Schwarz-Blau in Oberösterreich: Ein Angriff auf Eltern und Familien

ÖVP und FPÖ präsentieren sich gerne als Familienparteien. Doch die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich kürzt jetzt ausgerechnet bei der Familienpolitik. Für Kinderbetreuung werden neue Gebühren eingeführt, Bildungsangebote für Familien sollen gestrichen werden. Eltern, die sich darüber beschweren, werden von Politikern öffentlich verhöhnt. Kristina Botka berichtet, wie die rechte Regierung in Oberösterreich gegen ihre eigene Zielgruppe vorgeht. 

Dass eine schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich harte Zeiten bedeuten würde, das stand außer Frage. Viele Leute meiner Generation wurden im Jahr 2000 politisiert, als die erste schwarz-blaue Bundesregierung angelobt wurde. Wir haben die ersten Flyer verteilt und demonstriert. Wir haben Zitate von Jörg Haider gesammelt, damit unsere Mitschülerinnen entsetzt und mit ÖVP-wählenden Großeltern gestritten. Die Regierungsmitglieder mussten angesichts der großen Proteste unterirdisch zur Angelobung gehen.

Aber irgendwann waren die Skandale regierungsnaher Personen kein Aufreger mehr. Die Grenze des politisch Sagbaren verschob sich immer mehr nach rechts. Jeder Wahlkampf brachte ein Stück mehr rechte Normalität in den Sprachgebrauch. Vor Jahren übermalten wir noch Plakate, auf denen Slogans wie „Pummerin statt Muezzin“ standen. Inzwischen ist eine ganze Generation Wahlberechtigter mit rechtsradikalen Slogans aufgewachsen.

Offensive Kürzungspolitik

Was jetzt in Oberösterreich passiert, ist aber neu. Bisher versuchten Schwarz und Blau, ihre eigentlichen politischen Ziele durch „Neusprech“ à la 1984 zu vertuschen: Argumente wurden verdreht, die Änderungen heimlich durch die Hintertür umgesetzt.

Nun stellen sich Landeshauptmann Stelzer (ÖVP) und sein Stellvertreter Haimbuchner (FPÖ) dagegen hin und vermitteln selbstbewusst wie nie: Wir kennen zwar die Bedürfnisse der Menschen, aber Rücksicht auf sie nehmen wir keine. Denn sie entsprechen nicht unserer Ideologie. ÖVP und FPÖ machen offensiv Politik, die die Massen der OberösterreicherInnen – die „eigenen“ WählerInnen also – in ihrem Leben drastisch beschneidet.

„I scheiß auf eich – weil i’s konn“

Als Oberösterreich 2016 den letzten Platz beim „Ranking der Langzeitöffnung“ der Kinderbetreuungseinrichtungen belegte, meinte der damalige Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) noch: Das liege eben daran, dass den OberösterreicherInnen die Kinderbetreuung so wichtig sei, dass sie diese Aufgabe gerne selber übernehmen und nicht nur in staatliche Hände legen würden.

2017 klingt das schon anders. Als in der oberösterreichischen Familienstudie 44 Prozent der Befragten ein Bedürfnis nach mehr Unterstützung der öffentlichen Hand bei der Kinderbetreuung äußern, meint der Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ): „Ein Angebot zur Verfügung zu stellen kostet viel Geld. Und wer glaubt, dass sich das alles immer ausgeht, der kann nicht rechnen”. Und weiter: „Der Staat ist nicht in erster Linie für Kinderbetreuung zuständig. Es gibt auch eine Eigenverantwortung.“ Bezugnehmend auf das bevorstehende Aus des Gratis-Kindergartens in Oberösterreich kritisiert Haimbuchner die „Gratis-Gesellschaft“.

