Aktive Erinnerungspolitik braucht Gedenkdienste

Während rechtsextreme Tendenzen zunehmen, kürzt Österreich das Geld für den Gedenkdienst – zuletzt 2016 mit dem novellierten Freiwilligengesetz. Anlässlich des 8. Mai berichten Nikolina Franjkic und Jutta Fuchshuber vom Verein Gedenkdienst über die Notwendigkeit aktiver Erinnerungspolitik und die prekäre Fördersituation. 

Wenn eine FPÖ-nahe rechtsextreme Zeitschrift ehemalige Mauthausen-Häftlinge als „Massenmörder“ oder „Landplage“ bezeichnet und ein Welser Rechtsanwalt die Existenz von Gaskammern im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen leugnet, dann kann kein Schlussstrich unter die nationalsozialistischen Verbrechen gezogen werden. Rechtsextreme Tendenzen nehmen europaweit zu, so auch in Österreich. Gerade deswegen ist es wichtig, dass sich junge Menschen ausführlich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs befassen und daraus lernen können.

25 Jahre Gedenkdienst

Seit 1992 setzen wir uns als Verein Gedenkdienst mit den Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus sowie seiner Verbrechen auseinander. Jedes Jahr entsenden wir Gedenkdienstleistende in über zehn verschiedene Länder, in denen das „Dritte Reich“ und kollaborierende Staaten Verbrechen begangen und ermöglicht haben, in die Verfolgte flüchteten oder in denen heute noch Überlebende der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik leben. Gedenkdienst ist die Arbeit an Gedenkstätten, an Forschungszentren und pädagogischen Einrichtungen. Beispiele dafür sind das US Holocaust Memorial Museum in Washington, die israelische Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem oder die internationale Jugendbegegnungsstätte Auschwitz/Oświęcim in Polen. Für die Republik Österreich stellte diese Freiwilligenarbeit von Beginn an einen wichtigen und aktiven Beitrag zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus dar. Mit der Förderung der Gedenkdienste erkannte Österreich seine historische Verantwortung gegen das Vergessen als politische Aufgabe an.

Zusätzlich zum Gedenkdienst im Ausland leisten wir auch im Inland wichtige gedenkpolitische Arbeit. Neben unseren Bildungsangeboten, wie beispielweise wissenschaftliche Tagungen, Diskussionsveranstaltungen, Workshops und Studienfahrten an Orte der NS-Verbrechen, geben wir auch eine eigene Zeitung heraus. Damit tragen wir aktiv zur gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus und der Erinnerung an die Verbrechen bei.

Was hat sich durch das Freiwilligengesetz 2016 geändert?

Die gesetzliche Grundlage für den Gedenkdienst im Ausland war bis 2016 das Zivildienstgesetz. Der Gedenkdienst wurde wehrpflichtigen Männern als Zivilersatzdienst angerechnet. Am 1. Jänner 2016 trat das novellierte Freiwilligengesetz in Kraft, unter das nun auch Gedenkdienste gefasst werden. Durch das Freiwilligengesetz können nun auch Frauen und (nicht-wehrpflichtige) Männer zu gleichen Rechten und Bedingungen einen staatlich finanzierten Gedenkdienst leisten. Für alle Freiwilligendienste im Ausland (das beinhaltet auch Sozial- und Friedensdienste) wurde eine Fördersumme von 720.000 Euro festgeschrieben und die soziale Bedürftigkeit als Kriterium eingeführt. Die Umsetzung des Freiwilligengesetzes erfolgt durch einen Fördervertrag mit dem Sozialministerium, der neue Richtlinien zur Entsendung vorgibt. Einige Änderungen stellen uns als Verein allerdings vor große Probleme.

