Die Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung (AkG) hat sich im Juni 2004 als offener Zusammenschluss von Sozialwissenschafter_innen aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich) gegründet. Zielsetzung der gemeinsamen Arbeit ist die Diskussion gesellschaftskritischer Theorieansätze, deren Reproduktion und Weiterentwicklung in Zeiten ihrer zunehmenden Marginalisierung an den Hochschulen gesichert werden soll. Im Rahmen der Tagung “Kämpfe – Alternativen – Zukunft: Brückenjahr 2015?” in Wien, zu der mehr als 120 Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Interessierte angereist waren, entstand folgende Resolution, die wir gerne auf mosaik veröffentlichen.
Das griechische Referendum ist unser Referendum!
5 Jahre Austeritätspolitik sind nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch gescheitert.
Eine klare Mehrheit der Griech*innen hat der neoliberalen Austeritätspolitik eine deutliche Absage erteilt. Nun sind wütende Reaktionen der EU-Institutionen, vieler Regierungen und der Medien zu erwarten. Berlin und Brüssel wollten von Beginn an die Syriza-Regierung zu Fall bringen, um ähnliche Entwicklungen andernorts zu unterbinden. Griechenland sah sich Erpressung, Verleumdung und der offenen Missachtung demokratischer Rechte ausgesetzt. Faktisch manifestiert sich aber eine Legitimations- und Funktionskrise der EU-Institutionen. Die Funktionsträger*innen weigern sich, das Scheitern ihrer Politik einzugestehen.
Das Referendum über die Austeritätspolitik selbst war jedoch eine Wahl zwischen Pest und Cholera, da weder ein Ja noch ein Nein dem Schuldenknebel ein Ende setzt. Die dramatischen Folgen von fünf Jahren Austeritätspolitik, mit der viele Griechen*innen tagtäglich kämpfen müssen, dauern an. Neoliberale und autoritäre Politiken spitzen sich auch in vielen anderen europäischen Ländern zu.
Mit dem Referendum haben sich die griechische Regierung und Bevölkerung ein Stück demokratischer Souveränität zurückerobert. Die griechische Regierung sollte zur Austeritätspolitik gezwungen werden, das heißt eine Politik auszuführen, die nicht nur ökonomisch gescheitert ist, sondern auch von der griechischen Bevölkerung mit der Wahl im Januar explizit abgelehnt wurde. Die europäische Politik ist ein offener Bruch mit dem Anspruch der EU, eine Wertegemeinschaft zu sein und sich an demokratisch legitimierten Verfahren zu orientieren.
Das Ergebnis von Sonntag ist auch ein Erfolg der Widerstände gegen die Austeritätspolitik in Spanien und anderen Teilen Europas. Es stellt sich nun die Frage, wie ein Europa aussehen kann, das einem demokratischen und sozialen Anspruch genügt. Einer neoliberalen und autoritären Politik, die die Bevölkerungen mit nie abzutragenden Schulden und mit technokratischen Zwangsverwaltungen bedroht, muss eine Absage erteilt werden. Es gilt, mit vereinten Kräften über alle Grenzen hinweg die EU grundlegend zu verändern. Es ist an uns, dem restlichen Europa, Solidarität mit Griechenland in konkrete Handlungen zu übersetzen.