Schwarz-Blau macht Ernst: Die Regierung will die angekündigte Arbeitszeitverlängerung möglichst rasch durchsetzen. Damit erfüllen Kurz und Strache den größten Wunsch ihrer Großspender von der Industriellenvereinigung. Heute Abend wollen diese ihren Sieg bei einem Sommerfest feiern. Doch Protest ist angekündigt: Das Bündnis „SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen gegen Notstandspolitik“ ruft dazu auf, der Feier einen Besuch abzustatten. Wir haben nachgefragt.
mosaik: Ihr wollt heute Abend das Sommerfest der Industriellenvereinigung besuchen. Wie kam es zu dieser Idee?
Franz Koskarti: Nach dem dreisten Vorgehen der Regierungsparteien bei der Einführung des Zwölf-Stunden-Tags braucht es eine schnelle Antwort. Wir dürfen das nicht einfach auf uns sitzen lassen. Schwarz-Blau versucht uns zu überrumpeln. Das ist ein Affront, der die Organisationen der ArbeiterInnen und Angestellten auf dem falschen Fuß erwischt hat.
Seit Donnerstag bekommen wir extrem viele Anfragen, wie die Gewerkschaften oder auch die Sozialdemokratie reagieren werden. Viele Menschen wollen ein Zeichen setzen. Dem haben wir Rechnung getragen und nach einer zeitnahen Möglichkeit zum Protest gesucht. Glücklicherweise, muss man fast schon sagen, hat sich das Sommerfest der Industriellenvereinigung dafür angeboten.
Warum protestiert ihr gerade bei der Industriellenvereinigung? Es sind ja die Parteien ÖVP und FPÖ, die den Zwölf-Stunden-Tag einführen wollen.
Franz Koskarti: Der Zwölf-Stunden-Tag steht schon lange auf der Agenda der Industriellenvereinigung. Die Regierungsmehrheit setzt nur deren langjährige Forderung nach Arbeitszeitverlängerung um.
Jürgen Schamberger: Das alles ist kein Zufall. Seit einigen Jahrzehnten ist der Klassenkampf von oben wieder an die Oberfläche gespült worden. Die Industriellenvereinigung ist dabei eine der treibenden Kräfte. Sie richtet sich mit ihrer Politik gegen die Masse der Menschen in der Gesellschaft, wie in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Industrie und „Geldadel“ spielen den Steigbügelhalter für die extreme Rechte. Sie nehmen alles in Kauf, im Glauben alles unter Kontrolle zu haben, um ihre Macht- und geldpolitischen Interessen nicht nur teilweise, sondern gänzlich durchzusetzen. Jahrhunderte alte Mechanismen brechen wieder durch. Die Rechnung begleichen, wie zu allen Zeiten seit der Sesshaftwerdung, die mehr oder weniger Recht- und Besitzlosen in der Gesellschaft.
Franz Koskarti: Die Besitzenden und Rechten nutzen alle Möglichkeiten um rasch, hart und unumstößlich Tatsachen zu schaffen. Von Rechtsbeugung bis zu Verfassungsbruch dürfte einiges auf uns zukommen.
Welche Auswirkungen hätte die Einführung des Zwölf-Stunden-Tags?
Jürgen Schamberger: Durch die ständige Verfügbarkeit steigt der psychische Druck und somit das Gesundheitsrisiko der KollegInnen. Die Situation wird sich für Eltern und vor allem für AlleinerzieherInnen massiv verschärfen, diese werden vermehrt in die Teilzeit getrieben und somit steigt der finanzielle Druck.
Darüber hinaus wird die Zeit „um Mensch sein zu können“ de facto auf null reduziert. Die Gesellschaft wird auf die totale Entsolidarisierung vorbereitet. Die Entfremdung der Arbeit wollen wir hier gar nicht ansprechen, das würde den Rahmen sprengen.
Ihr richtet euch als Gewerkschafter_innen ausdrücklich gegen Rassismus und Sozialabbau. Wie kam es dazu? Ist das auch eine Antwort auf die Strategie der schwarz-blauen Regierung?
Franz Koskarti: Ja. Die ideologische Ausrichtung vieler Regierungsmitglieder und MitarbeiterInnen ist eindeutig rassistisch geprägt. Die anderen Teile der Regierung und ihres Umfeldes sind zutiefst wirtschaftsliberal nach Hayek-Schule oder aber extrem konservativ ausgerichtet. Was diese verschiedenen Denkmuster vereint, ist dass sie Kapital-, Besitz- und Machtakkumulierung vor die Interessen der großen Mehrheit der Menschen in den Gesellschaften stellen.
Was erwartet ihr euch jetzt von der Gewerkschaftsführung? Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Streiks? Was muss eurer Meinung nun unternommen werden, um den Zwölf-Stunden-Tag noch zu verhindern?
Jürgen Schamberger: Protest an allen Ecken und Enden ist wohl die einzige Chance, um ein Einlenken der Regierungsverantwortlichen zu erreichen. Der Streik ist eines der schärfsten Mittel der Gewerkschaftsbewegung und deshalb wohlüberlegt einzusetzen. Die Gesamtpalette der möglichen – und unmöglichen – Maßnahmen ist sehr breit und vielfältig. Das beginnt bei Betriebsversammlungen, die nicht nur in den Betrieben, sondern auch an zentralen Orten in der Öffentlichkeit abgehalten werden können, über Kundgebungen bei diversen Gelegenheiten bis hin zur Streikbewegung. Am besten gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen oder politischen Organisationen.
Franz Koskarti: Es gibt spätestens seit Jänner dieses Jahres eine tolle zivilgesellschaftliche Protestbewegung. Man kann mit Fug und Recht feststellen, dass es eine breite Ablehnungsfront gegen diese Regierung der Reichen und Schönen aus Industrie und Adel gibt.
Wir brauchen also abseits der klassischen Kanäle und Strukturen eine kraftvolle Bewegung, die auf die Straße mobilisieren kann, um so rasch als möglich Druck auf die Regierung auszuüben und diesen sukzessive zu erhöhen. Einerseits um die Gewerkschaftsführung zu entlasten, die dann noch Gesprächsbereitschaft anbieten kann. Andererseits aber auch mit dem Ziel, Druck auf eben diese aufzubauen.
Danke für das Gespräch!
Franz Koskarti ist Betriebsrat in der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) in der WGKK.
Jürgen Schamberger ist Betriebsratsvorsitzender im Kolpinghaus für betreutes Wohnen GmbH.
Die Kundgebung der Gewerkschafter_innen gegen Rassismus und Sozialabbau findet am Montag, 18. Juni, um 18:30 Uhr vor dem Kursalon (Johannesgasse 33, 1010 Wien) statt.