René Benko und der Ausverkauf Berlins

Haus in Berlin

René Benko macht wieder Schlagzeilen. Diesmal in Berlin. Dort will er Immobilien seiner insolventen Kaufhauskette Karstadt in Luxuswohnungen und Edel-Boutiquen umwandeln. Doch Anwohner*innen und Beschäftigte wehren sich gegen den Ausverkauf der Stadt. Valentin Ihßen berichtet von Protest-Kiosks, Genossenschaftssupermärkten und der fragwürdigen Rolle der Berliner Sozialdemokratie.

René Benko, der wegen fragwürdiger Geschäfte, Korruptionsskandalen und möglichen illegalen Parteispenden an die rechtsextreme FPÖ auch in Deutschland immer wieder Schlagzeilen macht, verfolgt ein neues Herzensprojekt: Mit seiner Investmentgesellschaft Signa will er im Schulterschluss mit Berliner Sozialdemokrat*innen die Luxussanierung von unrentabel gewordenen Kaufhäusern vorantreiben.

Schon vor einigen Jahren kaufte Benko die mittlerweile insolvente Kaufhauskette Karstadt auf. In Berlin gehören ihm Kaufhäuser am Kurfürstendamm, am Alexanderplatz, im Wedding und am Hermannplatz zwischen Kreuzberg und Neukölln. Ihnen droht nun der Abriss, um Platz zu machen für einen Mix aus Edel-Boutiquen, Nobelbüros, Hotels und Luxuswohnungen. Denn Benko und seine Signa-Gruppe sind überzeugt: Nur Luxushäuser werden auch in Zukunft noch Renditen bringen.

Damit droht vielen der Beschäftigten in den Kaufhäusern die Arbeitslosigkeit. Doch auch Ladenbesitzer*innen und Anwohner*innen machen sich Sorgen. Denn Edelboutiquen und Büros für Start-Ups locken reiche Internationals in die Bezirke. Das treibt die Mieten in die Höhe und macht sie für ansässige Berliner*innen unbezahlbar.

Die Stadtgesellschaft wehrt sich

Am bürgerlichen Kurfürstendamm in Berlin-Charlottenburg und am Alexanderplatz, wo wenige Menschen leben, ist Protest gegen Signa wenig aussichtsreich. Doch am migrantisch geprägten Hermannplatz zwischen Kreuzberg und Neukölln und im Arbeiter*innenviertel Wedding ist noch nicht alles entschieden. Hier regt sich Widerstand gegen Benkos Pläne.

In Neukölln wehrte sich die ‚Initiative Hermannplatz‘ – zunächst mit Erfolg. In der zuständigen Bezirksverordnetenversammlung stemmten sich Linke und Grüne gegen den Bebauungsplan des Investors. Bis die Berliner Stadtregierung, der Senat, das Projekt zur Chef*innen-Sache machte und dem Bezirk kurzerhand die Zuständigkeit entzog.

Was genau den Senat dazu bewogen hat, dem Bezirk die Zuständigkeit zu entziehen, ist unklar. Martha Kleedörfer von der Linksfraktion Berlin-Mitte sagt dazu: „Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass es zwischen der SPD und der Baumafia alte, gewachsene Strukturen gibt.”

Die Benko Methode

Fest steht, dass Benko international bekannt dafür ist, gekonnt die verschiedenen Akteure gegeneinander auszuspielen und mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche seine Vorhaben durchzubringen. Das angekündigte Bürgerbeteiligungsverfahren wurde schon nach der ersten Sitzung eingestampft. Denn die Anwohner*innen machten ihrem Missmut Luft und zeigten wenig Kompromissbereitschaft. Der Senat macht seitdem Druck und möchte den Weg für Signa freimachen. „In diesem Fall hatte die Bürgerbeteiligung für den Senat vor allem die Funktion, den lokalen Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen”, sagt Carla Aßmann, Mitglied der Linksfraktion in Friedrichshain-Kreuzberg. Doch ohne die Zustimmung des Berliner Stadtparlaments kann nicht gebaut werden.

Wie geht es weiter nach der Wahl?

Seit der Neuwahl in Berlin ist die Zukunft der Rot-Grün-Roten Koalition ungewiss. Die SPD ist für die Luxussanierung, einzelne Grüne kippeln. Sollte die Linkspartei nicht weiter mitregieren, dann gilt es als sehr wahrscheinlich, dass die Mehrheit der Abgeordneten im Stadtparlament für den Baustart stimmen wird. Damit hätte Milliardär Benko den Kampf gegen die Anwohner*innen gewonnen.

