Sie erraten nie, wer die Steuerreform finanziert

Hannah Weick über eine Steuerreform mit fehlender Gegenfinanzierung und jene, die den „großen Wurf“ am Ende zahlen werden: die Arbeitslosen.

Denken wir die Sache einmal vom Ende her und blicken wir, hoffnungsfroh, aber realistisch, ins Jahr 2017. Was wird bis dahin passieren? Die Sache liegt ja eigentlich recht klar auf der Hand: Das Ausmaß der entfallenden Einnahmen durch die Steuerreform beträgt € 5 Mrd. Die Gegenfinanzierung steht – insbesondere bei den Positionen Steuerbetrug und Verwaltungsreform – auf ziemlich wackeligen Beinen. Und das ist noch vorsichtig formuliert. Das WIFO prognostiziert mit 0,5 Prozent BIP-Wachstum für heuer, 1,1 Prozent und 1,4 Prozent für die beiden folgenden Jahre keine wirkliche konjunkturelle Erholung. Da die Steuerreform 2016 in Kraft treten soll, wird es spätestens im selben Jahr eine Diskussion über Kürzungen geben, weil völlig klar werden wird, dass die Spar-Vorgaben der EU (Maastricht-Defizit, Fiskalpakt,…) nicht eingehalten werden können. Es wird eine ziemlich große Lücke zwischen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung zu Tage treten.

Höchste Arbeitslosigkeit seit 1950ern

Richten wir nun den Blick auf den Arbeitsmarkt. Laut WIFO wird die nationale Arbeitslosenquote von gegenwärtig 8,4 Prozent auf 9,4 Prozent im Jahr 2017 ansteigen. In absoluten Zahlen bedeutet das: statt bisher schon durchschnittliche 320.000 wird es dann im Schnitt 380.000 Arbeitslose in Österreich geben. Die Zahl der SchulungsteilnehmerInnen ist hier noch gar nicht beinhaltet. Eine derart hohe Arbeitslosigkeit hat es zuletzt Anfang der 1950er Jahre gegeben. Diese Entwicklung wird Auswirkungen auf das Arbeitsmarktbudget haben. Die Ausgaben für Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pensionszahlungen, Bildungskarenz, Altersteilzeit, etc., werden bis 2017 um ca. € 1 Mrd. auf € 6,5 Mrd. ansteigen. Auf einen Großteil dieser Leistungen gibt es gesetzliche Ansprüche, ganz im Gegensatz zu Förderungen im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Laut aktuellem Bundesfinanzrahmen wird das AMS-Budget für diese aktiven Maßnahmen im selben Zeitraum um ca. € 280 Mio. auf € 880 Mio. zurückgehen. Das liegt nicht zuletzt an der unklaren Finanzierungslage für die „Beschäftigungsinitiative 50+“ (diese wurde nur bis 2016 im Budget explizit vorgesehen). Insgesamt geht es hier aber vor allem, um Kurse zur Verbesserung der Qualifikationen, Beschäftigungsprogramme, Lohnsubventionen. Damit wird sich der Anteil der Arbeitslosen, die diese Förderungen in Anspruch nehmen können, von gegenwärtig ca. 40 Prozent auf ca. 25 Prozent beinahe halbieren. Dies ist in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit genau die falsche Strategie: In einer solchen Situation sollte mehr anstatt weniger getan werden, um Arbeitslose wieder rasch in einen Job zu vermitteln. Auch hier gilt: wer rasch hilft, hilft doppelt, denn so entsteht Langzeitarbeitslosigkeit mit all ihren Folgen erst gar nicht.

Denen oben geben, den Arbeitslosen nehmen

Der Finanzminister wird also spätestens 2016 nur allzu deutlich bemerken, dass ihm sein Budget aus dem Ruder läuft. Was machen konservative FinanzministerInnen in einer solchen Situation normalerweise? Sie denken daran, wie die „Ausgabendynamik eingebremst“ werden kann. Da unter dem Titel „Bekämpfung des Sozialbetruges“ gegenwärtig relativ viele Maßnahmen auf Unternehmerseite ansetzen, ist klar, was die Stoßrichtung etwa des ÖVP-Wirtschaftsbundes, der Industriellenvereinigung und ihrer Think Tanks sein wird. Im Bereich der Mindestsicherung und des Arbeitslosengeldes müssen ebenfalls Einsparungen vorgenommen werden, wird es heißen. Die „soziale Hängematte“ wird dann wieder einmal strapaziert werden. Weil die Ausgabendynamik dort am größten ist, wird also ins Leistungsrecht „hineingeschnitten“ werden, um die gesetzlichen Ansprüche, etwa beim Arbeitslosengeld und bei der Notstandshilfe, zu vermindern. Andererseits ist eine intensivere Diskussion über die Effektivität und Effizienz von AMS-Maßnahmen zu erwarten. Dem wäre unter anderen Umständen durchaus etwas abzugewinnen (Stichwort: Sinnlos-Kurse), aber nicht sinnvoll ist diese Diskussion unter reinen Einsparungsgesichtspunkten.

Damit bleibt wohl die Schlussfolgerung: Von der Steuerreform am meisten profitieren die oberen Einkommensgruppen, bezahlt werden wird diese Umverteilung von unten nach oben – nicht zuletzt – von Arbeitslosen. Hut ab, Sozialdemokratie!

Hannah Weck ist Ökonomin und lebt in Linz.

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