Wenn Schnösel auf die Straße gehen oder: die Identitären

Die Identitären sind, entgegen vieler Vermutungen, immer noch da. Das ist die schlechte Nachricht. Die noch schlechtere: Sie haben sich verstetigt und machen in regelmäßgen Abständen mit Aktionen auf sich aufmerksam. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Sie sind lange nicht dort, wo ihre großen Vorbilder sind. Und sie erfahren viel Gegenwind. Am 6. Juni wollen sie in Wien zum zweiten Mal eine rechtsextreme Demonstration abhalten.

Die Identitären sind eine rechtsextreme Jugendorganisation, die zur Neuen Rechten zählt. Diese zeichnet sich vornehmlich dadurch aus, dass sie sich nicht mehr vordergründig auf den Nationalsozialismus, sondern auf das Denken der „Konservativen Revolution“ beruft, ein Netzwerk von rechtsextremen Intellektuellen der Weimarer Republik. Am Nationalsozialismus kritisierten sie nicht die eigentliche Ideologie, sondern vor allem den Massenaspekt. Die „Konservative Revolution“ war ein Rechtsextremismus der Bessergestellten, der Eliten und Hochschulabsolventen. Genau diese Form des Rechtsextremismus erlebt aktuell eine neue Hochkonjunktur. Weil sich die Neue Rechte nicht in Parteien organisiert, sondern lieber mit ausgefeilten Kommunikationsstrategien hantiert, wird sie im öffentlichen Diskurs nicht als rechtsextrem erkannt. Dabei ist es hier wichtig, ganz genau hinzuschauen. Die Neue Rechte agiert in einem Mischspektrum aus offenem Rechtsextremismus und stark konservativem Spektrum. Politische Spektren haben keine starren Grenzen, sondern fließen ineinander. Daher existiert Rechtsextremismus nicht an irgendwelchen Rändern einer Gesellschaft, sondern mitten in ihr. Die Neue Rechte sitzt mit Anzug und Krawatte in Medienhäusern, Anwaltskanzleien und Universitäten. Sie hat beste und rasche Kontakte zu Zeitungen, Parteien und anderen Meinungsmacher_innen. Genau hier agieren auch die Identitären. Sie machen das rechtsextreme und gleichzeitig elitär-bürgerliche Gedankengut der Neuen Rechten nutzbar, um jüngere Zielgruppen zu erreichen.

Reconquista

Als wichtigstes ideologisches Merkmal fungiert der antimuslimische Rassismus. Dabei drehen die Identitären die Opferrollen schlichtweg um und inszenieren sich als eigentliche Opfer. Aber wovon eigentlich? Durch die bloße Existenz von Menschen muslimischen Glaubens fühlen sie sich diskriminiert. Genauso wie von Flüchtlingen, die in einer rassistischen Sprachstrategie mit Terror und Verbrechen gleichgesetzt werden. Denn in der Welt der Identitären gibt es nur eine Gruppe mit Daseinsberechtigung und das sind sie selbst: weiße, bürgerliche, heterosexuelle Männer mit Hochschulabschluss. Alle Anderen sind eben „das Andere“, das von ihrem Normaldasein abweicht. In dieser zutiefst antidemokratischen Vorstellung werden historische Ereignisse in „identitäre“ Kämpfe umgedeutet, die einen Auftrag für die Gegenwart darstellen. So sind die Identitären sich nicht zu blöd, sich positiv auf die Kreuzzüge zu beziehen oder „Europa, Jugend, Reconquista“ durch Wiens Straßen zu gröhlen.

