Wir wollen die Besten der Besten, aber nennen sie die Faulsten der Faulen

…oder „Ein Sparpaket ist nichts zum Lachen“

Als jemand, der die österreichische Bildungspolitik schon sehr lange als Lehrer, bei Bildungsinitiativen und aus einer recht nahen Beobachterrolle begleiten darf, ist es offensichtlich. In all den letzten Jahren waren es primär Sparpakete, war es ein budgetärer Notstand, der die jeweilige Bundesregierung zum Handeln brachte. EINMAL würden wir alle uns wünschen, dass aus rein pädagogischen Gründen mit dem obersten Maßstab ‘Kind’ über Kindergarten und Schule diskutiert wird. Aber Fehlanzeige. Dabei gäbe es in der Tat viele Fragen zu beantworten, viele Probleme zu lösen.

Welche Art von Bildung wollen wir für Kinder?

Diese Diskussion, wahrscheinlich die Wichtigste, wird schlicht nicht geführt. Dringend gesucht: Einen Konsens darüber, was Kinder und Jugendliche an bestimmten Schnittstellen erfahren, gefühlt, erlebt haben sollen, was sie musisch, kreativ, körperlich und kognitiv beherrschen sollen. Welche Haltungen und Einstellungen wollen wir im sozialen Bereich?
Ich persönlich bekenne mich dazu: Eine gelingende Gesellschaft der Zukunft braucht selbstbewusste, kritische, neugierige und lern- bzw. leistungswillige Menschen.

Was braucht es, damit bessere Bildung „gelingt“?

In Wahrheit ist diese Frage erst sinnvoll, wenn die vorherige Frage beantwortet wurde. Denn dafür braucht es viele Faktoren: Raum, Zeit, Licht, Luft, Strukturen, Inhalte. Dies alles rankt sich um eines – um die zentrale Schnittstelle von Lernen in Kindergarten und Schule. Elementarpädagog_innen, Lehrer_innen sind entscheidend. Nicht am Reißbrett, sondern im Kindergarten und in der Schule vor Ort findet Bildung statt. Oder eben nicht.

Wie ist das jetzt wirklich? Arbeiten Lehrer_innen nun zu wenig?

Diese Diskussion ist sehr wichtig und muss geführt werden. Entscheidend ist dabei die Erkenntnis, dass Arbeitszeit und Unterrichtszeit natürlich weit auseinander klaffen. Es muss thematisiert werden, dass viele Lehrer_innen jetzt bereits ihre Lehrverpflichtung herabsetzen. Es wurden in den letzten Jahren dramatisch mehr, die somit freiwillig auf einen Teil des Gehaltes verzichten, weil sie schlicht „nicht mehr können“. Und außerdem müssen wir dann darüber reden, warum so viele Kinder aus dem System fallen. Werden sie zu wenig unterstützt? Fehlt eben doch Unterstützungspersonal, zum Beispiel Psycholog_innen, für die Kinder? Hier machen sich auch die Fehler vergangener Jahrzehnte bemerkbar. Eine psychologische Ausbildung ist für Lehrer_innen nie vorgesehen gewesen.

In den letzten Tagen mussten sich viele Lehrer_innen wieder einmal Spott und Hohn stellen. Dies, obwohl die Meisten von ihnen seit Jahren Tag für Tag versuchen, das Beste zu geben. Viele fordern dabei selber, tiefergehend über ihr Berufsbild zu reden: Über die tägliche und jährliche Arbeitszeit, über Arbeitsplätze an den Schulen und vieles mehr.

Eines jedenfalls sollte allen klar sein: Was wir NICHT machen sollten, ist eine reine Sparmaßnahme mit nachweislich negativen Auswirkungen, vor allem auch für die Kinder, weiter pädagogisch zu verbrämen.

