Offene Hände, verschränkte Arme: Bettelverbot in Linz

Heute tritt in Linz das sektorale Bettelverbot in Kraft. Danyal Maneka und Julian Niederhauser erklären, warum das Bettelverbot arme Menschen aus der Stadt verdrängt und welche Rolle Medien und die SPÖ dabei spielen.

An zentralen Orten in Linz ist das stille Bitten um Almosen künftig verboten – das haben SPÖ, ÖVP und FPÖ gemeinsam beschlossen. In Salzburg gibt es bereits ein ähnliches Bettelverbot. In beiden Städten ist die SPÖ für die Verdrängung von Armen aus dem Stadtbild verantwortlich. Offenkundig wird dabei nicht nur der rasante Rechtsruck einer ehemals sozialistischen Partei, sondern auch der einseitige Charakter des europäischen Projekts.

Schulter an Schulter gegen BettlerInnen

Die neue Regelung in Linz betrifft das Gebiet vom Hauptplatz über die Landstraße inklusive einiger Seiten- und Nebenstraßen hin zum Volksgarten. Abhängig vom konkreten Ort und bestimmten Ereignissen wie etwa Märkten ist Betteln damit tagsüber generell verboten, wobei Sonntage weitgehend ausgenommen sind.

In Salzburg haben SPÖ, ÖVP, FPÖ und Team-Stronach bereits im Juni 2015 ein sektorales Bettelverbot verabschiedet. Seitdem ist in weiten Teilen der Salzburger Altstadt selbst das ruhige Handaufhalten untersagt. Kürzlich wurde durch dieselben politischen Kräfte eine drastische Ausweitung der Verbotszonen beschlossen. Ähnliche Beschlüsse zur Verdrängung von BettlerInnen gab es etwa auch in Innsbruck und in Vorarlberger Gemeinden. Auch in Vorarlberg entschloss sich die SPÖ, den repressiven Kurs gegen Arme an der Seite von Volkspartei und Freiheitlichen zu forcieren.

Von diesen Gesetzen auf Gemeindeebene abgesehen, existieren in fast allen Bundesländern allgemeine Einschränkungen des Bettelns. Diese umfassen sogenanntes „aggressives“ Betteln, Betteln mit Minderjährigen und zum Teil umstrittene Formulierungen wie „organisiertes“ und „gewerbsmäßiges“ Betteln. Derartig schwammige Begrifflichkeiten lassen kreative Interpretationsweisen zu und räumen den exekutiven Organen weitgehenden Spielraum zum Vorgehen gegen BettlerInnen ein.

Die Betteldebatte als rassistische Kampagne

Die Gesetze gegen BettlerInnen kommen nicht aus heiterem Himmel. In allen Fällen gingen den Beschlüssen heftige und teils unsaubere mediale Debatten voraus, die die öffentliche Stimmung aufheizten. Eine besondere Rolle kommt dabei – wenig überraschend – der Kronenzeitung zu. Doch auch Medien, die ihre Arbeit als Qualitätsjournalismus bezeichnen, unterscheiden sich oft nur im Ton – und nicht in der Argumentation.

Nachdem es zuvor eher ruhig ums Betteln war, verzeichnete die Debatte im Jahr 2014 einen noch nie dagewesenen Höhepunkt. Die mediale Auseinandersetzung stieg zeitgleich mit der (Armuts-)Migration aus (süd-)osteuropäischen EU-Staaten an.

Im Visier der aktuellen Anti-Bettel-Kampagne stehen also Menschen aus (Süd-)Osteuropa. Sie bezeichnen sich zu einem großen Teil als Roma und Romnija. Angesichts dessen ist es wenig verwunderlich, dass JournalistInnen häufig zu  rassistischen Bildern und Erzählungen über „Zigeuner“ greifen. Insbesondere die Geschichte von kriminellen Bettlerbanden, die im  Schlagwort „Bettler-Mafia“ gipfelt, ist in Medien allgegenwärtig. Ebenfalls ist die Debatte durchzogen von einer aus der frühen Neuzeit stammenden Unterscheidung zwischen würdigen und unwürdigen Armen. Dargestellt als betrügerisch, kriminell und grundsätzlich arbeitsfähig, werden die (süd-)osteuropäischen BettlerInnen  zu den unwürdigen Armen gezählt.

