Monsanto ist vielen als das Übel der Landwirtschaftswelt ein Begriff. Nun möchte der deutsche Pharma- und Agrochemieriese Bayer den US-Konzern kaufen, der für sein gentechnisch verändertes Saatgut und seine üble Klagepraxis gegen LandwirtInnen bekannt geworden ist. Ein Deal, der für uns alle Konsequenzen hat, meint Sebastian Theissing-Matei.
Es war wohl die Wirtschaftsnachricht der letzten Woche. Bayer, der deutsche Pharmakonzern aus Leverkusen ist bereit 59 Milliarden Euro für Monsanto zu bezahlen. Eine bindende Fusionsvereinbarung ist bereits von beiden Konzernleitungen unterzeichnet. Überall wurde gewitzelt, Bayer verkaufe nun die Medikamente, die Monsanto erst notwendig machen würde. Denn der US-Konzern Monsanto ist berühmt-berüchtigt für Gentechnik, Glyphosat (ein Unkrautvernichtungsmittel, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein) und aggressive Patentrechtsklagen, die die betroffenen LandwirtInnen schon mal in den finanziellen Ruin treiben. 23,5 Millionen US-Dollar hat Monsanto bis 2012 allein aus Klagen gegen landwirtschaftliche Betriebe lukriert und nochmal ein vielfaches davon in außergerichtlichen Einigungen. Für viele gilt der US-Konzern daher geradezu als Sinnbild für alles was in der zunehmend industrialisierten Landwirtschaft falsch läuft.
Bayer steht Monsanto in nichts nach
Dagegen genießt Bayer das deutlich positivere Image des deutschen Aspirinherstellers. Zu Unrecht, wie ein kritischer Blick auf das Unternehmen schnell verrät. Die Gewinne der Agro-Chemiesparte von Bayer (Bayer Crop Sciences) beruhen auf demselben Geschäftsmodell wie jene von Monsanto: auf Gentechnik, auf Patente auf Leben und auf umstrittenen Pestiziden, wie etwa die für Bienen besonders gefährlichen Neonicotinoide, die weltweit zum Bienensterben beitragen. Und auch Bayer ist bereit seine Profitinteressen ohne Rücksicht auf Mensch und Natur mit Klagen durchzusetzen. So läuft im Moment eine von Bayer eingebrachte Klage gegen die Europäische Kommission wegen eines Teilverbots dreier für Bienen besonders problematischer Insektizide.
Zu viel Macht in einer Hand im Agro-Chemie-Bereich
Beide Unternehmen sind schon für sich genommen absolute Schwergewichte in der Agro-Chemie-Branche. Zusammen ergeben sie einen Konzern, der mehr Macht über die Produktion von Lebensmittel hat als je ein einzelnes Unternehmen zuvor. Fast ein Drittel des globalen Saatgutmarktes und ein Viertel des globalen Marktes für Pestizide lägen in der Hand dieses neuen Agro-Chemie-Giganten. Dazu kommen noch unzählige Tochterunternehmen und Beteiligungen in allen möglichen Bereichen der Lebensmittelproduktion von Wetterdaten über Internet-Nachrichtendienste bis zum Lebensmitteleinzelhandel. Noch nie hatte ein einzelner Konzern so viel Kontrolle über die in gesamte Produktionskette von Nahrungsmitteln – vom Samen bis zum Teller.
Nicht weniger als die „Ernährung der Weltbevölkerung“ gibt der Vorstandsvorsitzender von Bayer und Architekt des Milliarden-Deals, Werner Baumann, als Ziel der dieser Übernahme aus. Sinn und Ziel der Unternehmensübernahme ist aber dann wohl doch eher, dem Konzern Bayer eine noch nie dagewesene Marktmacht im Agro-Chemie-Geschäft zu sichern. Denn das wirkt sich äußerst positiv auf die zu erwartenden Profite aus – zulasten aller die in diesem Produktions- und Konsumkreislauf schwächer sind: LandwirtInnen, KonsumentInnen und die Umwelt.
Monopolisierung als grundlegende Tendenz im Agrarsektor
Der Deal zwischen Bayer und Monsanto ist zwar der prominenteste und größte, geht aber Hand in Hand mit einer generellen problematischen Entwicklung hin zu einer immer stärkeren Konzentration von Macht im Agrargeschäft. Die Fusion der Schwergewichte Dow und DuPont, wird gerade von der EU-Kommission wettberwerbsrechtlich geprüft. Gleichzeitig möchte das in Europa weitgehend unbekannte chinesische Unternehmen ChemChina den Schweizer Konzern Syngenta kaufen, der ebenfalls schon jetzt zum Kreis der Weltmarktführer bei Saatgut und Pestiziden gehört. Werden alle drei Deals von den Kartellbehörden genehmigt, so kontrollieren in Zukunft drei Agro-Chemie-Riesen 61 Prozent des globalen Saatgutmarktes und 65 Prozent des weltweiten Marktes für Pestizide. Das ist viel zu viel Marktmacht in viel zu wenigen Händen – besonders bei einem der ganz essenziellen Grundbedürfnisse unserer Gesellschaft: Lebensmittel.
Diese zunehmende Marktkonzentration hat vielerlei negative Auswirkungen. Saatgutpreise dürften mittelfristig steigen. Die Forschung wird sich wohl auf ein noch engeres Spektrum von Kulturpflanzen beschränken, die genetische Vielfalt von Gemüse, Getreide und Co wird damit weiter reduziert. Anreize für die Entwicklung ökologischer Lösungen (wie robuste, an lokale Standorte angepasste Sorten) fallen endgültig weg, wenn dieselben Unternehmen, die das Saatgut verkaufen, ebenfalls Weltmarktführer bei Pestiziden sind.
Bei der Übernahme von Monsanto durch Bayer sind jetzt die Kartellbehörden gefragt. Klar scheint, dass bei diesem Deal vor allem eine Gruppe gewinnt: die AktionärInnen von Bayer. Für die Gesellschaft als Ganzes bringt er vor allem Nachteile. Trotzdem ist es aus heutiger Sicht leider nicht unwahrscheinlich, dass der Deal nach derzeitigem EU-Recht durchgehen wird. Zwar ist es möglich, dass einzelne kleinere Geschäftszweige ausgegliedert werden müssen – vor allem bei Saatgut für Baumwolle könnte das der Fall sein. Der zweite deutsche Chemie-Gigant BASF hat bereits Interesse am Kauf solcher Abspaltungen bekundet. Klar ist daher: kleine „Zerteilungen“ ändern am Grundproblem der Markt- und damit Machtkonzentration nichts.
Aber was ist das für ein Wettbewerbs- und Kartellrecht, das eine solche Machtkonzentration in einem so elementaren Bereich wie der Produktion von Lebensmittel zulässt? Sollten solche Deals von den Behörden durchgewinkt werden, dann brauchen wir hier dringend eine neue Rechtsgrundlage. Denn in Zeiten von zunehmendem Vertrauensverlust in die EU wären die europäischen Institutionen gut beraten, sich klar für die Interessen von Mensch und Umwelt einzusetzen und nicht für Profitinteressen eines einzelnen Konzerns.
Sebastian Theissing-Matei engagiert sich seit vielen Jahren als Umwelt- und Menschenrechtsaktivist. Inzwischen arbeitet er bei Greenpeace in Österreich für eine ökologische und sozial gerechte Landwirtschaft.