Eine Ausstellung gegen Kapitalismus und Klimawandel

Am 4. Februar wurde im Albert-Schweitzer-Haus „Endlich Wachstum“ eröffnet. Die Ausstellung stellt die Frage, ob die Umwelt im Kapitalismus zu retten ist – und das niederschwellig und spielerisch.

„Aber ist mit einem Wachstum der Wirtschaft wirklich ein besseres Leben verbunden?“, steht auf der Einführungstafel der Ausstellung „Endlich Wachstum!“. Daneben machen Zitate klar, welche Bedeutung diese Frage für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hat. Angela Merkel wird mit den Worten „Ohne Wachstum keine Arbeitsplätze“ zitiert, John F. Kennedy mit dem Satz: „Wirtschaftswachstum bedeutet Stärke und Lebenskraft“. Danach nähert sich die Ausstellung in acht weiteren Exponaten dem Thema Wachstum aus verschiedenen Perspektiven – und macht klar, dass der Bezug auf Merkel und Kennedy kein positiver ist. Am Montag wurde „Endlich Wachstum!“ im Wiener Albert-Schweitzer-Haus eröffnet.

Die Eröffnung scheint zum richtigen Zeitpunkt zu kommen. Schließlich reden alle vom Klima. Die schwedische Schülerin Greta Thunberg ist fast jeden Tag in Nachrichtensendungen zu sehen, Jugendliche die Klimagerechtigkeit fordern, werden immer mehr. Die ökologische Krise wird spürbarer, der Protest dagegen auch. „Die Aufmerksamkeit für das Thema ist da, aber die Frage ist, was daraus folgt“, sagt Iris Frey, die eine der Hauptverantwortlichen der Ausstellung ist. „Das Entscheidende ist, dass es um etwas Systematisches geht.“

Spielerisch und niederschwellig

Denn Klimakatastrophe und Wachstum – und damit das kapitalistische Wirtschaftssystem – sind für die MacherInnen der Ausstellung aufs Engste miteinander verbunden. Denn wo immer mehr produziert und konsumiert werden muss, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, dort wird die Umwelt Schaden nehmen. Das fünfte Smartphone, das man innerhalb ebensovieler Jahre kauft, steigert den Profit der Herstellerfirma, ökologisch ist es aber eine Katastrophe. Dabei fällt „Endlich Wachstum!“ nicht mit der Tür uns ins Haus. Zunächst kann man auf einem Exponat raten, was Wirtschaftswachstum überhaupt ist – und was es fördert. Verschiedene Holzquadrate mit Symbolen auf der Vorderseite sind hier angebracht. Auf einer ist eine Pistole zu sehen, darunter steht „Deutschland wird wieder Exportweltmeister für Waffen.“ Auf der Rückseite erklärt ein Text dann, warum das zu Einnahmen deutscher Unternehmen und zur Steigerung des deutschen Bruttoinlandprodukts führt – also das Wachstum fördert.

„Das Angebot der Ausstellung ist niederschwellig“, sagt Frey, die Teil der Bildungsgruppe von System Change Not Climate Change ist. „Wir möchten vor allem Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene, die sich noch intensiver mit unserem Wirtschaftssystem beschäftigen wollen, erreichen.“ Der Besuch von acht Schulklassen in der Ausstellung steht schon fest, sie sollen sich nicht nur die Exponate ansehen, sondern mittels Workshop die Themen und Thesen diskutieren. Ohnehin sind im Rahmen der Ausstellung verschiedene Veranstaltungen geplant: Sie reichen von Podiumsdiskussionen über Filmvorstellungen zu Theateraufführungen.

Auch die Ausstellung selbst ist vielseitig. Ein Exponat zum Ende hin fällt – sowohl inhaltlich, als auch gestalterisch – heraus. Dort ist von „mentalen Infrastrukturen“ die Rede, auf kleinen, bunten Schildern sind hier Ratschläge wie „Folge deinem Herzen“, „10 Tipps um jeden Tag mehr zu schaffen“ oder „10. Min. Workout um in Form zu bleiben“ zu lesen. „Wachstum ist nichts Abstraktes“, sagt Frey. „Es ist eine Idee, die sich im Alltag niederschlägt.“

Dringende Angelegenheiten

Seit Jänner 2017 macht „Endlich Wachstum“ das alles zum Thema. Damals wurde die Ausstellung in Berlin eröffnet. Das Bildungskollektiv FairBindung hat das Konzept dafür in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Konzeptwerk Neue Ökonomie in den Jahren davor entwickelt. Seither war die die Ausstellung unter anderem in Dresden, Bochum, Marburg und Aachen zu Gast. Daneben entstanden aus der Kooperation eine Vielzahl an Bildungsunterlagen und -materialien im Zusammenhang mit Wachstum und seiner Endlichkeit.

Auch in Wien soll es nicht bei der Ausstellung bleiben. Von 29. Mai bis 1. Juni wird in der Stadt eine internationale Degrowth Konferenz stattfinden. Im Mittelpunkt stehen dabei Strategien, wie eine Überwindung der Wachstumgs-Gesellschaften aussehen könnten. „Wir arbeiten schon intensiv an der Vorbereitung der Konferenz“, sagt Iris Frey. „Wir müssen die Aufmerksamkeit, die wir momentan haben, nutzen. Die Zeit drängt.“

Autor

 
Nach oben scrollen