mosaik-Redakteur Benjamin Oprakto über vier Dinge, wie wir aus den Landtagswahlen lernen sollten: Die SPÖ als Partei ohne Projekt, Personenkult ohne Charisma, der leicht erklärbare Erfolg der FPÖ und warum Österreich eine bundesweite Linke braucht.
1. Die SPÖ ist eine Partei ohne Projekt.
Der SPÖ laufen die WählerInnen in Scharen davon. Das ist wenig verwunderlich. Einer Erklärung bedürfte eher umgekehrt: Warum, um alles in der Welt, sollte man diese Partei noch wählen? Kein Mensch kann doch heute ernsthaft darlegen, aus welchen inhaltlichen Gründen man sein Kreuzerl bei einer Partei machen sollte, die nur noch dem Namen nach sozialdemokratisch ist. Denn sozialdemokratische Politik bedeutet – und dafür kann sie von links ja durchaus trefflich kritisiert werden – ein Projekt, das den Staat einsetzen will, um die Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit zu verbessern. Sie verspricht all jenen ein besseres Leben, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, die auf öffentliche Infrastruktur, Bildung, Gesundheitsversorgung und Pensionen angewiesen sind, weil sie kein Vermögen besitzen und nicht die Möglichkeit haben, andere für sich arbeiten zu lassen. Die SPÖ tut nichts davon. Sie hat sich zur Verwalterin angeblicher Sachzwänge und zur Handlangerin der Finanzmärkte herabgesetzt. Sie setzt auf „Austerität light“, verspricht niemandem etwas außer ein paar Interessengruppen, die sie aus wahltaktischen Gründen für den eigenen Machterhalt für wichtig hält. Die SPÖ hat kein Profil, kein Programm, kein Projekt. Nirgendwo ist das deutlicher als in der Steiermark: Die „Reformpartnerschaft“ von Landeshauptmann Voves und seinem konservativen Vize Schützenhöfer ist sichtbarer Ausdruck davon, wie austauschbar die beiden Parteien sind. Verloren hat dort die Steirische Kürzungs-Einheitspartei.
2. Personenkult ohne Charisma.
Die Partei-StrategInnen wissen das und setzen deshalb in Wahlkämpfen auf PR-Logik und Personenkult. Dass Charisma für diese Taktik keine Voraussetzung ist, beweist der burgenländische Landeshauptmann eindrücklich. „Wer Niessl will, muss Niessl wählen“, wurde rund um den Neusiedlersee plakatiert. Als wäre irgendwie klar, dass man so etwas wollte. Franz Voves setzte auf Inszenierungen im nordkoreanischen Stil. Das SPÖ-Logo auf den Plakaten wird dabei aus gutem Grund immer kleiner – oder gleich ganz weggelassen. Der Bekanntheitsgrad der Landeshauptmänner und die in Landtagswahlen besonders ausgeprägte Beharrungskraft verhindern noch die totale Zerbröselung, wie es der griechischen PASOK oder der Labour Party in Schottland schon passiert ist. Es bleibt aber im besten Falle Schadensbegrenzung und leistet im schlechteren der völligen inhaltlichen Entleerung der Politik Vorschub. Die Menschen im Land wählen dann eben mit den Füßen, und man kann es ihnen kaum verübeln: Ein gutes Drittel der Wahlberechtigten ging erst gar nicht zur Wahl.
3. Die FPÖ hat ein positives Programm.
In dieser Situation ist wenig überraschend, wenn jene Partei am erfolgreichsten ist, die dem rot-schwarzen Einheitsbrei eine Politik mit Ecken und Kanten, klare Botschaften und ein selbstbewusstes „Wir“ entgegensetzt. Nun empört die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen oder über die „dummen WählerInnen“ lästern ist sinnlos. Die Spitzen der SPÖ und der Grünen geben sich entsetzt und bieten folgende Erklärung: Die FPÖ hätte sich eben ein emotional enorm aufgeladenes Thema gesucht und die Leute erfolgreich aufgehusst. Asylpolitik und – ganz in FPÖ-Diktion, die dann auch gerne übernommen wird – „die Ausländerfrage“ würden eben ziehen. Das ist Unsinn. Ja, die FPÖ hat auch in diesen Wahlkämpfen wieder auf rassistische Hetze gesetzt. Das macht sie aber immer, und nicht immer ist sie damit erfolgreich. Was übersehen oder verdrängt wird, ist dass es nicht einfach die Hetze gegen Asylsuchende, MigrantInnen und Muslime und Musliminnen ist, die die FPÖ attraktiv macht, sondern weil sie sich als soziale „Heimatpartei“ darstellt. Sie sagt nicht nur, dass wir die Grenzen dicht machen, MuslimInnen zwangsassimilieren und Asylsuchende im Mittelmeer ersaufen lassen sollten. Sie sagt vor allem: Wenn wir all das machen, geht es der Mehrheit der Menschen in Österreich wieder besser! Sie bietet ein positives Programm, ein Angebot, mit dem sie sich von allen anderen Parteien absetzt, die nichts anderes als die Verwaltung des Elends im Europa der Krise anbieten. So lange keine andere politische Kraft ein anderes positives Projekt entwickeln kann, ein Projekt dem die Leute glauben, dass es tatsächlich etwas Besseres erreichen kann, wird das so bleiben.
4. Bundesweite Linke oder es gnade uns Gott!
In der Steiermark ist eine Partei zur Wahl angetreten, die zumindest in Ansätzen eine solche soziale Alternative darstellt. Die KPÖ Steiermark hat sich als Anwältin all jener, die keine Lobby haben, etabliert. Vor allem ihr Einsatz für gutes und leistbares Wohnen in Graz ist vorbildlich. Trotzdem konnte sie nur knapp den Wiedereinzug in den Landtag sichern. Die Gründe für das enttäuschende Abschneiden der KPÖ sollten von Allen, die an einer echten sozialen Alternative in Österreich interessiert sind, systematisch und solidarisch diskutiert werden – Samuel Stuhlpfarrer hat auf mosaik bereits einen ersten wichtigen Aufschlag dafür gemacht. Es ist schließlich das einzige linke Projekt in Österreich, das mehr als bloß lokale Bedeutung hat; wir sollten von den Erfolgen wie den Fehlern und Problemen gemeinsam lernen. Eines scheint mir aber offensichtlich zu sein. Unter den Bedingungen der Kürzungspolitik in Europa und Österreich gibt es keine „reine“ Landes- oder Regionalpolitik mehr. Die Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland waren auch Abstimmungen über die Bundespolitik. In dieser Situation tut sich eine Partei, die keine relevanten Partner im Rest Österreichs hat, mehr als schwer. Die Herausforderung ist demnach, ein politisches Projekt zu entwickeln, das die vielen verschiedenen Menschen, Initiativen und Gruppen zusammen bringt, um eine echte soziale Alternative nicht nur für Graz oder die Steiermark, sondern für ganz Österreich schafft. Denn so lange keine Kraft glaubhaft machen kann, dass es kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen, bessere Schulen und Krankenhäuser, gutes Wohnen und gutes Leben geben kann – und deutlich sagt, dass wir dafür mächtige GegnerInnen bezwingen müssen, und zwar die korrupten Eliten in Politik und Wirtschaft – wird die FPÖ von Erfolg zu Erfolg reiten. Bis irgendwann Heinz-Christian Strache im Bundeskanzleramt sitzt. Und dann Gnade uns Gott.
Benjamin Opratko ist Politikwissenschaftler und Redakteur von mosaik.