Trans ist wieder einmal ein großes Thema – weltweit. Die Nachrichten sind aktuell voll mit Schlagzeilen, Hetze und fehlender Sensibilität. Dabei werden auch viele Annahmen gestellt. Viola Wagner von Trans Femme Fatale schreibt über schädliche Narrative und Lücken im Diskurs.
Direkt nach Amtsantritt veranlasst US-Präsident Trump etwa 200 Executive Orders. Eine davon trägt den Namen: „Defending women from gender ideology extremism and restoring Biological truth to the federal goverment“. Er spricht also von der Verteidigung von Frauen gegen gender-Ideologischen Extremismus und der Wiederherstellung der biologischen Wahrheit der Regierung. Trump bedient sich Narrativen, die AFD und FPÖ-Wähler*innen wie auch Emma-Leser*innen bereits kennen könnten. Er schreibt von Ideolog*innen, die die „biologische Realität“ der Geschlechter leugnen. Sie würden rechtliche Mittel und soziale Zwänge nutzen, um es Männern zu ermöglichen, sich als Frauen zu identifizieren. Dadurch würden sie sich Zutritt zu Schutzräumen für Frauen verschaffen. Und das sei falsch.
(Ab)Lenkung im Diskurs
Falsch ist aber eigentlich das gesamte Narrativ. Trump kreiert hier Probleme, die es nicht gibt und löst sie scheinbar, indem er trans Rechte massiv beschneidet. Er gesteht zu, dass es meist Männer sind, die Grenzen von anderen Menschen, vor allem Frauen, überschreiten. Es geht ja nicht um Frauen, die sich als Männer identifizieren, um in Männerräume einzudringen. Und genau da bröckelt die Argumentationsführung auch schon. In einem System, in dem so eine Argumentation verwendet und leider ernst genommen wird, sind das Problem nicht trans Personen.
Durch sie und vor allem die Hetze gegen sie werden jedoch Symptome eines kaputten Systems sichtbar. Ein System, in dem Menschen kategorisiert und eingeteilt werden. In dem diese Einteilung bestimmt, wie Menschen durchs Leben gehen (dürfen), wer vor wem geschützt werden muss, wer mehr Geld verdient, mehr Rechte hat, wer unbezahlte Arbeit leisten muss, wer überhaupt existieren darf. Ein System, durch das eine als „Mehrheit“ bezeichnete Minderheit eine Machtposition inne hat. Eine Machtposition, die konservative, beziehungsweise „gender-kritische“ Kräfte nun zu erhalten versuchen.
Überholte Debatten
Dabei ist das Thema der Schutzräume uralt. Es hat vor allem im Kontext der „racial segregation“ in den USA Tradition, wenn es darum geht, Menschen einzuteilen, zu kategorisieren und zu unterdrücken. Die Diskussion über Schutzräume fand spätestens mit der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz, das mittlerweile in Deutschland verabschiedet wurde, seinen Einzug in den deutschsprachigen Raum und damit auch ins Wahlprogramm der FPÖ. Durch die Sprache, die Trump in seiner Executive Order verwendet und zugunsten seiner Mission manipuliert, verändert er binnen weniger Tage das Leben von trans, inter* und nicht binären Menschen.
Rechte Parteien wie die FPÖ und AFD versuchen vor allem eine Deutungsmehrheit zu bekommen und wollen trans Personen durch Desinformation ihre Existenz absagen. Sie verwenden dafür etwa Begriffe wie „Genderideologie“, „Transgender-Gehirnwäsche“ oder “Trans-Kult“. Doch Trump geht noch einen Schritt weiter. Er definiert Menschen, schreibt vor, was ein Mann seiner Meinung nach ist, schreibt vor, was eine Frau seiner Meinung nach ist und was die „biologische Wahrheit“ sei. Er, der Präsident der vereinigten Staaten, schreibt Menschen vor wie sie zu sein haben und stülpt dabei seine eigene Gender-Ideologie über ganz reale Menschen.
Sowohl Trump’s Executive Order, als auch die FPÖ sprechen davon, Frauenrechte schützen zu wollen. In beiden Fällen stellt sich aber die Frage: Werden hier wirklich die Rechte von Frauen geschützt? Oder ist das nicht eher ein Vorwand, um gegen trans Personen hetzen zu können? Wo bleiben tatsächliche rechtliche Verbesserungen für Frauen? Stattdessen bastelt die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP mutmaßlich an einer „Herdprämie“. Die AFD kündigt für die Bundestagswahl 2025 an, Schwangerschaftsabbrüche nur mehr im Falle von Vergewaltigungen oder medizinischer Notwendigkeit zu erlauben. Und Trump? Naja, er definiert das Geschlecht neu.
An der Wissenschaft vorbei
Trumps Executive Order beruft sich darauf, ob eine Person zum Zeitpunkt der Empfängnis jenem Geschlecht angehört, dass die große oder kleine Fortpflanzungszelle hervorbringt. Diese Definition umgeht jedoch wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte. Denn Embryos gelten in den ersten Wochen der Schwangerschaft als „phenotypisch weiblich“. Geschlechterspezifische Merkmale entwickeln sich erst einige Wochen später. Außerdem ist anzumerken, dass biologische Geschlechtsmerkmale ebenfalls einer cisnormativen Medizin entspringen. Sie versucht komplexe Zusammenhänge aus der Natur zu vereinfachen, zu kategorisieren und in das vorherrschende soziale Konzept einer binären Unterteilung in Mann und Frau zu integrieren.