Protestkiosk als „Stachel im Planungsprozess“

Die Aktivist*innen von der Initiative Hermannplatz geben jedenfalls nicht auf. In direkter Nachbarschaft zum Karstadt haben sie einen Kiosk bezogen. „Der Protestkiosk ist unser Stachel im Planungsprozess. Er ist im letzten Jahr Treffpunkt für die Nachbar*innenschaft, Aktionsraum für viele unterschiedliche Initiativen und Nachbar*innen geworden. Er verwurzelt sich von Tag zu Tag immer mehr mit der Nachbar*innenschaft. Der Senat oder Signa sollen sich erstmal trauen, diesen Ort im Rahmen ihrer Pläne zu zerstören”, sagt Niloufar Tajeri von der Initiative. Mittlerweile haben die Aktivist*innen vor Ort schon 7 000 Unterschriften gegen den Bau gesammelt. „Wir stehen jede Woche am Hermannplatz auf der Straße und informieren über den Stand der Dinge”, so Tajeri. 

Protest im Wedding: Begegnungsort statt Luxus

Im Wedding ist die Situation ähnlich. Auch hier möchte Signa, dass das Warenhaus an der Müllerstraße einem Mix aus Luxuswohnungen und Boutique-Geschäften weicht. Und auch hier hat sich eine Mehrheit im Bezirks-Parlament gegen das Projekt stark gemacht – und wurde von der SPD ausgehebelt. Diesmal vom sozialdemokratisch geführten Bezirksbauamt und Bezirksstadtrat Ephraim Gothe (SPD). Entgegen der von einer Mehrheit des Bezirks-Parlaments beschlossenen breiten Bürgerbeteiligung zur Zukunft des Kaufhauses, organisierten Gothe und Signa eine eigene Info-Veranstaltung. Die Forderungen der Anwohner*innen und Beschäftigten wurden dennoch deutlich: Keine Luxuswohnungen, keine Büros, kein Leerstand. Stattdessen der Erhalt des Warenhauses, Urban Gardening und Raum für Initiativen. Kurzum: „gemeinwohlorientierte Begegnungsorte und öffentliche Zentren“, wie es die Stadtteilinitiative zusammenfasst.

Doch schon beim Start des Wettbewerbsverfahren werden die Anliegen der Anwohner*innen und Beschäftigten kaum berücksichtigt. Stattdessen ist ein Großteil der Fläche als Büros vorgesehen und es sollen doppelt soviele Luxuswohnungen wie Sozialwohnungen gebaut werden.

Anders als im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg liegt im Wedding allerdings die Entscheidung über den Bebauungsplans weiterhin beim Bezirk – hier könnten die Abgeordneten des Bezirksparlaments den Umbau des Kaufhauses in eine Luxusimmobilie also noch stoppen. Doch die Mehrheitsverhältnisse sind nicht klar. Und so wird entscheidend sein, wie vehement sich die Stadtgesellschaft gegen Benkos Pläne wehrt.

Genossenschaften statt Investmentfirmen

Martha Kleedörfer von der Linksfraktion Berlin-Mitte hätte schon eine Idee, wie es mit dem Karstadt m Wedding weitergehen sollte: „Ich würde mir wünschen, dass Anwohner*innen und Mitarbeiter*innen in der Müllerstraße eine Genossenschaft gründen und dass Mitarbeiter*innen das Warenhaus weiterführen können.” Nur ein paar hundert Meter entfernt ist das schon gelungen. Dort haben Anwohner*innen in den alten Osram-Höfen eine Supermarktgenossenschaft gegründet und verkaufen regionales Biogemüse preisgünstig an ihre Mitglieder.

Der Kampf um Berlin geht weiter

Es sind Geschichten wie diese, die trotz Mietenkrise und andauerndem Ausverkauf der Stadt an Milliardäre wie Benko zeigen: Der Kampf um Berlin ist noch nicht entschieden. Trotz Jahrzehnten des neoliberalen Umbaus, reißt der Widerstand nicht ab. Um Investoren die Stirn bieten können, ist es wichtig, dass Stadtteilinitiativen und Beschäftigte die Gefahren früh erkennen. Nur so lassen sich breite Bündnisse zwischen Gewerkschaften, Anwohner*innen und z.B. sozialen Initiativen, wie Kindertagesstätten oder Nachbarschaftscafés, aufbauen und den Ausverkauf der Stadt in Wahlkämpfen skandalisieren. Klar ist: Investoren wie René Benko sind Teil des Problems, selbstverwaltete Strukturen sind die Lösung.

Foto: Rasande Tyskar

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