Ein Gespenst geht um in Österreich – besonders in der Medienlandschaft

Antikommunismus ist ein mediales und kein gesellschaftliches Phänomen, schreibt Tobias Schweiger. Eine Analyse nach dem Wahlerfolg der Grazer KPÖ.

Ex-Kanzler Sebastian Kurz ist „nachdenklich gestimmt”, liberale Journalist*innen werden auf einmal zu Realsozialismus-Expert*innen. Sie fürchten sich vor „Stalingraz” und stellen haarsträubende Rechtsextremismus-Vergleiche an. Der Wahlsieg der KPÖ in Graz hat den Kommunismus für kurze Zeit ins Zentrum medialer Aufmerksamkeit katapultiert. 

Während Linke in ganz Österreich und darüber hinaus in dem überraschenden Erfolg von Elke Kahr ein Aufbruchsignal sehen, herrscht anderenorts Besorgnis. Dass die ÖVP-Granden Wahlerfolge der KPÖ bedenklich finden, ist nur folgerichtig. Das System Kurz ist der Ausdruck all dessen, wogegen die KPÖ steht. Ein System, das auf legalen und mutmaßlich illegalen Wegen Gelder in die Taschen der Reichen und Mächtigen stopft, während es die Probleme vieler Menschen nicht einmal mehr wahrnimmt und gleichzeitig verschärft. 

Antikommunismus als mediales Phänomen

Interessant ist dagegen das Bild, dass die österreichischen Medien im Moment zeichen. Nach dem ersten Erstaunen über den Erfolg mehren sich die kritischen Berichte über die KPÖ-Geschichte. Die Hauptrolle spielen dabei vermeintliche Pläne der KPÖ von der Aufspaltung Österreichs 1948 (die mehrfach historisch widerlegt wurden). Und die angeblich ungebrochene Moskau-Treue der Partei. Der von der KPÖ gezahlte Blutzoll im Widerstand gegen den Nationalsozialismus oder die Rolle der KPÖ als eine der Gründungsparteien in der zweiten Republik findet in der Darstellung kaum Beachtung. Berichte, die sich mit der Politik der KPÖ in der Gegenwart und den  Gründen für die breite Unterstützung der KPÖ in Graz auseinandersetzen, sind noch rarer. 

Der Antikommunismus in der medialen Darstellung spiegelt allerdings überhaupt nicht die Erfahrungen wieder, die wir im Alltag oder Wahlkampf machen. Egal in welchem Bundesland ich in den letzten Monaten auf der Straße stand, sei es Wahlkampf, Infostand oder im Rahmen einer Versammlung, die Hinweise auf Stalin oder Mao kann ich an einer Hand abzählen. Dagegen gibt es große Anerkennung für die Arbeit, die man von der KPÖ mitbekommt. Elke Kahr bringt das anschaulich auf den Punkt, wenn sie Armin Wolf auf die Frage nach der Berechtigung, noch heute Kommunistin zu sein, erwidert: „Das, was Sie mich jetzt gefragt haben, das bin ich eigentlich nie gefragt worden außer von Journalisten und politisch Andersdenkenden”.

Kehrtwende nach Griechenland

Es gibt Menschen in Milieus, die mit mir vor etwas mehr als zehn Jahren gestritten haben, wie ich in einer Diskussion ein Argument von Lenin anführen kann. Spätestens seit der ökonomischen Hinrichtung Griechenlands durch die Finanzmärkte und die willfährige Troika pflichten sie mir bei vielem bei, was Lenin über die Rücksichtslosigkeit des Imperialismus gesagt hat. Gehe ich von meiner Generation (1990er) aus, verlieren antikommunistische Reflexe an Bedeutung. 

Das zeigt sich auch im Kontakt mit den Medien selbst, wo durchaus Offenheit für unsere Positionen und Aktivitäten ist. Dass der aufwallende antikommunistische Reflex vor allem ein Phänomen des etablierten Medienspektakels ist, veranschaulicht ein Erlebnis mit einer Journalistin. Bei ihrer Recherche sei sie auf Medienartikel aus der Zeit nach der letzten Graz-Wahl 2017 gestoßen, die nahezu identisch damit seien, was heute über die KPÖ veröffentlicht werde. Sie wolle es deshalb anders anlegen. Dem angeregten Gespräch über Positionen, Analysen und Perspektiven der Partei folgte jedoch ein Artikel, der sich gut in den allgemeinen Tenor des Antikommunismus einfügt. 

