„Es gibt Druck von oben, Asylanträge negativ zu beurteilen“

Mehr als jeder dritte Negativbescheid bei Asylverfahren ist falsch. Das ergab eine Recherche des Grünen Klubs im Bundesrat. mosaik-Redakteurin Sophia Hochedlinger sprach mit David Stögmüller, der die Recherche ins Leben gerufen hat, über die Hintergründe.

Asylanträge werden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bearbeitet. Bekommt man auf einen Antrag vom BFA einen negativen Bescheid, kann man beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Einspruch erheben. Dort wird der Antrag noch einmal bewertet. Nun wurde bekannt, dass die RichterInnen des BVwG 36 Prozent der angefochtenen Entscheidungen aufgehoben oder abgeändert haben. Mehr als ein Drittel aller geprüften Entscheidungen des BFA haben sich also als fehlerhaft erwiesen.

mosaik: David, wie seid ihr – du und deine Bundesrats-Kollegin Ewa Dziedzic – auf die Missstände bei den Asylverfahren aufmerksam geworden?

David Stögmüller: Leute aus dem Umfeld der Asylbetreuerinnen und -betreuer sind zu uns gekommen. Sie haben uns von vielen Asylanträgen erzählt, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bearbeitet wurden und dann im Nachhinein vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund von Fehlern aufgehoben, verändert oder zurückgeschickt werden mussten.

Wir haben uns mit einem Anwalt einige Asylbescheide angesehen und da ist uns einiges komisch vorgekommen. Immer wieder werden die gleichen Textbausteine und Phrasen in verschiedenen Bescheiden verwendet. Es tauchen Sprachen auf, die in den Ländern der asylwerbenden Menschen gar nicht gesprochen werden, es lassen sich grobe Übersetzungsfehler finden etc.

Unsere bisherige Recherche ergab, dass 36 Prozent der Negativbescheide, die vom BFA ausgehen, falsch sind. Ich glaube, dass die Zahl sogar höher ist. Das werden wir wissen, wenn unsere parlamentarischen Anfragen beantwortet sind.

Woran liegt es, dass so viele Entscheidungen fehlerhaft sind?

Ich weiß von Leuten, die im Umfeld arbeiten, dass es Druck von oben, gibt Asylanträge von Menschen aus bestimmten Ländern tendenziell eher negativ zu beurteilen als andere.

Ein großes Problem sind auch die „Case Owner“, also die Menschen die die Asylanträge im BFA bearbeiten. Das sind oft MaturantInnen mit keiner sehr weitgehenden juristischen Ausbildung. In Österreich gibt es momentan knapp 600 Case Owner. Die kommen auf 64.000 Asylanträge pro Jahr, das heißt sie müssen die Fälle wie am Fließband bearbeiten.

Man sieht bei den Korrekturen des Bundesverwaltungsgerichts, dass RechtswissenschafterInnen die Fälle sehr oft anders beurteilen als die Case Owner im BFA.

Du hast auf deiner Facebook-Seite dazu aufgerufen, dir Erfahrungsberichte zukommen zu lassen. Hast du schon welche erhalten?

Ja, und ich höre ständig von Leuten: Wie mit den Asylanträgen umgegangen wird, das hat System! Menschen sollen abgewiesen werden, weil sie aus einer bestimmten Ländergruppe kommen. Und das geht nicht. Jeder Mensch muss ein faires Verfahren bekommen, ohne dass sie ihren Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht beeinspruchen müssen. Das ist ja ein wahnsinniger Druck für die Betroffenen.

Ihr habt an Innenminister Kickl und Justizminister Moser parlamentarische Anfragen gestellt. Was erwartet ihr euch davon?

Wir wollen Klarheit. Wir wollen zum Beispiel wissen: Wie viele Asylanträge wurden abgelehnt, wie viele Anträge wurden vom Bundesverwaltungsgericht korrigiert oder im Nachhinein für positiv befunden? Wie viele MitarbeiterInnen sind angestellt, welche Nationalitätsgruppen werden häufig abgewiesen, etc.

Der Finger muss in die Wunde gelegt werden und dieses ungerechte System muss sich ändern. Wir erhoffen uns weiter mediale Aufmerksamkeit um Druck aufbauen zu können.

Was werden eure nächsten Schritte sein?

Ganz große Schritte können wir leider jetzt ohne Nationalratsklub nicht machen. Was wir tun werden ist, alle Erfahrungsberichte zu sammeln und mit den Institutionen und Anwälten zu schauen, was die großen Problemfelder sind. Wir wollen damit auch an die Öffentlichkeit gehen. Gerade unter Schwarz-Blau müssen wir genau beobachten, was in diesem Bereich passiert.

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