„Bleibt an unserer Seite!“

Angesichts des weitreichenden Einlenkens der griechischen Regierung in den Verhandlungen mit den GeldgeberInnen wandte sich Stathis Kouvelakis, Mitglied des Zentralkomitees von Syriza und Unterstützer der Linken Plattform innerhalb der Regierungspartei, am 23. Juni in einem bemerkenswerten Appel „an alle Freund_innen des griechischen Volkes“. Wir dokumentieren seinen Beitrag an dieser Stelle.

Liebe Freund_innen, liebe Genoss_innen,

zweifellos wisst ihr bereits, dass im Moment etwas sehr Ernstes im Gange ist. Nach dem Kräftemessen der vergangenen Monate zwischen der Troika, der Geldgeber und der griechischen Regierung – deren Wahl eine immense Hoffnung für alle Kräfte, die gegen Austerität und Neoliberalismus in Europa kämpfen, dargestellt hat – ist die griechische Seite nun dabei, nachzugeben. Die letzten Vorschläge Athens stellen die Billigung der grundlegenden Forderungen der Geldgeber dar.

Es ist dies nichts Geringeres, als ein neuer Plan der Austerität, ein neuer acht Milliarden schwerer Ablaßschein, dessen Hauptlast die Arbeiter_innen und Pensionist_innen zu schultern haben werden. Dieses Maßnahmenpaket, das in jedem Punkt mit der dem Land in den letzten fünf Jahren verabreichten Medizin vergleichbar ist, kann nur zu einer weiteren Rezession, zu Arbeitslosigkeit und Armut führen. Und all das in einem Land, das innerhalb von fünf Jahren bereits ein Viertel seines Bruttoinlandsprodukts eingebüßt hat, wo die Arbeitslosigkeit mehr als ein Viertel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter betrifft und wo ein Drittel der Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebt.

Liebe Freund_innen, liebe Genoss_innen,

wir werden eine politische Bilanz der Entwicklung, die diese Regierung – vom Hoffnungsträger, weit über dieses kleine Land hinaus, hin zu dem Punkt, an dem wir heute stehen – genommen hat,  ziehen müssen.

Aber das ist im Moment nicht unsere dringlichste Aufgabe. In dieser Stunde gilt es zu mobilisieren und Druck aufzubauen:

  • auf die griechische Regierung, um sie – solange die Übereinkunft nicht unterzeichnet ist – von einem nicht wieder gut zu machenden Fehler zu bewahren. Die Kapitulation der Syriza-Regierung hätte nicht absehbare Folgen für die fortschrittlichen Kräfte in Europa und weltweit – Dieser Botschaft müssen wir Gehör verschaffen.
  • Auf die Parlamentsfraktion von Syriza, damit ihre Abgeordneten nicht einer Einigung zustimmen, die in jedem Punkt dem Mandat, das ihnen erst vor sechs Monaten vom Griechischen Volk verliehen worden ist, widerspricht.

Liebe Freund_innen, liebe Genoss_innen,

ich möchte euch versichern, dass tausende Syriza-Aktivist_innen kämpfen, und in dieser schwierigen Situation weiter kämpfen werden, damit die Hoffnung des Volkes und die Kämpfe der vergangenen Jahre nicht umsonst gewesen sind. Ihr könnt euch sicher sein: Bedeutende soziale Kräfte werden sich von der Welle der Propaganda, die die Realität verdecken und den Boden für die schmachvolle Kapitulation aufbereiten soll, nicht in die Irre führen lassen. All diese Kräfte brauchen jetzt mehr denn je internationale Unterstützung.

Noch ist es Zeit, eine neue griechische Tragödie zu verhindern – eine Tragödie für alle Kämpfenden und Widerständigen in Europa und darüber hinaus.

Bleibt an unserer Seite! Lasst uns den Kampf fortsetzen! ¡No pasarán!

Stathis Kouvelakis, London, 23. Juni 2015

Stathis Kouvelakis ist Mitglied des Zentralkomitees von SYRIZA, Unterstützer der Linken Plattform innerhalb der Partei und Dozent für Politische Theorie am King’s College London.

Der Beitrag wurde von mosaik-Redakteur Samuel Stuhlpfarrer ins Deutsche übersetzt. 

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