Der Kampf um die Staatshilfen für die Zeit nach Corona hat begonnen. Die AUA will fast eine Milliarde, auch die Autoindustrie wird Millionensummen verlangen. Für Lucia Steinwender ist klar: Das geht nicht. Wenn die Klimakiller öffentliche Gelder bekommen, müssen sie dafür unter öffentliche Kontrolle gestellt werden.
Es geht los. Weltweit liegen Billionen an Staatshilfen auf dem Tisch, mit denen die Weichen für die „Welt nach Corona“ gestellt werden sollen. Die Verhandlungen um das EU-Rettungspaket sind mitten in der heißen Phase. In Österreich fordert die Fluglinie AUA bereits 800 Millionen Euro an Staatshilfen. Wenn sich die Autoindustrie ähnliche Milliardengeschenke sichert, droht sie die Klimakrise schon bald weiter anzuheizen. Ihre mächtige Lobby blockiert seit Jahren die gerechte Mobilitätswende, die es so dringend braucht: Der Straßenverkehr ist mit fast 30 Prozent der Treibhausgas-Emissionen Klimakiller Nummer 1 in Österreich. Gelingt es nun Akteur:innen sozialer Bewegungen wie System Change, not Climate Change! gemeinsam mit den von Entlassungen und Kürzungen betroffenen Beschäftigten einen fairen, sozial-ökologischen Umbau der Autoindustrie zu erringen, wäre ein großer Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit getan.
Was plötzlich möglich ist
Dass dieser in greifbarer Nähe liegt, zeigt die Corona-Krise. SEAT hat die Produktion auf Beatmungsgeräte umgestellt, Lamborghini fertigt Gesichtsschutzvisiere an und SKODA entwickelte bereits medizinische Schutzmasken der höchsten Schutzklasse. Doch um die Produktion langfristig an gesellschaftlichem Bedarf auszurichten, braucht es neben der Konversion auf technologischer Ebene eine Demokratisierung der Eigentumsverhältnisse und Entscheidungsstrukturen. Denn wo nun der wirtschaftliche Druck durch ausbleibende Lieferketten und Absatzmöglichkeiten nicht groß genug war, die Produktion ein- bzw. umzustellen, brachten streikende Beschäftigte die Konzernspitzen zum Erliegen: Im baskischen Viktoria-Gasteiz brachten 5.000 Arbeiter:innen die Fließbänder im Mercedes-Werk zum Stillstand, weil das Unternehmen sich weigerte, menschliche Gesundheit vor Konzernprofite zu stellen.
Verhandlung der „Welt nach Corona“: Autolobby in den Startlöchern
Doch die Automobilindustrie wird ihren Platz nicht still räumen. Denn schon vor Corona hat sie versucht, sich auf neue Umstände anzupassen. Die Krise trifft die Industrie mitten in einer „historischen Umbruchphase“, in der sie versucht, ihre Profitgrundlagen umzustellen und für die nächsten Jahrzehnte abzusichern. Allein die deutschen Hersteller und Zulieferer stecken in den nächsten drei Jahren 40 Milliarden Euro in die Entwicklung von Elektroautos. Bis 2030 sollen sie in Millionenzahlen auf die Straßen katapultiert werden. Doch wer soll die Absatzmärkte für diese Flut an Elektroautos schaffen? Der Staat! Erst im Februar machte die deutsche Regierung Milliarden für eine saftige Erhöhung der Prämie beim Kauf von Elektroautos locker. Obendrein fordert der VW-Konzern Privilegien für E-Auto-Fahrer:innen, wie etwa das Fahren auf Busspuren oder die Nutzung öffentlicher Parkplätze. Denn, so Konzernchef Diess, „wenn wir diese Transformation nicht jetzt angehen, hat der Konzern in Zukunft ein riesiges Problem.“
Sicherer Platz
In Österreich sitzt die Autolobby in den mächtigen Interessenvertretungen des Kapitals. In der Industriellenvereinigung lobbyiert der „Arbeitskreis der Automobilimporteure“ für den Ausbau von Autoinfrastruktur zulasten von Bahn und öffentlichem Nahverkehr und gegen „eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs um die Hälfte“ bis 2030. Die Wirtschaftskammer, in deren Präsidium Öl- (Richard Schenz, Jürgen Roth) und Zementindustrie (Christoph Leitl) die Weichen stellen, boxte unter Schwarz-Blau das Standortentwicklungsgesetz zum Durchwinken klimaschädlicher Monsterprojekte durch. Eine Autobahn durch die Lobau sollte die Folge sein und den klimaschädlichen Auto-Individualverkehr für weitere Jahrzehnte in Beton gießen. Dass das Milliardenprojekt nun erneut auf Eis liegt, ist nicht etwa der Regierungsbeteiligung der Grünen, sondern dem Widerstand von NGOs und Bürger:innen-Initiativen zu verdanken.
Der Autolobby ist ihr Platz an den Tischen, an denen über die Vergabe der Staatshilfen entschieden wird, sicher. Sie wird ihre Macht einsetzen, um – während Österreich aufgrund der Klimaerhitzung erneut ein Dürrejahr bevorsteht – mit gewaltigen Finanzspritzen ihre veralteten und klimaschädlichen Praktiken fortzusetzen und eine tiefgreifende Transformation des Mobilitätssektors zu verhindern. Doch an dieser führt kein Weg vorbei: Fossilistische und grün-kapitalistische Scheinlösungen wie (E-)Autos lösen keine strukturellen Probleme, sie sichern auch keine nachhaltigen Jobs. Erst Anfang dieser Woche verordnete der E-Auto-Hersteller Tesla Zwangsurlaub und Lohnkürzungen. Stattdessen intensivieren sie die Zerstörung von Lebensgrundlagen.
Just Transition: Staatliche Hilfen nur mit langfristigen Konversionsstrategien
Die durch Corona ausgelöste Krise des Gesundheitssystems zeigt: Solange Produktion und Dienstleistungen an Profiten ausgerichtet sind, und nicht an der Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse, führt das zu einer unaufhaltsamen Reihe von kapitalistischen Krisen, von denen die Corona-Pandemie eine, die Klimakrise eine viel weitreichendere ist.
Mit den Autokonzernen stehen zentrale Produktionsstätten der Klimakrise still. Wenn sie mit Milliarden an unseren Steuergeldern wieder hochgefahren werden, müssen wir auch demokratisch entscheiden, was, wo und wie sie produzieren. Genau das wird die Autolobby verhindern wollen und staatliche Unterstützung ohne jegliche gesellschaftliche Mitsprache fordern, um ihre zerstörerischen Praktiken weiterhin fortsetzen zu können. Staatliche Gelder müssen an einen raschen sozial-ökologischen Strukturwandel gekoppelt sein. Statt dem Klimakiller Auto muss für eine klimagerechte Gesellschaft Notwendiges produziert werden, und zwar unter demokratischer Kontrolle der Belegschaft und der Öffentlichkeit. Dabei darf die Konversion nur gerecht vonstatten gehen: für bezahlte Umschulungen kann schon jetzt, während des Shut-Downs, der Startschuss fallen.