Brandanschlag auf Klimabewegung: Jetzt sprechen die Betroffenen

In der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember verübten bislang Unbekannte gegen zwei Uhr einen lebensgefährlichen Brandanschlag. Ziel davon war ein als Witterungsschutz dienender zweistöckiger Holzturm am Eingang der besetzen Baustelle der Stadtautobahn Aspern in der Hirschstettner Straße. In kürzester Zeit stand er völlig in Flammen. Regelmäßig übernachteten hier junge Klimaaktivist:innen, um den Bau der Stadtautobahn rund um die Uhr zu verhindern. In dieser Nacht waren es acht. Nur durch schnelles Handeln konnten sie ihr Leben retten. Mosaik-Redakteur Mathias Krams sprach mit einer von ihnen, der 16jährigen Schülerin und Jugendrat-Aktivistin Lisa.

Lisa, du warst während dem Brandanschlag in Witterungsschutz. Wie hast du das ganze erlebt?

Lisa: Mich hat das enorm schockiert, ich war wirklich panisch. Es war sehr spät in der Nacht, wir hatten uns gerade zum Schlafen hingelegt. Plötzlich gab es einen Knall. Ich habe mich so erschreckt. Wir dachten zuerst es wäre ein Feuerwerk. Doch es ist hell geblieben vor der Tür. Dann sind wir hinaus und haben die Flammen gesehen. Ohne das Adrenalin in meinem Körper und die Unterstützung der anderen hätte ich nicht handeln können. Es ist so viel passiert in dieser Nacht und ich kann es immer noch nicht ganz realisieren. Ich bin froh, dass wir alle heil herausgekommen sind. Es hat mich am nächsten Tag sehr geschockt, die verbrannten Sachen zu sehen und, dass der Turm einfach weg ist.

Es macht mich wütend, dass es Menschen gibt, die so einen Hass auf uns haben und dabei sogar in Kauf nehmen, dass Menschen sterben. Wir kämpfen nur für unsere Zukunft und werden dafür von der Politik mit Klagsdrohungen und von anderen Menschen mit Brandanschlägen angegriffen. Das finde ich unglaublich. Ich hatte daran geglaubt, dass es möglich ist, friedlich zu demonstrieren, ohne angegriffen zu werden. Es schockiert mich, dass ich anscheinend zu gutgläubig und naiv war.

Warum hast du dich dazu entschieden auch auf zivilen Ungehorsam zurückzugreifen, um das Autobahnprojekt zu stoppen? Wie kam es, dass du in der besagten Nacht auf der Baustelle übernachtet hast?

Es muss sich so dringend etwas ändern. Seit drei Jahren demonstrieren Fridays for Future für eine bessere Klimapolitik. Die Bürger:innen-Initiative Hirschstetten Retten versucht schon seit über 20 Jahren durch Gespräche die Stadtautobahn zu verhindern. Doch durch Reden mit der Stadtregierung allein ist man nicht weitergekommen. Dass jetzt die Stadtautobahn mitten in der Klimakrise tatsächlich gebaut werden soll, frustrierte mich enorm. Um sie noch zu verhindern, habe ich keine andere Möglichkeit gesehen, als die Baustelle zu besetzen. Die Umstände zwingen uns quasi zu zivilem Ungehorsam. Wir sehen keine andere Lösung mehr als uns mit unseren eigenen Körpern gegen das Autobahnprojekt zu stellen.

Was hatte dich ursprünglich dazu bewegt, dich gegen den Bau der Stadtautobahn Aspern und der Lobauautobahn zu engagieren?

Ich habe Angst davor, in einer permanenten Klimakrise leben zu müssen. Daher habe ich mich vor eineinhalb Jahren zunächst Fridays for Future und dann dem Wiener Jugendrat angeschlossen, um mich für eine klimagerechte Zukunft zu engagieren. Schon heute können wir die Auswirkungen der Klimakrise hautnah erleben. Da ist es völlig absurd, weitere fossile Großprojekte wie die Stadtautobahn Aspern und die Lobauautobahn zu bauen, die noch mehr Autos anziehen und die Natur weiter zerstören. Sie entspringen einem fossilen, kapitalistischen Weltbild. Um die Klimakrise zu stoppen müssen wir da raus und eine radikale Wende einleiten. An der Stadtautobahn wird das konkret. Hier kommen viele Organisationen zusammen und setzen sich gemeinsam für eine bessere Welt ein. Dieses Autobahnprojekt zu verhindern, muss ein erster Schritt sein in Richtung Klimagerechtigkeit. Die bisherigen Erfolge, wie der Stopp des Lobautunnels, sind Erfolge der ganzen Bewegung. Sie geben viel Kraft und Hoffnung.

