Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in den USA gegen das Recht auf Abtreibung macht wieder einmal klar: Für eine Welt ohne Unterdrückung müssen wir uns von unten einsetzen. Mosaik-Redakteurin Sonja Luksik ermutigt uns mit vier Bewegungen, die Abtreibungsrechte erkämpft haben.
In den USA kippte der Oberste Gerichtshof vergangenen Freitag das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche („Roe vs. Wade“). Schon jetzt beschließen die ersten Bundesstaaten Abtreibungsverbote und greifen damit die Selbstbestimmung über den eigenen Körper massiv an.
Grund genug, wütend zu sein und auf die Straße zu gehen – wie es zehntausende Protestierende in den USA, aber auch international und in Österreich in den letzten Tagen vorgezeigt haben. Einzig dieser Druck von der Straße kann eine echte und langfristige Veränderung bewirken. Die Demokratische Partei hingegen nutzt das Abtreibungsverbot für Wahlkampf: Wenn US-Bürger*innen bei den „midterm elections“ im Herbst die Demokraten wählen wird alles gut – so ihre zynische Erzählung. Das ist einerseits unglaubwürdig, da die Demokraten kaum etwas gegen die schleichende Aushöhlung von Abtreibungsrechten unternommen haben. Andererseits können wir uns auch nicht darauf verlassen, dass Herrschende uns eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung ermöglichen.
Abtreibungsrechte sind kein Geschenk von oben
Abtreibungsrechte sind kein Geschenk von oben, kein Geschenk vom Establishment und den Herrschenden, sondern wurden stets von unten erkämpft. Allein ein Blick auf die letzten Jahre verdeutlicht das: Bewegungen in Argentinien, Irland, Deutschland und Spanien setzten sich unermüdlich für Abtreibungsrechte ein – mit Erfolg.
Gleichzeitig gibt es in Ländern wie Polen oder Brasilien strenge Abtreibungsgesetze, die Millionen von Frauen gefährden. Denn durch Abtreibungsverbote werden Abbrüche nicht weniger, sondern unsicherer und können tödlich enden. In Österreich sind Abtreibungen bis zum dritten Schwangerschaftsmonat zwar straffrei, eine vollständige Entkriminalisierung ist jedoch auch hierzulande noch ausständig. Zudem braucht es einen kostenfreien, sicheren, unbürokratischen und flächendeckenden Zugang zu Abtreibungen.
Es gibt also genug, für das es sich zu kämpfen lohnt! Lassen wir uns von den folgenden vier Beispielen ermutigen.
1) Irland: Schluss mit katholisch-konservativer Kontrolle über Körper
Bis 2018 galt in Irland eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas: Es verbot Abtreibungen in nahezu allen Fällen – außer das Leben der Mutter war durch die Schwangerschaft gefährdet. Die „Repeal the 8th“-Kampagne setzte sich zum Ziel, das in der Verfassung verankerte Abtreibungsverbot abzuschaffen. Der jahrelange Druck von feministischen Aktivist*innen zwang die irische Regierung schließlich, für Mai 2018 ein Referendum über den achten Verfassungszusatz einzuberufen. Mit 66,4 Prozent stimmte eine überwältigende Mehrheit für das Recht auf Abtreibung.
2) Argentinien: Erstes südamerikanisches Land legalisiert Abtreibung
Im konservativen Argentinien waren Abtreibungen lange nur erlaubt, wenn die Schwangerschaft durch Vergewaltigung zustande kam oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr war. Dagegen bildete sich eine feministische Bewegung – ihr Symbol waren die grünen Halstücher.
2018 dann der Rückschlag: Der Senat lehnte den Gesetzesentwurf zur Entkriminalisierung von Abtreibung knapp ab. Doch die Aktivist*innen gaben nicht auf und konnten zwei Jahre später einen Erfolg feiern. Am 30. Dezember 2020 stimmte der Senat nach 12-stündiger Debatte endlich für eine Legalisierung von Abbrüchen bis zur 14. Woche. Damit war Argentinien das erste südamerikanische Land, das Schwangerschaftsabbrüche legalisierte.
3) Deutschland: Information über Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr strafbar
Wer bisher in Deutschland über Schwangerschaftsabbrüche informierte, machte sich strafbar. Denn der Paragraf 219a StGB verbot die „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. Für ausführliche Informationen über verschiedene Methoden des Schwangerschaftsabbruchs sowie damit verbundene Risiken drohten eine Geld- oder eine Freiheitstrafe von bis zu zwei Jahren.
Damit ist nun Schluss: Der Bundestag beschloss vor einigen Tagen die Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibungen. Ärzt*innen, die über Abbrüche informieren, müssen nicht länger mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Schwangere finden zudem leichter Ärzt*innen und fachliche Informationen.
Ärzt*innen wie Kristina Hänel und politische Aktivist*innen setzten sich seit Jahren für eine Aufhebung des Werbeverbots ein – einen ersten wichtigen Schritt Richtung leichteren Zugang zu Abbrüchen haben sie gemacht.
4) Spanien: Kostenlose Abtreibungen in öffentlichen Spitälern
Die linke Regierungskoalition in Spanien plant aktuell eine weitreichende Reform des Abtreibungsgesetzes: Mädchen ab 16 Jahren sollen ohne Genehmigung der Eltern abtreiben dürfen, zudem fallen bisher vorgeschriebene Bedenkzeiten weg. Das neue Gesetz über „reproduktive Gesundheit und sexuelle Rechte von Frauen“ sieht zudem vor, dass der Eingriff kostenlos in öffentlichen Krankenhäusern möglich sein soll und mit dem Recht auf eine mehrtägige Krankschreibung verbunden ist.
Der progressive Gesetzesentwurf ist auch das Verdienst einer erstarkenden feministischen Bewegung, in der viele junge Frauen und queere Menschen politisch aktiv wurden.