Kein Schönreden, keine Verstecken hinter komplizierten Gesetzestexten, kein Neusprech. Auf gut Oberösterreichisch kann Haimbuchners Haltung zusammengefasst werden als: „I scheiß auf eich, weil i’s konn!“

Gebühren für Nachmittagsbetreuung

Ein weiteres Beispiel: Noch 2016 initiierte die damalige Frauenlandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) die Frauenstrategie „Frauen.Leben 2030“, die jetzt ihre Nachfolgerin Christine Haberlander (ÖVP) weiter verfolgt. Eine Zwischenanalyse der Strategie kommt zu dem Schluss: „Mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung und bei den Arbeitszeitmodellen ist folglich die wichtige Forderung der Frauen, um Familie und Beruf zu vereinbaren.“ Doch was macht Haberlander? Sie führt Gebühren für die Nachmittagsbetreuung in Kindergärten ein!

Damit wird für Eltern nicht einfach nur das Leben teurer, wie eine betroffene Mutter in ihrem offenen Brief an Landeshauptmann Thomas Stelzer schreibt: „Diese Gebühr kostet … keine 50 oder 100 Euro, sie kann mich meinen Job kosten.“

Christiane Seufferlein, deren Brief in der letzten Woche medial Wellen schlug, erklärt weiter: „In unserem Kindergarten gäbe es mit Gebühren keine Nachmittagsbetreuung mehr, weil wir die erforderlichen 10 Kinder nicht zusammenbringen. Der Platz bei der Tagesmutter, den wir sogar hatten, ist weg. Bei Öffnungszeiten von 7:00 bis 12:00 ist es für mich unmöglich, weiter meinen Job in Linz auszuüben, da ich insgesamt knappe 3 Stunden Fahrtzeit pro Tag habe. Die Einführung dieser Maßnahme mit Jahresbeginn nimmt mir jede Möglichkeit, mich auf die neue Situation einzustellen oder Alternativen zu suchen.“

Gegen die eigene Zielgruppe

Besorgte Eltern werden verhöhnt („Gratismentalität“) und auf breiter Ebene im Stich gelassen – denn auch andere Budgetkürzungen im Sozialressort zielen auf sie ab. Die Parteien, die so sehr „für unsere Familien“ sprechen wollen, verursachen nun nämlich auch noch das Aus der Elternbildung in Oberösterreich.

Die 114 bisher geförderten Elternseminare der Kinderfreunde Oberösterreich wurden gänzlich gestrichen – obwohl sie etwa 1.200 Familien jährlich erreichen. So unmissverständlich wurde noch nie gegen die eigene Zielgruppe vorgegangen: Eltern und Familien galten bisher im öffentlichen Bild kaum als die großen Schmarotzer.

Das Private muss politisch bleiben

Stimmt die Analyse, dass Oberösterreich gerade als Versuchsreihe herhalten muss, um Wege für die (Familien-)Politik auf Bundesebene zu ebnen, dann genügt es nicht einfach, sich „warm anzuziehen“. Denn so, wie sich das politisch Sagbare immer mehr nach rechts verschiebt, so verschiebt sich durch diese Politik auch die Idee, wie Familie in diesem Land gelebt werden soll.

Das betrifft nicht nur Gruppen, die nicht den schwarz-blauen Werten entsprechen – wie  Alleinerziehende, Patchwork- oder Regenbogenfamilien. Das betrifft auch Familien, die im Sinne des Wertekanons der ÖVP alles „richtig“ gemacht haben: Ich bin verheiratet, habe eine gute Ausbildung, einen guten Job, ein Kind und damit eine künftige Steuerzahlerin in die Welt gesetzt und vor zwei Jahren ein Haus gekauft – eine Maßnahme, die von ihrem Parteichef Sebastian Kurz ausdrücklich zur Vermeidung von Altersarmut empfohlen wird. Wir waren guter Dinge mit zwei Einkommen all das finanzieren zu können“, so Christiane Seufferlein.

Wenn Schwarz-Blau Familienbilder, die erst langsam vielfältiger werden, zurückdrängt, eröffnet das einen neuen Schauplatz im politischen Kampf. Und der betrifft uns alle: Einmal mehr in der Geschichte soll das Politische ins Private gedrängt werden.

Am 23. November ruft ein Bündnis aus Gewerkschaften und BetriebsrätInnen zum Protest gegen die schwarz-blaue Kürzungspolitik im Sozial- und Familienbereich auf. Die Kundgebung beginnt um 16 Uhr auf der Linzer Promenade vor dem Landhaus.

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