Bürgermeister Ludwig degradierte in seiner Reaktion auf den Brandanschlag die verfassungsmäßig geschützte Kundgebung und den friedlichen Protest als rechtsfreien Raum. Wie hast du die Reaktion der Stadtregierung wahrgenommen und was würdest du dir von ihr erwarten?

Ich würde erwarten, dass es irgendeine Form von Unterstützung gibt. Aber die gibt es überhaupt nicht. Allein das Statement von Bürgermeister Ludwig, das so kalt und böse ist. Keine Form von Mitgefühl zu zeigen  ̶  nicht mal für sein Image  ̶  das schockiert mich. Wir sind Kinder, junge Aktivist:innen, die für ihre Zukunft kämpfen und die Stadtregierung sieht das einfach nicht ein. Ich fühle mich alleine gelassen von der Politik. Ich erwarte von der Stadtregierung gar nichts mehr, aber hoffe trotzdem, dass sie irgendwann noch einsehen, dass unser aller Zukunft in ihren Händen liegt.

Was macht es mit dir und anderen jungen Menschen, wenn man so angegriffen und von der Politik allein gelassen wird?

Es enttäuscht mich, frustriert mich, macht mich unglaublich wütend und macht mir große Angst. Der Anschlag hätte jede Person treffen können, die an dem Abend im Camp war. Eine der acht Personen, die in dieser Nacht in dem Witterungsschutz übernachtete und von dem Brandanschlag betroffen war, war zum ersten Mal am Camp. Niemand von uns hat das verdient. Wir kämpfen einfach nur für unsere Zukunft. Es macht mir Angst, dass es scheinbar wirklich gefährlich ist, klimapolitisch aktiv zu sein. Dass man riskiert, dafür von der Politik und anderen Gruppen massiv angefeindet zu werden. Ich möchte nur eine schöne Zukunft, das ist alles was ich fordere. Dafür war ich in Gefahr bei einem Brand zu sterben. Das ist einfach schrecklich. 

Gab es von anderer Seite Unterstützung oder Solidaritätsbekundungen?

Wir haben viele Solidaritäts-Fotos von anderen Gruppen zugeschickt bekommen. Ich merke wie stark die Bewegung jetzt zusammenhält und wie viele Menschen hinter uns stehen. Das tut gut und ist wichtig, um neue Kraft zu schöpfen. Auch bei der Mahnwache zu dem Brandanschlag am Sonntag in Hirschstetten habe ich gemerkt, wie viel Kraft, Hoffnung und Zusammenhalt da ist. Wir werden uns von dem Brandanschlag nicht unterkriegen lassen und sicher nicht aufgeben.

Wie geht es mit der Besetzung und der Bewegung weiter?

Gerade sind viele noch in einem Schockzustand. Wir wissen nicht was wir fühlen und wie wir damit umgehen sollen. Wir werden in Zukunft noch vorsichtiger sein müssen und etwa die Nachtwachen intensivieren, damit so etwas nicht mehr passiert. Aber wir werden nicht aufgeben und weiterhin die Baustellen der Stadtautobahn besetzen. Der Witterungsschutz, der in Flammen aufging, wird schon wieder aufgebaut. Wir werden zeigen, dass wir stark sind und noch besser zusammenhalten. In diesem Sinne bitten wir alle, sich mit uns zu solidarisieren und uns zu unterstützen, damit wir noch mehr werden. Durch Nachtwachen, die Unterstützung des Wiederaufbaus, oder in dem einfach ein bis zwei Stunden in dem Camp verbracht werden. Alles zählt!

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Lisa, 16, ist Schülerin und Klimaaktivistin beim Wiener Jugendrat

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