Da müssen Fragen erlaubt sein, wie: Wollen wir wirklich eine Neiddebatte? Wollen wir wirklich billige Ressentiments bedienen, statt ehrliche und profunde Diskussionen führen? Was bringt es, alle gegen eine Berufsgruppe aufzuhetzen, statt eine breite, ehrliche Debatte über „Wertigkeit“ von Arbeit zu führen. Etwas, das – mit Verlaub – sowohl einer sozialdemokratischen als auch einer christdemokratischen Partei vielleicht besser anstünde, als Hetze zu befürworten.

Also gut: Sind Lehrer_innen wehleidig?

Der Aufschrei nach dem meines Erachtens völlig misslungenen „Scherz“ des, an sich von mir sehr geschätzten, Wiener Bürgermeister, ein Mann der sich seiner Öffentlichkeit bewusst ist, war laut.
Interessant war auch seine Verteidigung: Er, pikanterweise ja oberster Lehrer_innenchef von Wien, kritisiere damit ja nur die Lehrer_innengewerkschaft.

126.000 Lehrer_innen in Österreich kassierten damit eine schallende Ohrfeige.

Aber das Problem, die „Ernte“, die der Herr Bürgermeister hier quasi eingefahren hat, wurde wo anders gesät. Die Bundesregierung hat vor, hier in einer erschreckenden Einfallslosigkeit einen panischen Schnellschuss abzugeben. Alle Mahnungen an den Finanzminister, zum Beispiel durch Erich Foglar, bei Bildung dürfe per se nicht gespart werden, bleiben ungehört. Zugleich findet man im Bildungsministerium keine besseren Antworten, als exakt die selben, die es schon 2009 gab – Kürzungen.

Was wir JETZT brauchen:

Das Bildungssystem muss im Konsens umgebaut werden – rot und schwarz sind hier offenkundig seit Jahren überfordert. Dies ist eine langjährige Forderung von mir, die ich schon mehrfach – oft gemeinsam mit vielen Initiativen – vorgetragen habe.

Denn ÖVP und SPÖ bleiben den Betroffenen – Kindern, Eltern und Lehrer_innen – seit Jahren etwas schuldig. Die eine Partei, die ÖVP, spricht zwar über die Wichtigkeit von Bildung, friert aber die Budgets ein und veschließt sich vielen anderen Fragen völlig. Die andere Partei, die SPÖ, verweigert seit Jahren zwei Dinge. Einerseits den redlichen Kassasturz, um zu sehen, was wo ankommt und was wo gespart bzw. umgeschichtet werden könnte. Andererseits – trotz Besetzung des Bildungsministeriums – wird seit Jahren kein konkretes Modell einer gut individualisierenden gemeinsamen und inklusiven Schule, verschränkt über den ganzen Tag, vorgelegt.

Deshalb: Wir sollten rot und schwarz hier helfen und nicht länger warten, einen breit aufgestellten Bildungskonvent einzuberufen. Mit allen Betroffenen, insbesondere auch mit Kindern und mit jungen Menschen. Es ist genug punktuell und nur ÜBER sie gesprochen worden. Es ist Zeit, endlich auch mehr MIT ihnen zu sprechen.

Dabei werden wir auch und gerade im 21. Jahrhundert nicht umhin kommen, mehr Menschen für den wunderbaren Beruf der Pädagog_innen und Lehrer_innen zu begeistern. Und es wird immer wichtiger werden, dafür die „Besten“ zu gewinnen. Ob hier die ständigen mehr oder weniger offenen Vorwürfe von latenter Faulheit helfen, wird jede_r selber für sich beantworten müssen
Daniel Landau ist seit vielen Jahren Aktivist für eine bessere Bildung für jedes (!) Kind, Gründer und Leiter von vielen Bildungsinitiativen und war jahrelang Lehrer in verschiedenen Schulen in Wien. Zuletzt in einer AHS. Er ist Kandidat der Grünen für die Landtagswahl im Oktober 2015 in Wien.

Autor

 
Nach oben scrollen