Einschüchterungsversuche gegen Antifaschist_innen

Neu bei den Identitären im Vergleich zu den Schlaftabletten der Neuen Rechten davor ist, dass sie tatsächlich auf die Straße gehen und dort Aktionen machen. Hier muss man ganz klar von einer neuen Qualität im sich intellektuell gebenden Rechtsextremismus sprechen. Bei den Identitären geht das auf Kosten der Theoriearbeit, die, im Vergleich zu anderen Organisationen, deutlich abfällt. Dies kompensieren sie mit Einschüchterungsversuchen gegen Antifaschist_innen und Flüchtlinge, was dann doch wieder an Vorbilder aus der Neonaziszene erinnert. Dabei gehen sie marginal geschickter als eine NPD-Provinzorganisation Xy vor, denn sie werden nicht (immer) körperlich zudringlich. Vielmehr nehmen sich die Identitären Raum und wollen somit allen anderen klar machen, dass sie in diesem Raum nicht sicher sind. Diese symbolische Raumnahme funktioniert in Zusammenhang mit Flüchtlingen durch Transparent-Aktionen. In kleinen Dörfern mit Flüchtlingsunterkünften werden Transparente mit Sprüchen wie „Minderheit im eigenen Land“ oder „Asylwahn“ aufgehängt. Wahnsinnig mutig geschieht dies mitten in der Nacht, wenn die Täter keinerlei Konfrontation zu fürchten haben.

Antifaschist_innen, die ihre Tätigkeiten kritisch beleuchten und Aufklärungsarbeit betreiben, werden auf der Facebook-Seite der Identitären von ihren Fans gerne mit dem Tod bedroht. Sie selbst versuchen sich in Vorträge zu drängen und dort zu stören. Dabei werden Film- und Fotoaufnahmen angefertigt, die dann (wahrscheinlich durch „bloßen Zufall“) auf rechtsextremen Seiten landen, wo erneut Drohungen ausgesprochen werden. So geschehen in Graz am 11. Mai 2015, als sich eine Abordnung Identitärer in eine Buchvorstellung des VSStÖ Graz drängelte. Nachdem die Polizei sie, im Gegensatz zum Vorjahr, nicht hinaus gebeten hatte, drohte die Veranstaltung zu platzen. Eine weitere antifaschistische Veranstaltung des KSV nahm die Präsentation spontan auf. Die Identitären standen eine Zeit ratlos herum, offenbar um mit oben abzuklären, wie es denn nun weiter gehen sollte. Ihren gesamten Mut sollten sie erst eine geschlagene Stunde später zusammennehmen, da war die zweite Veranstaltung aber auch schon beendet und die Identitären zu spät für einen erneuten Störversuch. Trotzdem muss sich eine antifaschistische und linke Szene fragen, wie sie auf Provokationen der Identitären zukünftig reagieren möchte, auch wenn einzelne Gestalten gar lächerlich wirken.

Rassistischer Aufmarsch am 6. Juni

Schon letzes Jahr veranstalteten die Identitären eine Demostration in Wien, das im rechtsextremen Duktus als „Frontstadt im Abwehrkampf gegen den Islam“ gilt. Damals brachten sie einen kleinen Haufen (ca. 100 Leute) Rechtsextremer zusammen. Es bleibt zu befürchten, dass es heuer ein paar mehr werden könnten. Hauptsächlich setzte sich die Mini-Demo aus Identitären verschiedener Länder, etwa Frankreich und Deutschland, zusammen. Spannend ist, dass wohl eine Abordnung des Blocco Studentesco aus Italien da war. Der Blocco Studentesco ist die Schüler_innen-Organisation der neofaschistischen CasaPound, dem erfolgreichsten rechtsextremen Jugendprojekt Europas. CasaPound gilt als extrem gewaltbereit und pflegt beste Kontakte zu den Neonazis der Goldenen Morgenröte aus Griechenland. Im Video von Vice gibt es auch Interviews mit eher klassischen Glatzenträgern, die gar nicht recht wussten, worum es eigentlich geht, aber angerufen wurden, „weil die Rechten da sind.“ Es zeigt sich, dass der Identitären-Aufmarsch personell kaum anders als Pegida oder andere rassistische Zusammenrottungen aufgestellt ist. Deswegen ist es jedes Mal aufs Neue wichtig, dass sich alle Antifaschist_innen an Gegenmaßnahmen beteiligen.

Natascha Strobl ist Redakeurin bei Mosaik, Antifaschistin, bei Offensive gegen Rechts aktiv und betreibt den Blog schmetterlingssammlung.net.

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