Bei einem großen Teil der medialen und politischen Auseinandersetzung mit BettlerInnen handelt es sich daher um eine rassistische Ausschließungskampagne. Nach körperlichen und kulturellen Merkmalen definierten „Anderen“ verwehrt die Politik den  Zugang zu bestimmten Stadtteilen. Auch wenn das Bettelverbot für alle gilt, sind MigrantInnen aus (Süd-)Osteuropa verstärkt davon betroffen.

„Law and Order“ statt Sozialpolitik

Gesetzliche Maßnahmen gegen BettlerInnen bewegen sich am Rande der Legalität. Im Jahr 2013 kippte der Verfassungsgerichtshof beispielsweise ein generelles Bettelverbot in der Steiermark mit der Begründung, dass dieses nicht menschenrechtskonform sei. Auch die in Linz anstehende Verschärfung wurde erst durch eine Novelle des Landespolizeigesetzes aus dem Jahr 2014 möglich. Begleitet werden die Gesetzesänderungen stets von Forderungen nach zahlenmäßiger Aufstockung und Kompetenzerweiterung der Polizei bzw. städtischer Ordnungsdienste.

Wie auch die aktuelle Flüchtlingspolitik der Bundesregierung laufen die Bettelverbote auf einen Machtzuwachs von repressiven Apparaten hinaus. Armut erfordert eine sozialpolitische Lösung, wird aber zunehmend zum Gegenstand von Organen der öffentlichen Gewalt. Mit dieser Neuverteilung staatlicher Aufgaben tritt der repressive Charakter des Staates weiter hervor.

Die FPÖ macht seit Jahrzehnten Politik gegen MigrantInnen. Mittlerweile wird diese in Zusammenarbeit mit den ehemaligen Großparteien umgesetzt. Anstelle einer umfassenden europäischen Sozialpolitik und der Bekämpfung von Armut beschließen Stadt- und Landesregierungen Gesetze gegen Arme. Die geplanten Hilfsprojekte der Stadt Linz in der neuen Partnerstadt Braslov sind wohl kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein und dienen eher der Gewissensreinigung als einer ernstgemeinten Armutsbekämpfung.

Wir brauchen eine europäische Sozialpolitik!

Den Überlebensstrategien armer EU-BürgerInnen entgegnen PolitikerInnen mit Verboten. Das ist nicht mehr als ein Armutszeugnis für die federführenden EntscheidungsträgerInnen auf Gemeinde-, Länder- und Bundesebene. Zugleich aber ist ebendieser Umstand ein Ausdruck der Eindimensionalität der europäischen Integration, denn er führt uns das Fehlen einer gemeinsamen europäischen Sozialpolitik vor Augen. Eine soziale Gemeinschaft hätte – im Gegensatz zu einer neoliberalen Wirtschaftsunion – dem Elend und der Armut anderes entgegenzusetzen, als kurzsichtige Law-and-Order-Politik.

Das hat insbesondere auch die von Ängsten um Stimmenverluste geplagte SPÖ einzusehen. Denn den Rechten nach dem Mund zu reden und ihre Forderungen umzusetzen, mag zwar letztendlich dazu führen, dass sich Ängste vor Wahlpleiten verflüchtigen. Allerdings wären in diesem Fall die Ängste nur deshalb verschwunden, weil es die Partei nicht mehr gäbe.

Info: Wichtige Arbeit im Kampf gegen das offensive Vorgehen gegen Bettelnde leisten unter anderem die Bettellobby, der Runde Tisch für Menschenrechte und die Caritas.

Danyal Maneka studiert Politikwissenschaft an der Universität Wien.

Julian Niederhauser studiert Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien.

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