Die Realität von Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, wird in Trumps Schreiben ignoriert. An der Uneindeutigkeit dieser Definition zeigt sich außerdem die schiere Irrationalität unter der jetzt inter* Personen, trans Personen mit Eintrag „X“ sowie nicht binäre Personen besonders leiden. Die USA zeigt, was Politik auf den Schultern von TIN* Personen (trans, inter, nicht-binär) bedeuten kann.
Die “Österreichische Lösung”
Im Dezember 2024 wurden vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zwei Anträge auf Löschung des Geschlechtseintrages abgelehnt. Mediale Aufmerksamkeit erhielt diese Entscheidung des VwGH durch einen Blogeintrag des Rechtskomitee Lambda, der auch im Standard veröffentlicht wurde. Dort heißt es „Das höchste Verwaltungsgericht Österreichs beraubt transsexuelle Menschen ihres seit Jahrzehnten europaweit anerkannten fundamentalen Menschenrechts auf Anerkennung in ihrem tatsächlich gelebten Geschlecht und setzt unser Land in eine Reihe mit Russland und Ungarn.“ Das ist jedoch eine Verallgemeinerung der tatsächlichen Geschehnisse. Und sie bedient ein Narrativ das in den letzten Wochen einige trans Personen in Angst versetzt hat.
Doch was geschah tatsächlich? Der VwGH begründet die Ablehnung damit, dass eine Angabe des Geschlechts nach Personenstandsgesetz verpflichtend vorgesehen ist. Ein Umstand, der im Widerspruch zu Artikel 8. der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht. Dieser stellt die menschliche Persönlichkeit in ihrer Identität, Individualität und Integrität unter Schutz. In den geschützten persönlichen Bereich fällt auch die geschlechtliche Identität und Selbstbestimmung. In einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) von 2018 bezieht sich dieser auf Artikel 8 der EMRK und ermöglichte neben dem Geschlechtseintrag „weiblich“ und „männlich“ auch eine dritte Geschlechtsoption.
Zwei Jahre später folgt unter dem damaligen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ein Erlass des BMI, der diese Möglichkeit ausschließlich inter*Personen zuweist und damit trans und nicht binären Menschen verwehrt. Der VwGH ergänzt in seiner Entscheidung vom 5.12.2024, dass “mangels ausdrücklicher Regelung (der Transidentität) durch den Gesetzgeber” jedenfalls körperliche, binäre Geschlechtsmerkmale eine verfassungsmäßige Prüfung des Antrags auf Änderung des Geschlechtseintrags ermöglichen. Damit gibt er den Ball wieder an das Innenministerium, beziehungsweise den VfGH, der nun angehalten ist, gemäß europäischer Menschenrechtskonventionen und Verfassungsrecht zu handeln. Die Initiative Genderklage hat bereits angegeben, Revision einzulegen, sowie eine Beschwerde beim VfGH einzureichen.
Die Lücken der Selbstbestimmung
Beraubt der VwGH also „transsexuellen“ Menschen ihre Menschenrechte? Dazu muss als Erstes angemerkt werden, dass viele trans Menschen den Begriff „transsexuell“ nicht anerkennen. Denn trans Sein ist keine Sexualität. Der Begriff „transsexuell“ ist ein Überbleibsel aus der Sexualmedizin und wird vor allem in transausschließenden Positionen, wie beispielsweise durch Alice Schwarzer, genutzt. Und er zeigt, dass hier an der Community vorbei gearbeitet wird. Entgegen der Narrative des RKL, spricht Genderklage davon, dass in dieser Entscheidung des VwGH eine verfassungsmäßige Prüfung möglich werde.
Außerdem ist anzumerken, dass in der weiteren Berichterstattung plötzlich die Rede davon ist, dass der VwGH die rechtliche Anerkennung von trans Personen im Allgemeinen verbiete. Das entspricht aber nicht den Tatsachen. Diese Berichterstattung schürte am Ende viel mehr Angst, als dass sie aufklärte. Kurz gesagt: binär auftretende trans Menschen haben nach dieser VwGH-Entscheidung keinen Grund zur Panik. Nicht binäre Menschen konnten in Österreich noch nie ihr Recht auf Selbstbestimmung ausüben. Wie raubt man also etwas das noch gar nicht da ist?
Auch eine Regierung aus ÖVP und FPÖ muss sich an die EMRK und die österreichische Verfassung halten. Dazu gehört eben auch die Wahrung der Menschenrechte. Wie sich die Situation für trans Personen in den letzten Wochen in den USA verschlechtert hat, sollte dennoch wachrütteln. Es zeigt was passieren kann, wenn Rechte regieren und ihre Wahlversprechen in die Tat umsetzen. Auch wenn uns ein Meer von den USA trennt, ist zwischen den Aussagen des weißen Hauses und vergangenen Aussagen der FPÖ zu trans Rechten gar nicht mal so eine große Distanz übriggeblieben.
Foto: Skye Ezri