Cardi B. und Daddy Bernie: Warum die bekannteste US-Rapperin Bernie Sanders unterstützt

Der linke US-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders bekommt Unterstützung von ungewöhnlicher Seite. Cardi B, die derzeit erfolgreichste Rapperin der Welt, setzt sich im demokratischen Vorwahlkampf für „Daddy Bernie“ ein, wie sie ihn liebevoll nennt. Was das Video über die Sanders-Kampagne, Bernies Chancen gegen Donald Trump und das veraltete Bild der ArbeiterInnenklasse aussagt, berichtet Tyma Kraitt.

Der Senator aus Vermont und die Musikerin veröffentlichten Mitte August ein elfminütiges Video, in dem sie über Themen wie das marode Gesundheitssystem, zu niedrige Löhne, Polizeibrutalität und Steuergerechtigkeit sprechen. In den elitären Chefetagen vieler US-Medienhäuser mag man über diese Kollaboration die Nase rümpfen oder sie gar ins Lächerliche ziehen. Doch Belcalis Marlenis Almanzar, wie Cardi B mit bürgerlichem Namen heißt, „fühlt den Bern“ schon seit 2016 und teilt ihre politischen Ansichten gerne ihren Fans mit – darunter 49 Millionen Abonnenten auf Instagram und 6,8 Millionen Follower auf Twitter.

Mit ihrer schonungslosen Kritik an den politischen und sozialen Missständen in den USA setzt sie sich immer wieder sexistischen Reaktionen aus. Der Tenor meist: „Was hat eine ehemalige Stripperin schon über Politik zu sagen?“. Von rechten und frauenfeindlichen Trollen lässt sich die Rapperin allerdings nicht einschüchtern. Dieser Widerstandsgeist war auch der Grund, weshalb die Bodak Yellow-Interpretin zum inoffiziellen Gesicht des diesjährigen Frauenmarschs in Washington D.C. wurde. Unzählige Demonstrantinnen tauchten mit selbstgebastelten Cardi B-Transparenten und Schildern zum Protest auf.

Politik & Pussy Poppin’

Das Wahlkampf-Video ist ein Lehrstück für gelungene politische Kommunikation. Cardi B gibt mit ihren Fragen an Sanders und ihren persönlichen Eindrücken den Takt vor. Als ZuseherIn nimmt man ihr jedes Wort ab. Die Anfänge ihrer steilen Karriere liegen nämlich noch nicht so weit zurück. Und ja, sie war vor nicht allzu langer Zeit Stripperin und musste sich mit sonstigen schlechtbezahlten Jobs durchschlagen. Sie kennt die Sorgen und Nöte vieler Menschen, denen soziale Sicherheit und Aufstieg verwehrt bleiben.

Genau das spricht sie auch in dem Clip an: „Bevor ich berühmt wurde hatte ich als New Yorkerin das Gefühl, egal wie viele Jobs ich habe, es reicht einfach nicht. Ich konnte die Miete nicht zahlen, mir Verkehrsmittel oder Essen leisten.“ Sanders pflichtet ihr bei, denn Millionen von Menschen in den USA müssen von Hungerlöhnen leben. Sie sind sich beide einig: Es kann einfach nicht sein, dass Leute für einen Stundenlohn von neun Dollar arbeiten müssen.

Diese Stelle aus dem Video zeigt eindrucksvoll, dass es sich um ein Gespräch auf Augenhöhe handelt. Sanders respektiert Cardi B und hat sie zuvor schon in Interviews mehrmals als kluge Frau mit scharfem Verstand und viel Wissen beschrieben. Lob, das die Musikerin, die sonst eher auf ihr Aussehen, Sexyness oder ihr vulgär-provokantes Auftreten reduziert wird, stolz macht. In der Schule liebte sie den Geschichtsunterricht. Eine historische Persönlichkeit, die es ihr besonders angetan hat, ist Franklin D. Roosevelt. Die Begeisterung für den New-Deal-Präsidenten teilt sie übrigens auch mit Bernie Sanders.

Authentizität statt Aufputz

Es ist nicht neu, dass sich US-PolitikerInnen gerne mit Hip-Hop KünstlerInnen ablichten lassen (siehe Donald Trump mit Kanye West oder Hillary Clinton mit Beyoncé und Jay-Z). In der Regel ist das aber eine klassische Strategie der Instrumentalisierung – und letztlich herablassend gegenüber den MusikerInnen. VertreterInnen des Polit-Establishments holen sich vermeintliche Street-Credibility, betonen ihre Lässigkeit, um danach wieder wie gewohnt auf einer Gala mit Großspendern edel zu dinieren.

Bei Bernie Sanders ist das nicht der Fall. Seine Stärke ist seine Glaubwürdigkeit. Ob im Gespräch mit Cardi B, beim ultrarechten Nachrichtensender Fox News oder bei seinem Gastauftritt als Rabbi Manny Shewitz in der Low-Budget-Komödie „My X-Girlfriend’s Wedding Reception“– Bernie ist immer Bernie. Und diese Authentizität trifft nicht nur auf die Person Sanders zu, sondern vor allem auf seine Politik. Er tritt praktisch seit Jahrzehnten kompromisslos für die gleichen Anliegen ein.

Wahlkampf aus dem Nagelstudio

Ein bemerkenswerter Schachzug war es, das gemeinsame Video in einem Nagelsalon, der TEN Nail Bar in Detroit, zu drehen. Dieses Setting hat sich Cardi B ausgesucht. Sie ist bekanntlich ein großer Fan bunt glitzernder Acryl- und Gelnägel. In der Vergangenheit wurden auffällige Kunstnägel stets als zu prollig geschmäht. Zwar gelten sie jetzt auch in gehobeneren Kreisen als salonfähig – etwa bei den Kardashians, die oft wegen der Aneignung afroamerikanischer Stylings kritisiert werden. Doch der Flair des Prolligen ist geblieben. Für zahlreiche junge Frauen, die um ein Vielfaches weniger verdienen als Kim, Kylie & Co sind lange bunte Acrylnägel weiterhin eine beliebte Nagelmodellage. Und es sind genau diese Frauen, die Sanders und Cardi B politisieren und gewinnen wollen.

Ein anderer spannender Aspekt: Mitten im Wahlkampf wird viel über ArbeiterInnen gesprochen, aber kaum zu ihnen. ArbeiterInnen werden dabei fast ausschließlich als weiß und männlich portraitiert. Umso bemerkenswerter ist es, dass Sanders seinen Wahlkampf nun auch aus einem Nagelstudio führt. BeautydienstleisterInnen sind in der Regel weiblich, haben nicht selten einen Migrationshintergrund und arbeiten meist für Hungerlöhne und mickriges Trinkgeld. Mit Hilfe von „Genossin Cardi“, die vor ihrer Musikkarriere auch Gewerkschaftsmitglied der UFCW war, rüttelt Bernie Sanders am realitätsfernen Bild von der weißen ArbeiterInnenklasse. Dadurch spricht er eine viel größere und breitere Bevölkerungsgruppe an, als all seine GegnerInnen. Und genau das macht Sanders zum stärksten demokratischen Kandidaten gegen Donald Trump.

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