Wieso wir eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes brauchen

Von zweiten bis neunten Mai 2022 läuft das Volksbegehren „Arbeitslosengeld Rauf!“. Das sind die Forderungen der Initiative.

Mit dem Volksbegehren „Arbeitslosengeld Rauf!“ fordern wir den Nationalrat zu einer Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes auf. Dabei geht es uns um zwei Hauptpunkte. Erstens sollen die Nettoersatzrate und die Notstandshilfe sofort und dauerhaft erhöht werden. Die Nettoersatzrate ist der prozentuelle Anteil vom letzten Einkommen für die Bemessung der Höhe des Arbeitslosengeldes. Zweitens sollen die Zumutbarkeitsbestimmungen, wie zum Beispiel die zumutbare Wegzeit zur Arbeit, entschärft werden sowie die Rechtsstellung der Arbeitslosen insgesamt verbessert werden. Kurz gesagt: Ein höheres und dauerhaftes Arbeitslosengeld verhindert Armut.

Armut und Existenzangst durch Arbeitslosengeld bekämpfen

Österreich hat mit einer Nettoersatzrate von 55 Prozent (das sind in Regel unter 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens) ein sehr niedriges Arbeitslosengeld. Der OECD-Mittelwert liegt bei rund 70 Prozent. Arbeitslosigkeit führt daher rasch in die Armut. Insbesondere Frauen sind aufgrund der hohen Teilzeitrate und oftmals geringerer Löhne davon betroffen. Laut einer AK-Umfrage können acht von zehn Arbeitslosen nicht von der Arbeitslosenunterstützung leben. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld, beziehungsweise die durchschnittliche Notstandshilfe, liegt deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.286 Euro pro Monat (2018). Im Durchschnitt hatten Männer damals im Falle von Arbeitslosigkeit 1.040 Euro zur Verfügung; Frauen 870 Euro.

Insbesondere Langzeitarbeitslose sind von Existenznot betroffen. Und die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im letzten Jahrzehnt in Österreich um mehr als das elffache in die Höhe geschnellt. Frauen, Jugendliche und ältere Personen sind besonders gefährdet. Aber auch unter Personen im Haupterwerbsalter (zwischen 25 und 45 Jahren) stieg die Langzeitarbeitslosigkeit vehement an.

Verbesserung der Rechtsstellung von Arbeitslosen

Arbeitslose müssen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und bestimmte rechtliche Vorgaben (z.B. Arbeitswilligkeit, Einhaltung von Kontrollmeldeterminen) erfüllen, um das Arbeitslosengeld beziehen zu können. In den letzten Jahrzehnten verschärften insbesondere die schwarz/türkis-blauen Regierungen die rechtlichen Vorgaben. Die Ablehnung von Schulungsmaßnahmen kann nun, wie die Ablehnung von Jobangeboten, zum Verlust des Arbeitslosengelds führen. Ein mehrwöchiger Entzug des Arbeitslosengeldes bringt die Betroffenen in existenzielle Schwierigkeiten und höhlt den Versicherungsschutz der Arbeitnehmer*innen zunehmend aus. Schulungen und die Beschäftigung in sozialökonomischen Betrieben sollten nicht auf Zwang beruhen.

Schutz vor Lohndumping und Niedriglöhnen

Ein höheres Arbeitslosengeld, ein besserer Schutz des sozialen Status von Arbeitslosen und eine Entschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen verbessern die Verhandlungssituation der Arbeitslosen bei der Arbeitssuche. Sie bewahren Menschen davor, zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes unfaire Arbeits- und Lohnbedingungen akzeptieren zu müssen. Ein höheres Arbeitslosengeld beeinflusst die Lohnbildung positiv, weil es den mittleren Lebensstandard mitdefiniert, den kollektive Lohnverhandlungen mindestens erreichen müssen. Umgekehrt gilt: Je höher die Arbeitslosigkeit, je niedriger die Arbeitslosenunterstützung und je schlechter die Rechtsstellung von Arbeitslosen, desto stärker wird der Druck auf die Löhne und Gehälter, desto leichter können Kollektivverträge ausgehöhlt werden. Ein weiteres Anwachsen des Niedriglohnsektors wie in Deutschland muss verhindert werden.

Ein höheres Arbeitslosengeld beeinflusst die Lohnbildung positiv, weil es den mittleren Lebensstandard mitdefiniert, den kollektive Lohnverhandlungen mindestens erreichen müssen.

Verbesserung der sozialen Lage von Frauen

Die Löhne und Gehälter von Frauen liegen immer noch deutlich unter denen von Männern. Zum einen, da diese aufgrund von Pflege- und Betreuungsarbeit vielfach Teilzeit erwerbstätig sind. Zum anderen, da Branchen, in denen mehr Frauen arbeiten, oftmals einen geringen Mindestlohn aufweisen. Entsprechend niedrig sind auch das Arbeitslosengeld von Frauen und später die Pensionen. Frauen sind daher besonders armutsgefährdet. Die Anhebung des Arbeitslosengeldes und der Kampf gegen Niedriglöhne sind ein wichtiger Beitrag, um die prekäre Lage vieler Frauen zu verbessern. Weitere Maßnahmen sind darüber hinaus notwendig, zum Beispiel: qualitativ hochwertige Kinderbetreuung auch im Falle von Arbeitslosigkeit, mit Kinderbetreuungspflichten vereinbare Anfahrtszeiten und ein stärkerer Einbezug von Betreuungsarbeit und Pflege in die Sozialversicherung.

Arbeitslosengeld: Dauerhaft statt degressiv

Wir sind für eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Ein degressives Modell, das das Arbeitslosengeld mit der Länge der Arbeitslosigkeit immer weiter absenkt, lehnen wir ab. Denn damit kommen jene unter die Räder, die schwerer am Arbeitsmarkt Fuß fassen können: ältere Arbeitslose, Frauen (mit und ohne Betreuungspflichten), Menschen mit geringerer Ausbildung und Menschen mit Beeinträchtigungen und Krankheiten. Damit trägt ein degressives Arbeitslosengeld zur Verschärfung sozialer Ungleichheiten und Ausgrenzung bei. Das Verarmungsrisiko steigt mit jedem Monat Arbeitslosigkeit an. Die Armutsgefährdung ist nach einem Jahr Arbeitslosigkeit bereits mehr als doppelt so hoch wie im ersten halben Jahr. Es kann nicht sein, dass die Versicherungsleistung immer weniger wird, je mehr die Existenznot der Menschen zunimmt.

Das Volksbegehren „Arbeitslosengeld Rauf!“ dient dazu, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Armut inmitten unserer Gesellschaft existiert und noch immer schambehaftet ist. Gerade in Zeiten von großflächigen Preisanstiegen brauchen wir ein höheres Arbeitslosengeld, um einkommensschwache Menschen vor Armut zu schützen und sie gesellschaftlich zu stärken.

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