nur ein juristischer Vorgang. Es kam einer Inszenierung gleich. Maja wurde in Ketten vorgeführt, an einer Leine und mit vermummten, schwer bewaffneten Wachen an Majas Seite. Dieses Bild ging durch die deutsche Medienlandschaft.

Im Gerichtssaal verlas Maja ein starkes, klares Statement. Maja beschrieb sich als antifaschistische, feministische Person, sprach über Repression, über politisches Selbstverständnis. Maja war beeindruckend selbstbewusst, ruhig und bestimmt. Im Zuschauerraum waren Freund*innen, Familie, Unterstützer*innen, viele von weit her angereist. Das Ende von Majas Erklärung bildete den emotionalen Höhepunkt. Viele Anwesende im Publikum erhoben sich, applaudierten und skandierten „Free Maja“ – ein starker Moment der Solidarität und Hoffnung bei einem aussichtslos erscheinenden politischen Schauprozess.

Ganz anders der zweite Prozesstag im März 2025. Bereits vor dem Gerichtsgebäude marschierten rund 100 Neonazis in schwarzen Kutten zur Unterstützung des angeblich geschädigten ungarischen Faschisten László Dúdog auf. Solidarische Antifaschist*innen wurden fotografiert, eingeschüchtert, bedroht, zum Teil angespuckt.

Faschisten sammeln sich am 2. Prozesstag von Maja vor dem Gericht
Faschisten sammeln sich am 2. Prozesstag vor dem Gericht | (c) Bjarne Duckert

Auch im Verhandlungssaal waren diesmal 40 Faschisten anwesend. Mit dabei: György Budaházy, ein rechter Terrorist, der bis 2023 wegen geplanter Anschläge im Gefängnis saß. Zum Ende des Prozesstags provozierte er gezielt mit Drohgebärden in Richtung der Maja-Unterstützenden. Die deutsche Presse? Fehlanzeige. Der zweite Prozesstag blieb medial unsichtbar.

Solidarität muss Praxis werden

Maja ist nicht die*der einzige. In Deutschland, Italien, Ungarn laufen weitere Verfahren im Kontext des sogenannten „Budapest-Komplex“. Der Vorwurf gegen alle: antifaschistische Gewalt gegen Neonazis. Der Staat zeigt sich in diesen Fällen gnadenlos. Während rechte Netzwerke in Polizei, Bundeswehr oder Verfassungsschutz „Einzelfälle“ bleiben, werden Linke als terroristische Bedrohung behandelt.

In einer Zeit, in der Faschismus wieder salonfähig wird, in der rechte Regierungen auf dem Vormarsch sind, ist Antifaschismus eine Notwendigkeit. Wer heute zusieht, wie die Rechte von Maja mit Füßen getreten werden, darf sich morgen nicht wundern in einem noch repressiveren System aufzuwachen. Solidarität muss Praxis werden – weil dieser Prozess uns alle betrifft.

Die nächsten Prozesstage gegen Maja T. finden am 4., 6., 12., 18. und 20. Juni, jeweils um 9 Uhr, am Gericht in Budapest statt. Bereits ab 7:30 Uhr organisieren Unterstützer:innen an allen Tagen Solidaritätskundgebungen vor dem Gerichtsgebäude. Mit vorheriger Anmeldung ist es möglich, als Beobachter:in am Prozess teilzunehmen. Gleichzeitig muss erneut mit einer sichtbaren Präsenz von Neonazis vor und im Gerichtssaal gerechnet werden.

Weitere Infos: @freebudapesttwo | @thebrakenet | @dunya_photo_video (Instagram)
https://www.basc.news/praktische-tipps-und-hinweise-fuer-die-solidarische-prozessbegleitung-in-budapest/

Titelbild über Budapest Antifascist Solidarity Committee

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