Arbeitsbereit auf Knopfdruck

Schnell und „on demand“: Mittlerweile wird eine beträchtliche Fülle an Dienstleistungsarbeit über online-Plattformen an (anonyme) Arbeitskräfte im Internet vermittelt. Hier ein kurzer Überblick darüber, wie online-Plattformen (digitale) Arbeit formen, welche Konsequenzen dies mit sich bringt und was sich an der Debatte rund um plattform-vermittelte Arbeit ändern sollte.

Mittlerweise basieren die Geschäftsmodelle zahlreicher online-Plattformen darauf, Dienstleistungsarbeit „on demand“ zu vermitteln. Anzahl und Umfang solcher Plattformen haben dabei besonders in den letzten Jahren sukzessive zugenommen. Das Tun und Lassen dieser „Knotenpunkte“ im Web wird überaus zwiespältig gesehen. Einerseits werden zukunftsweisende ökonomische, ökologische sowie gesellschaftliche Potenziale erkannt. Die web-basierte Vermittlungspraxis bietet auch tatsächlich neue Möglichkeiten, Ressourcen effizienter und folglich ökologisch verträglicher zu verteilen und zu nutzen. Außerdem ergeben sich durch diese Plattformen neue Erwerbschancen für marginalisierte Gruppen – z.B. für Personen mit Beeinträchtigungen oder auch für Menschen aus dem globalen Süden. Diese Plattformen würden – so die Großerzählung –  als RepräsentantInnen einer vernetzten, intelligenten und ‚empowernden‘ Wirtschaft, eine immense Sprengkraft positiver Innovation und Erneuerung in sich bergen.

Mit welchen neuartigen Potenzialen und temporären Modebegriffen man online-Plattformen auch in Verbindung bringen mag: Bei einem näheren Blick darauf, wie diese Plattformen Arbeit formen, zeigt sich: Allzu neu sind sie im Prinzip nicht. Vielmehr gießen sie die bereits seit Jahrzehnten bekannte Masse Trends der Arbeitswelt, wie etwa Outsourcing (von Risiko), oder die Formalisierung und Prekarisierung von Arbeit, in die Formen neuer web-technologischer Möglichkeiten. Allerdings birgt gerade plattform-vermittelte Arbeit eine Reihe eigener Konsequenzen für (digitale) ArbeiterInnen, die mit den euphorischen Diskursen rund um online-Plattformen wenig bis gar nicht zusammenpassen.

Raus aus sozialen Sicherungsnetzen – rein in den „glokalen“ Wettbewerb

Durch die Vermittlung im digitalen Raum hebeln Plattformen etwa nationalrechtlich verankerte Schutzmechanismen von Arbeit aus. Jene, die ihre Arbeitskraft auf online-Plattformen anbieten, werden in eine exponierte Lage versetzt, weil die Schutzbedürftigkeit von CrowdworkerInnen mit Werkvertrags-ähnlichen Konstrukten untergraben wird. Mit dieser „Ver-Selbstständigung“ werden Risiken weitgehend auf die individuelle Ebene verlagert. Hinzu kommt die arbeitsrechtliche Komplexität dreipersonaler Arbeitsverhältnisse: Oft bleibt unklar, ob der/die AuftraggeberIn oder die Plattform der/die tatsächliche ArbeitgeberIn ist.

Neben dieser arbeitsrechtlichen Dimension wirken im digitalen Raum mitunter auch ökonomische Mechanismen, die sich nachteilig auf die Machtposition von ArbeiterInnen in Arbeitsprozessen auswirken. Besonders in Fall von digitaler Arbeit, die mittels Internetverbindung, Bildschirm, Tastatur und Maus erledigt werden kann, können AuftraggeberInnen über die entsprechenden Plattformen auf geografisch international verstreute ArbeiterInnen zugreifen. Durch diesen Hebel werden sozio-ökonomische Differenzen, die zwischen diesen Personen auftreten, auf engstem digitalem Raum verdichtet, was den Preis für Arbeit aufgrund der globalen Konkurrenz niedrig hält. Dementsprechend bewegen sich auch verschiedene Schätzungen und Angaben zu den Stundenlöhnen auf solchen Plattformen in einem Bereich von 1,20 und 6,00 US-Dollar.

