Anti-Öffentlichkeit: Die FPÖ ist nicht nur gegen Migration und Klimaschutz

Ein Bild der Athena Statue vor dem Österreichischen Parlament

Die Agenda der FPÖ scheint klaren Themen zu verfolgen. Es geht um Migrationsstopp, Leugnung des Klimawandels, Einschränken der Rechte von queeren und trans Personen. Dahinter versteckt sie jedoch systematische, antidemokratische Ziele – und das nach internationalem Vorbild, schreibt Johannes M. Waldmüller.

Mitte September nahm der EU-Parlamentsabgeordnete Harald Vilimsky zusammen mit Michael Farage als Sprecher an einem zentralen Treffen des Heartland-Institutes in Chicago teil. Das Heartland-Institute ist eine reaktionäre, erzkonservative US-Denkfabrik, mit ausgezeichneten Verbindungen zur FPÖ-„Schwesterpartei“, der deutschen AfD. Sie arbeitet weltweit ganz eng mit der fossilen US-Energieindustrie im Bereich Klimawandelleugnung (climate denial). Die FPÖ vertritt hierzulande und auf europäischer Ebene durchwegs anti-umweltpolitische Forderungen. Sie grenzen oft stark an Klimawandelleugnung oder können schon als solche gesehen werden. Auch der russische Präsident Putin steht für fossile Energiemodelle, wobei sich an diesem Punkt – im Hintergrund im Sinne der Unterstützung von Donald Trump, wie auch durch Heartland – die fossilen Interessen des Ostens und Westens treffen und überlagern.

Die nicht ganz versteckte Agenda

Doch geht es der FPÖ tatsächlich um den Klimawandel bzw. dessen Leugnung? Oder etwa wirklich um das Sperren von Migrationsmöglichkeiten, sowie der Erniedrigung von Migrant*innen? Eine nähere Analyse zeigt, dass die mediale und öffentliche Kritik an der FPÖ, die nur auf diese Themen fokussiert ist, den eigentlichen Daseinszweck der FPÖ verschleiert und ihr letztlich nützt. Eine Reihe von akademischen Studien, z.B. von Oliver Nachtwey, zeigen, dass sich in den letzten 15 Jahre ehemals libertäre Gruppen und Förderer stark dem nationalen Lager angenähert haben. Die Grenzen sind heute fließend und verwaschen. Das sieht man etwa an den Großspenden von deutschen Milliardären in der Schweiz an die AfD.

Hierzulande arbeitet die FPÖ schon lange sehr eng mit dem international geächteten, ultra-neoliberalen Hayek-Institut zusammen. Barbara Kolm, seit dem Jahr 2000 dessen Leiterin und auch Mitglied der Mont-Pélérin-Gesellschaft, war federführend beim Erstellen des aktuellen FP-Wirtschaftsprogramms eingebunden. Das Hayek-Institut ist allerdings wiederum Teil des internationalen ATLAS-Networks. Das ist eine dem Heartland-Institute ähnliche und damit direkt zusammenarbeitende, libertäre US-Lobby- und Trainingsorganisation. Alle beide, zusammen mit der Mont-Pélérin-Gesellschaft am Genfer See, entstammen historisch direkt den Förderungen und Zuwendungen der fossilen Energie- und Landwirtschaftsindustrie.

Lobbyorganisation für Falschinformationen

Weltweit zentral für das Atlas-Projekt ist das bewusste Streuen von Falschinformationen und Misstrauen in öffentliche Verwaltungs- und demokratische Entscheidungsprozesse. Diese sind aus libertärer und neoliberaler Sicht, und der damit verbundenen reaktionär-hierarchischen und anti-demokratischen Ideologie, seit jeher die auserkorenen Feindbilder. Aus diesem Grund geht es der FPÖ – genau wie anderen internationalen Ablegern des Atlas-Netzwerks – in erster Linie systematisch darum, jedes öffentliche und demokratische Thema zu besetzen, Zwietracht zu säen und sie letztlich in körperschaftliche und privatwirtschaftliche Strukturen überzuführen. Die ehemals an der Universität Klagenfurt tätige Umweltökonomin Julia Steinberger legte das kürzlich überzeugend dar. Dies zu verstehen und transparent zu machen, würde die Wege für einen anderen politischen und medialen Umgang mit der FPÖ öffnen. Denn sie stellt in Wahrheit eine Art Lobbyorganisation dar.

Handeln nach internationalem Vorbild

Es gibt dazu ausreichend internationale Vergleiche. In Lateinamerika stammt der argentinische Präsident Milei direkt von dem Atlas-Netzwerk nahestehenden Instituten. In Ecuador trifft das sowohl auf den aktuellen Präsident Noboa als auch seinen Vorgänger Lasso zu. Dieser hatte konsequent öffentliche Universitäten zugunsten von privaten ausgebootet. In der Slowakei sind es Institutionen, die Präsident Fico, der gerade den öffentlichen Rundfunk aufgelöst hat, nahestehen. Alle eint – wie ebenso wesentliche Rechtsaußen-Gruppen in Spanien, Italien und Frankreich – der systematische Angriff auf öffentliche und wissenschaftliche Einrichtungen. Die staatlich finanzierte Kulturbranche, die öffentlichen Universitäten und Wissenschaft, die Umweltbewegung, zivile und politische Rechte, öffentliche Medien – siehe FPÖ hierzulande –, die öffentliche Verwaltung der Migration und, insbesondere, die fundamentale Idee von Umverteilung und Gerechtigkeit.

Demokratie gegen Anti-Öffentlichkeit verteidigen

Wichtig ist aber, dass es dabei gar nicht um Inhalte oder fundamentale Werte geht – auch der FPÖ nicht. Auch ist die Realität an sich weitgehend egal. Wichtig ist nur die zerstörerische strategische Kommunikation. Sie dient dazu, Misstrauen und Verwirrung zu stiften und damit demokratische Entscheidungsfindungen zu torpedieren. Letztlich geht es der FPÖ nämlich ganz primär um die Durchsetzung und Akzeptanz von neoliberalen und marktfreundlichen Konzepten, basierend auf dem Verlust des Vertrauens in die Öffentlichkeit. Das heißt, sie wollen privatisierte und der Öffentlichkeit entzogene Kontrolle wesentlicher gesellschaftlicher Prozesse und Handlungsfelder. Und das finden gewichtige Unterstützer sowohl in Ost als auch West, und auch Nord und Süd, ganz brauchbar. Für die Restbevölkerung jedoch geht es um die Verteidigung von nichts weniger als Demokratie, Menschenrechten und dafür notwendigen öffentlichen Räumen.

Foto: Joanna auf Unsplash

Autor

  • Johannes M. Waldmüller

    Johannes M. Waldmüller ist Wissenschafter am IPW der Universität Wien, Lehrender an der Diplomatischen Akademie, sowie Klimawandelexperte für Brot für die Welt/Diakonie-ACT und hat zw. 2010 und 2021 in Südamerika geforscht und unterrichtet.

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