Auch nach 25 Jahren ist für unsere Arbeit immer noch keine Basissubvention vorgesehen. Und das, obwohl der administrative Aufwand steigt und wir für die Entsendetätigkeit eine minimale Infrastruktur aufrechterhalten müssen. Den Gedenkdienst und unser Bildungsangebot können wir nur dank zahlreicher ehrenamtlicher AktivistInnen dauerhaft auf hohem Niveau umsetzen. Durch die geänderten Rahmenbedingungen im Fördervertrag steigt die administrative Mehrbelastung weiter, da wir uns mit noch mehr Formulare, Anerkennungen und Berichten auseinandersetzen müssen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die „Beachtung der sozialen Bedürftigkeit“ in Form von Einkommensgrenzen. Denn die Förderung eines Gedenkdienstes hängt nun vom jährlich verfügbaren Gesamteinkommen des Haushaltes ab. Doch dieses Gesamteinkommen spiegelt nicht die realen Lebensumstände der Gedenkdienstleistenden wider: Außen vorgelassen werden etwa die Anzahl der Kinder, finanzielle Verbindlichkeiten, Verpflichtungen gegenüber pflegebedürftigen Familienmitgliedern und vieles mehr. Durch diese neue Regelung fallen viele Interessierte aus der Förderung. Es besteht die Gefahr, dass Gedenkdienste immer mehr zu einem „Elitenprojekt“ für jene werden, die es sich leisten können.

Kürzungen der jährlichen Fördersumme für Gedenkdienstleistende

Seit 25 Jahren verweisen wir auf die unzureichende jährliche Fördersumme für Gedenkdienstleistende und haben aufgrund der massiven Preissteigerungen immer wieder eine Erhöhung eingemahnt. Die Förderung soll die Versicherungsbeiträge, Visa- und Reisekosten, Miete und Verpflegung für zwölf Monate decken. Betrug die staatliche Förderung im Jahr 2009 noch 10.000 Euro pro Person, wurde sie 2014 auf 9.000 Euro reduziert. Gedenkdienstleistende sind seit jeher auf private Ersparnisse oder familiäre Unterstützung angewiesen, um Gedenkdienst leisten zu können. Mit dem neuen Förderungsvertrag wird der maximale Betrag noch einmal auf 8.640 Euro pro Person gekürzt. Zieht man davon die (gestiegenen) Versicherungsbeiträge ab, bleiben den Gedenkdienstleistenden monatlich nur rund 525 Euro zum Leben. Das liegt weit unter der Armutsgrenze von 1.163 Euro monatlich.

Das neue Freiwilligengesetz erlaubt zwar, bis zum 24. Lebensjahr Familienbeihilfe zu beziehen. Doch das Problem daran: Viele Gedenkdienstleistende haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, etwa, weil sie aufgrund ihres Alters nicht mehr anspruchsberechtigt sind. Insbesondere durch die Öffnung der Zielgruppen ist damit zu rechnen, dass auch Personen außerhalb des bisherigen Alterslimits  bereit sind einen Gedenkdienst zu leisten.

Gedenkdienst als historische Verantwortung

Statt den Gedenkdienst im Sinne der historischen Verantwortung der Republik finanziell abzusichern, wird unsere Arbeit durch neue Einsparungen und zusätzlichen Hürden gefährdet. Doch unsere auch im Ausland anerkannte Arbeit sowie die kritische Auseinandersetzung mit Faschismus, Rassismus und Antisemitismus und die Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes müssen weiterhin gewährleistet werden. Gedenkdienst liegt in der historischen Verantwortung der Republik Österreich. Deshalb hat diese auch dafür zu sorgen, dass die Möglichkeit einen Gedenkdienst zu leisten kein Privileg wird sondern für alle offen ist – unabhängig vom sozialen Hintergrund.

Nikolina Franjkic ist Geschäftsführerin des Vereins GEDENKDIENST und Aktivistin der Offensive gegen Rechts.

Jutta Fuchshuber ist Historikerin und stellvertretende Obfrau des Vereins GEDENKDIENST.

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