Dieser von Plattformen eingeleitete Wettbewerb entfaltet seine Wirkung aber nicht nur global, sondern auch lokal. Gerade plattformvermittelte Dienstleistungen der sogenannten „Sharing Economy“ stellen eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz der Dienstleistungsarbeit in langjährig etablierten Branchen dar (etwa der Hotelbranche, im Reinigungswesen oder beim Personentransport). Hier entstehen Wettbewerbsvorteile vor allem daraus, weil bestehende Regulierungen umgangen werden.

Die Kleinen und die Großen

Wenn es um die Organisierung der Interessen digitaler Arbeit geht, erscheint es zunächst schwierig, so etwas wie einheitliche Arbeitsstandards zu etablieren. Gerade auf Plattformen treffen nicht nur Personen mit völlig verschiedenen sozio-ökonomischen Realitäten aufeinander. Hinzu kommt die immense Vielfalt an Arbeitsmotiven, die sich entlang einer Spannbreite zwischen „Zeitvertreib“ über „Zuverdienst“ bis hin zu „Erwirtschaften des Haushaltseinkommens“ aufspannt. Breite, interessenspolitische Überschneidungen zwischen ArbeitnehmerInnen, sowie Abgrenzungslinien zu anderen Gruppen relativieren sich im digitalen Arbeitsraum empfindlich. Eine solch kleinteilige, verstreute und heterogene ArbeiterInnenschaft steht dann den großen Plattformen gegenüber, die AuftraggeberInnen meist bevorteilen und dabei oft die Rückendeckung mächtiger, finanzkräftiger Konzerne und InvestorInnen genießen.

Fragmentiert (zersplittert), verstreut, hoch-divers – und übermächtige Kontrahenten: In Summe also eine denkbar schlechte Ausgangslage für eine Organisierung der Interessen der ArbeitnehmerInnen plattform-vermittelter Arbeit. Nichtsdestotrotz gruppieren sich Plattform-ArbeiterInnen, um Druck auf AuftraggeberInnen bzw. die Plattformen selbst auszuüben. Im Fall von digitaler Arbeit etwa in Form von Foren und Tools, mit denen Druck auf unfaire ArbeitgeberInnen ausgeübt wird. Und auch im Falle plattform-vermittelten „offline“-Dienstleistungen, wo etwa der Fahrdienstleister Uber (mittlerweile übrigens mehr wert als viele Autohersteller) international bereits massiven Widerstand und zahlreiche Proteste seiner FahrerInnen hinnehmen musste.

Bringing Labor Back In

Mit der „Plattformökonomie“ gehen also eine Vielzahl an Herausforderungen einher, die sich im Kontext von Arbeit und den ihr assoziierten institutionalisierten Interessensvertretungen und Regulierungsbehörden wiederfinden. Allerdings werden diese Herausforderungen nur selten als solche im Kontext von Arbeit wahrgenommen: Die Darstellungen dieser neuen Arbeitsformen sind auf mehreren Ebenen von auffallenden begrifflichen Unschärfen gekennzeichnet und werden meist zusätzlich hinter technologischen Begriffen versteckt und/oder ökologischen Diskursen überlagert. Damit verkommt Arbeit zu einer zunehmend unsichtbaren Kategorie.

Es gilt daher, den Arbeitsbegriff wieder verstärkt in die Debatten rund um entsprechende Plattformen einzubringen, zumal Arbeit auch ein zentrales Element dieser Geschäftsmodelle darstellt. Ist Arbeit hier ausdrückliches Thema, kann mit mehr Nachdruck darauf aufmerksam gemacht werden, dass auf diesen Plattformen nicht nur Innovation, sondern auch eine Reorganisation von Arbeit in Richtung Prekarisierung, Wettbewerb und Fragmentierung vorangetrieben wird. Und dass es diesem Phänomen, wo es sinnvollerweise möglich ist, auf verschiedenen Ebenen zu begegnen gilt.

Wer Genaueres rund um dieses Themen erfahren möchte, dem sei der aktuelle Kurswechsel (2/2016) zum Thema „Digitale Arbeit und Plattformkapitalismus“, zusammengestellt von Markus Ellmer und Julia Hofmann, nahegelegt.

Markus Ellmer ist Universitätsassistent im Bereich Human Resource Management an der Paris-Lodron Universität Salzburg und forscht zu verschiedenen Phänomenen in der digital(isiert)en Arbeitswelt. Auf Twitter kann man ihm unter @Markus_Ellmer folgen.

Autor

 
Nach oben scrollen