Wie die Asylrechtsnovelle Flüchtlingen das Leben noch schwerer macht

Das Flüchtlingsbüro der UNO nimmt bei den Verhandlungen zum österreichischen Asylrecht eine wichtige Rolle ein. Sonja Luksik und Anna Svec sprachen mit Birgit Einzenberger, Leiterin der Rechtsabteilung des UNHCR (United Nations High Commissioner for RefugeesÖsterreich über die kürzlich beschlossene Novelle des Asylrechts und deren Folgen für Asylsuchende.

mosaik: Frau Einzenberger, Sie leiten hier die Rechtsabteilung des UNHCR. Was macht denn UNHCR in Österreich genau?

UNHCR ist weltweit für den Schutz von Flüchtlingen zuständig, achtet also darauf, dass Staaten die Europäische Menschenrechtskonvention und Genfer Flüchtlingskonvention einhalten und beobachtet die Situation von Flüchtlingen in den verschiedenen Ländern. Wir haben jederzeit Zugang zu Quartieren, in denen Asylsuchende untergebracht sind, bearbeiten rechtliche Aspekte im Asylverfahren und bringen immer wieder Fälle vor die Höchstgerichte. Dabei arbeiten wir eng mit NGOs und dem Netzwerk Asylanwalt zusammen. Das Thema Asyl ist sehr breit.

mosaik: Wie ist aus Ihrer Sicht die Situation hier in Österreich?

Birgit Einzenberger: Das Asylgesetz wird häufig novelliert, durchschnittlich einmal pro Jahr. Da sehen wir dann natürlich genau hin. Die Grundversorgungsgesetze stehen oft auf der Tagesordnung. Sie sind in Österreich Bundes- oder Ländersache. Auch die Lage von subsidiär Schutzberechtigten beobachten wir genau. Da gibt es in Österreich traditionell Probleme, was man auch in der neuen UNHCR-Studie zum Thema deutlich sieht. Wir treten ganz klar für die Gleichstellung von subsidiär Schutzberechtigten mit anerkannten Flüchtlingen ein.

mosaik: Nun steht eine weitere Asylrechtsnovelle bevor. Worum geht es da konkret?

Birgit Einzenberger: Österreich hat mit der Novelle die EU-Richtlinien zur Aufnahme von Asylsuchenden und zum Asylverfahren umgesetzt. Es war notwendig, das österreichische Recht anzupassen. Zum Beispiel musste man in den Bereichen Grundversorgung und Rechtsberatung Änderungen vornehmen. Auch der Vorrang des gelinderen Mittels für Minderjährige wurde durch die Richtlinien zwingend. Ein weiterer Grund für die Novelle war die Einigung zwischen Bund und Ländern über die Neuorganisation der Erstunterbringung von Asylsuchenden. Statt den bisherigen zwei inländischen Aufnahmestellen Thalham und Traiskirchen sollen jetzt in allen Bundesländern Verteilerzentren errichtet werden. De facto schafft man damit aber kaum neue Plätze.

mosaik: Warum dann das neue System der Verteilerzentren?

Birgit Einzenberger: Die Hoffnung ist wohl, dass die Länder dadurch eher bereit sind, Nachfolgequartiere und damit neue Plätze zur Verfügung zu stellen. Das bezweifeln wir aber stark. UNHCR fordert außerdem, dass Asylsuchende Zugang zu allen Dienstleistungen erhalten. Das ist mit Blick auf die oft abgelegenen Verteilerzentren fraglich. Insgesamt bringt die Novelle eher punktuelle Änderungen. Trotzdem hat sie nachteilige Folgen für Asylsuchende.

mosaik: Welche negativen Folgen meinen Sie da genau?

Birgit Einzenberger: Der anfängliche Plan, die Zuständigkeit für die Rechtsberatung gänzlich ins Innenministerium zu legen, wurde glücklicherweise verworfen. Die neuen Vorschriften zum beschleunigten Verfahren sind aber noch enthalten und sehr problematisch. Beschleunigte Verfahren sind schon jetzt möglich, wenn ein Antrag „offensichtlich unbegründet“ ist, jemand also beispielsweise falsche Angaben über seine oder ihre Herkunft macht. Die Beschleunigung führt dann dazu, dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des bzw. der Asylsuchenden aberkannt wird. Er oder sie kann schon eine Woche später abgeschoben werden, falls der Bundesverwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung nicht wieder zuerkennt.

mosaik: Was hat sich nun aber geändert?

