Wien-Wahl V: Über Duelle, Personenkult und Angst

Für mich als Aktivist bei Wien Anders waren die Wahlergebnisse natürlich ein Schock. Trotz des Zweckoptimismus, welcher einen den Wahlkampf überhaupt erst durchstehen lässt, war uns allen klar, dass es bei dieser Wahl unter diesen Bedingungen keinen Einzug geben wird, egal wie lange man sich auf der Straße abrackert.

Andererseits fühlte ich mich auch bestätigt. Seit Wochen hatten wir bei jedem Gespräch auf diesen einen Umstand hingewiesen: es GAB nie ein Duell, es GIBT kein Duell, und es WIRD auch am 11. Oktober kein Duell um Wien geben. Dennoch bekamen wir immer wieder zu hören: „Ich find euch ja echt toll, aber leider muss ich dieses eine Mal noch den Häupl wählen, um den Strache zu verhindern“. Viele Menschen stimmten im Grunde den meisten unserer Kritikpunkte zu und fanden auch, dass unser Programm dem einer konsequenten linken Partei entsprechen würde. Dennoch beharrten sie darauf, dieses Mal noch Häupl zu wählen. Sie wünschten uns meistens viel Erfolg und versicherten uns, bei den nächsten Wahlen, vor allem den Nationalratswahlen ganz sicher uns zu wählen.

Unser Dilemma: Beim nächsten Mal dann, versprochen!

Alle wollen uns wählen, halt nur nicht dieses Mal. Vor allem bei Nationalratswahlen wäre es vielen wichtig, eine Alternative zur komatösen Sozialdemokratie zu haben. Doch es scheint sich niemand zu fragen, wo diese Alternative von einem Tag auf den anderen hergezaubert werden soll. In linken Kreisen wird zwar nicht gern darüber gesprochen, aber es braucht auch unheimlich viel Geld, um so einen Wahlkampf zu stemmen. Und wer sich nicht aus dem Großkapital (wären ja schön blöd) finanzieren kann, muss halt schauen, wie sich eine Basis aufbauen lässt. Und da selbst in den Bezirken keine nennenswerten Zugewinne erreicht wurden (zumindest in Mandaten gerechnet), wird sich die Wahl 2018 nicht wirklich aus Wien heraus finanzieren lassen. Es bleibt also alles wie gehabt und ohne ein Wunder wird es keine starke vereinigte Linke geben. Aber die FPÖ wird wohl wieder stark sein. Und der SPÖ werden auch wie gewohnt die Themen fehlen.
Naja, hier geht es jetzt aber um die Wien Wahlen, und das doch erschreckende Ergebnis. Und hier möchte ich ansetzen als Antwort auf den Beitrag von David Sagner. Für mich spiegelt dieses Wahlergebnis den Zustand unserer Gesellschaft wieder, und in meinen Augen lässt sich bei einer zutiefst ängstlichen Gesellschaft wenig Mut schöpfen. Das Potential einer linken Partei von manchmal 10 bis zu 25 Prozent wurde mit unserem 1 Prozent  weit verfehlt, aber wie entsteht diese Diskrepanz?

Warum?

Ich hab schon viele Begründungen gehört, was Wien Anders alles falsch gemacht habe. Vieles mag stimmen, jedoch ist die Angstmache sicherlich mitverantwortlich.
Dass wir zu keiner Fernsehdiskussion eingeladen wurden, war zwar demokratiepolitisch schon sehr problematisch, immerhin hatten 4500 Menschen für uns unterschrieben, ist aber nichts Neues in unserem Parteienproporzsystem. Und hier möchte ich einen unmittelbaren Vorwurf an die SPÖ formulieren, und zwar in direktem Bezug zu ihrem Wahlkampf.

Über Personenkult und Inhalte

Die SPÖ hat sich selber (wobei ja eigentlich nur ihren starken Mann an der Spitze, den Häupl) als antifaschistisches Bollwerk gegen die rechten Recken der FPÖ inszeniert (dass Strache nie zur Debatte stand, weil er im Parlament bleiben wird, wurde gleich als erstes gekonnt ausgeblendet). Ein Bollwerk mag der Michael Häupl ja sein, antifaschistisch kann er sich gerne selber bezeichnen, wenn ihm das Spaß macht. Nur nüchtern betrachtet ist das Ganze ein Selbstbetrug. Und damit auch Betrug an den WählerInnen. Ohne die ganzen fragwürdigen Umfragen wäre vielleicht aufgefallen, dass Antifaschismus allein nun mal kein Ersatz für tatsächliche Politik ist. Das totale Versagen der Sozialdemokratie im Kampf gegen die neoliberale Reformwut der letzten Jahrzehnte führte ja erst zu der erstarkten Rechten. Eigentlich sollte sich jedeR SozialdemokratIn schämen, dass seine/ihre Partei diese antisoziale Politik auch noch mitgetragen hat. Erst das Aufgeben der sozialistischen Utopie und der Einzug des Zwangsrealismus in der Politik treiben die Menschen in Scharen in die einzigen Hände, die ihnen noch VERÄNDERUNG versprechen. Und wenn es eine rassistisch organisierte Gesellschaft ist.

Und dann erst dieser Wahlkampf. Die SPÖ trägt weiterhin zur Entpolitisierung des politischen Diskurses bei und fährt mit neoliberalen Wordings wie aus dem Bilderbuch auf. Aus Alternativlosigkeit: man kann ja nicht plötzlich beginnen sachliche Politik zu machen.
Kurz nach der Wahl hab ich vernommen, wie jemand meinte, „hörts auf euch zu beschweren, die SPÖ hat halt den besseren Wahlkampf geführt“. Da frage ich mich, was versteht man als SozialdemokratIn unter „gut“, wenn es um Wahlkämpfe geht. Für mich als unabhängigen Linken ist ein Wahlkampf erfolgreich, wenn:

  • man den politischen Diskurs vorangebracht hat
  • man wichtige Themen zur Sprache gebracht hat
  • Menschen politisiert wurden
  • Menschen sich mit ihrer politischen Identität auseinander gesetzt haben
  • man sich zu einer gestalterischen Politik bekennt
  • man konkrete soziale Verbesserungen fordert

Fiktives Duell

Der SPÖ Wahlkampf bestand aus reinem Personenkult und der Reduzierung einer demokratischen Wahl auf ein fiktives Duell zweier „Giganten“. Dass es um die Wahl eines Landtages ging, wurde kaum thematisiert. Die SPÖ hat sich einer zutiefst problematischen Taktik bedient, keine Sachthemen angesprochen und lediglich einige Wahlzuckerl eingestreut. Genannt seien hier etwa eine Handvoll Pseudo-Gemeindebauwohnungen, oder der „Gebührenstopp“. Vor allem aber hat diese Strategie linker Politik mehr geschadet als geholfen. Wir konnten bei dieser Wahl einen enormen Rechtsruck, initiiert durch das „antifaschistische Bollwerk“, beobachten. Linke haben grün gewählt um die rot-grüne Stadtregierung zu retten. Grüne haben aus Angst vor blau die Roten gewählt. Und was haben die Leute gemacht, denen das ganze elitäre Herumgetue in der Politik auf die Nerven geht? Tja die haben gehört, bei dieser Wahl wird zwischen Strache und Häupl entschieden. Und wenn man den Häupl nicht will, was macht man dann?

Elias Weiss studiert Politikwissenschaft und Volkswirtschaft an der Uni Wien, aktiv bei der Plattform der Unabhängigen, die Teil der Wahlallianz Wien Anders ist.

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