Verbrechen im Namen des Kommunismus

Ihre Geschichte aufzuarbeiten wird der kommunistischen Bewegung und der KPÖ medial vehement vorgehalten, ohne die vielfach unternommene Aufarbeitung zur Kenntnis zu nehmen. Ein Beispiel ist das Buch zweier ehemaliger KPÖ-Parteivorsitzender, Franz Muhri und Walter Baier, „Stalin und wir”. Ein anderes die Beiträge von Manfred Mugrauer, über dessen Buch über die Politik der KPÖ 1945 – 1955 der Historiker Oliver Rathkolb schreibt, dass „vergleichbar materialreiche und spannende Studien [zur kritischen Parteiengeschichte] wie jene Mugrauers über die KPÖ hinsichtlich SPÖ und ÖVP fehlen”. 

Diese Selbstkritik der kommunistischen Geschichte zeichnet unsere Haltung gegenüber unseren politischen Zielen aus. Als Kommunistinnen und Kommunisten legen wir uns die Verantwortung auf, für die Befreiung der Menschheit zu kämpfen. Das heißt natürlich auch, sich mit anderen Maßstäben zu messen, als andere Parteien. Wenn die ÖVP Andreas Hofer einen Freiheitskämpfer und Che Guevara einen Mörder nennt, ist das schon heuchlerisch. Aber diese ideologische Verdrehung entspricht eben der Ideologie einer konservativen Partei.

Wir haben dagegen ein existentielles Interesse an unserer Geschichte. Stalinismus war auch systematisch praktizierte Verfolgung von Kommunistinnen und Kommunisten. Im Gegensatz zum Antikommunismus, der Geschichtsschreibung als ideologisches Vehikel benutzt, bürsten wir unsere Geschichte gegen den Strich. Weil wir an den kommunistischen Zielen von Freiheit und Gerechtigkeit festhalten. Deshalb haben wir an diesen Teilen unserer Geschichte nichts zu relativieren. Genauso wie wir stolz auf andere Teile unserer Geschichte sind. 

Mediale Reaktion nicht verwunderlich

Unser politisches Ziel als Kommunistinnen und Kommunisten ist eine Gesellschaft, in der die relevanten Produktionsmittel unter gesellschaftlicher Kontrolle stehen. Wir setzen uns in Widerspruch zu den Interessen derer, die von unserer heutigen Gesellschaftsordnung profitieren. Das ist notwendig, weil im Kapitalismus Wenige den Reichtum kontrollieren, den wir gemeinsam schaffen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn in den Zeitungen der großen Medienkonzerne aus der kommunistischen Bewegung, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist” (Karl Marx, 1843) das Schreckensbild Kommunismus gleich Unfreiheit wird.

Mit dieser Finte des Antikommunismus schummelt sich die liberale Debatte um das entscheidende Problem herum. So frei ist die kapitalistische Gesellschaft nämlich gar nicht. Unsere Regierung hat erst vor wenigen Wochen über härtere Zwangsmaßnahmen für Arbeitslose spekuliert. Viele alleinerziehende Mütter haben kaum Freiheit, darüber zu entscheiden, ob ihr Job das Richtige für sie ist. Ohne Geld sind sie aufgeschmissen und auf Kinderbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld können sie im Moment lange warten. Und selbst jemand von seinem Einkommen ganz leidlich leben kann, denkt sich wohl mehr als einmal „ich war noch niemals richtig frei” (Udo Jürgens, 1982).

Die kommunistische Antwort auf den Vorwurf

In Graz fragen sich nur wenige Menschen, wie es denn die KPÖ mit Moskau hält. Dort wissen viele, mit wem es die KPÖ in Graz bedingungslos und unzweifelhaft hält. Mit den Menschen, die es sich nicht richten können, mit den Menschen, deren Probleme in der Politik kaum eine Rolle spielen. Die KPÖ Graz ist mehr als die wichtige Zuwendung und Hilfe für jene, die sie dringend suchen. 

In der KPÖ finden verschiedene Menschen ihren Platz und ihre Würde, die ihnen die Gesellschaft nicht zugesteht. Das zeigt sich zum Beispiel am Grazer Volkshausfest. Das ist noch nicht Kommunismus, aber es macht deutlich, warum es für uns keine Schande ist, anders zu sein: Wir wollen anders sein, als die anderen Parteien. Wir wollen mit vielen anderen Menschen gemeinsam zu unseren Rechten kommen. Und wir wollen den Kapitalismus deshalb überwinden, weil er die notwendige Freiheit der Menschen verhindert, zu diesen Rechten zu kommen. Deshalb sind wir Kommunistinnen und Kommunisten. Das ist unsere Antwort auf den Vorwurf, das Wort Kommunismus nicht abzulegen. Wir können stolz sagen, dass es die kommunistische Bewegung war, die die Befreiung der Menschheit als Idee und die Ansätze ihrer Verwirklichung als Programm in die Welt gesetzt hat. 

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