Birgit Einzenberger: Es können jetzt wesentlich mehr Fälle in einem beschleunigten Verfahren abgewickelt werden. Man hat zwei neue Tatbestände eingeführt: Wenn eine Person sich weigert, die Fingerabdrücke abzugeben und wenn jemand eine „Gefahr für die öffentliche Ordnung“ darstellt. Vor allem Letzteres kann sehr breit ausgelegt werden. Den besten Rechtsschutz bietet eine automatische aufschiebende Wirkung. Wenn diese erst gerichtlich geprüft werden muss, sind jene, die eine schlecht formulierte Beschwerde einbringen oder keinen guten Rechtsbeistand haben, klar im Nachteil.

Menschen fallen aus der Grundversorgung, wenn ihrem Antrag keine aufschiebende Wirkung zugesprochen wird. Die Grundversorgung ist aber notwendige Voraussetzung für ein faires Asylverfahren und ganz klar ein humanitäres Menschenrecht. Auf einer Bank im Stadtpark kann ich keine Post empfangen, mich nicht ausschlafen oder vorbereiten. Es ist fraglich, ob diese Regelung EU-rechtlich überhaupt kompatibel ist und der Grundrechte-Charta entspricht.

mosaik: Was sind die speziellen Auswirkungen der Novelle auf minderjährige Asylsuchende?

Birgit Einzenberger: Bei der Erstbefragung von unter 14-Jährigen ist künftig kein_e Rechtsberater_in anwesend. Das ist eine merkbare Schlechterstellung. UNHCR ist der Meinung, dass bei jeder Befragung ein_e Rechtsberater_in unterstützend zugegen sein muss. Das System in Bezug auf Minderjährige muss generell überdacht werden. Es kann nicht sein, dass man Minderjährige nach tagelanger Flucht sofort befragt und damit in eine massive Stresssituation bringt. Obwohl das Kindeswohl in den EU-Richtlinien mehrmals betont wird, fehlen diesbezügliche Änderungen in Österreich. Auch der rechtliche Schutz von Asylsuchenden mit Gewalterfahrungen ist zu schwammig, hier muss man nachschärfen.

mosaik: Bringt die Novelle eigentlich auch Verbesserungen?

Birgit Einzenberger: Eine Verbesserung durch die Asylrechtsnovelle ist die Einsetzung von Rechtsberatung bei Folgeanträgen. Hier hat österreichisches Recht bisher ohnehin gegen EU-Recht verstoßen, die Änderung war wichtig. Die wenigen Verbesserungen liegen generell in der rechtlichen Verankerung von Praxen, die schon bisher üblich waren.

mosaik: Wie stehen Sie zum Arbeitsmarktzugang für Asylwerber_innen?

Birgit Einzenberger: UNHCR spricht sich dafür aus, dass Asylsuchende nach sechs Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Die jetzige Beschränkung auf Saisonarbeit bedeutet de facto keinen Zugang.

mosaik: Zum Abschluss: Was sind die dringlichsten Probleme im österreichischen Asylsystem?

Birgit Einzenberger: Es lastet sicherlich großer Druck auf dem Asylsystem. Das liegt aber vor allem daran, dass es keine Möglichkeit der legalen Einreise für Migrant_innen gibt. Hier braucht es Lösungen. Es gibt für Flüchtlinge kaum Chancen, nach Österreich zu kommen. Die Verordnung Dublin III steht dem im Weg. Europa muss insgesamt mehr Flüchtlinge aufnehmen. Pro Jahr sind es gerade einmal 60.000 bis 80.000 Menschen, verglichen mit der weltweiten Flüchtlingszahl ist das sehr wenig.

Besonders wichtig ist uns die Gleichstellung von subsidiär Schutzberechtigten mit anerkannten Flüchtlingen. Auch Rechtsberatung muss früher und flächendeckend im Asylverfahren zur Verfügung stehen. Die Lebenssituation der Menschen vor Ort muss sich dringend verbessern. Monatelange Wartezeiten für Deutschkurse und extreme Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche sind untragbar. Asylwerbende sind vom gemeinnützigen Wohnbau ausgeschlossen. Versuchen Sie mal, mit der Mindestsicherung eine Wohnung auf dem freien Markt zu bekommen – ein Ding der Unmöglichkeit.

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