Vier Beispiele für medialen Sexismus und Rassismus bei Olympia

Menschen, die nicht weiß und männlich sind, müssen im Alltag so einiges über sich ergehen lassen. Insbesondere dann, wenn frau in der Öffentlichkeit steht, ist die Belastung besonders stark. Auch Athletinnen bei den Olympischen Spielen wurden zum Opfer von Alltagsrassismen und –sexismen, wie diese vier Beispiele zeigen. Barbara Stefan zieht eine alternative Bilanz zu den Spielen in Rio de Janeiro.

1. Katinka Hosszú hat Gold ihrem Mann zu verdanken

Olympia Katinka Hosszu
Foto: Flickr/Jean-Claude Mouton

Als Katinka Hosszú am Beckenrand anschlägt, jubelt die ganze Halle. Die Ungarin holt nicht nur Gold im 400-Meter-Lagenschwimmen, sondern stellt auch gleich einen neuen Weltrekord auf. Doch die Kamera des US-Senders NBC verharrt nur kurz auf Hosszú. Nach wenigen Sekunden schwenkt sie auf ihren jubelnden Coach und Ehemann Shane Tusup. „Und das ist der Mann, der dafür verantwortlich ist, dass Katinka Hosszú, seine Frau, eine völlig neue Schwimmerin geworden ist“, sagt der NBC-Kommentator. Zurecht folgt ein Sturm der Entrüstung von FeministInnen, auf welche der Kommentator jedoch nüchtern erwidert: „Es ist unmöglich, Katinkas Geschichte korrekt zu erzählen, ohne Shane die angemessene Anerkennung zu zollen.“

Derartig viel Aufmerksamkeit für die Rolle des Trainers oder der Trainerin ist bei männlichen Schwimmstars, etwa Michael Phelps, undenkbar. Die Beurteilung von Frauen über ihren Beziehungsstatus und dessen Einfluss auf ihren Erfolg oder Misserfolg war kein Unikum. Ähnlich erging es auch der Schützin und Bronze-Gewinnerin Corey Cogdell, die als Ehefrau eines Footballspielers bezeichnet wurde.

2. Joanna Maranhão wagt es, sich gegen Vergewaltigungs-Drohungen zu wehren

Olympia Joanna Maranhao
Foto: Flickr/Jean-Claude Mouton

Die brasilianische Schwimmerin Joanna Maranhão wurde als Kind von ihrem Trainer sexuell missbraucht. Als junge Erwachsene verklagte sie den Täter und gründete eine NGO, die Sexualerziehung für Kinder anbietet. Als Folge von Maranhãos Engagement wurde sogar ein neues Gesetz verabschiedet, das ihren Namen trägt und die Verjährung von sexuellem Missbrauch bis zum Alter von 18 Jahren ausdehnt.

Dieses Jahr äußerte sich Joanna Maranhão kritisch gegen das umstrittene Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff sowie gegen den vorherrschenden Machismus und Rassismus in Brasilien. Nachdem sie bei den Olympischen Spielen in keinem Schwimmbewerb das Finale erreicht, toben jedoch rechte Medien und soziale Netzwerke. In einem Shitstorm wünschen ihr Menschen den Tod ihrer Mutter, Vertreibung aus dem Land, behaupten ihre Geschichte sei eine Lüge und ersehnen für sie, in Anspielung auf den Missbrauch als Kind, sogar die Vergewaltigung. Als Maranhão ankündigt, gegen die schlimmsten Drohungen gerichtlich vorzugehen, wird sie von rechten Medien erneut attackiert. Eine TV-Kommentatorin meint, dass sie mit den „negativen Kommentaren“ hätte rechnen müssen. Schließlich benütze sie ihre Ideologie und Utopie dafür, ein ganzes Land falsch zu repräsentieren. „Zum Glück vertritt sie nicht die ehrenvollen Brasilianer“, konkludiert die Journalistin. Anstatt die Gewalt und die Täter zu verurteilen, wird Maranhão erneut zum Opfer gemacht.

3. Gabby Douglas ist unpatriotisch und neidisch auf ihre Teamkollegin

Olympia Gabby Douglas
Foto: TYT/Screenshot

Die US-Frauschaft im Turnen gewinnt Gold im Teambewerb. Als bei der Preisverleihung die Nationalhymne eingespielt wird, legen die Sportlerinnen die Hand aufs Herz – alle, bis auf Gabby Douglas (siehe Foto). In den sozialen Medien bricht ein Shitstorm los. Douglas sei respektlos und unpatriotisch, lautet der Vorwurf. Als sie erklärt, sie sei schlicht vom Moment überwältigt gewesen und sogar um Entschuldigung bittet, erklärt ein Kolumnist der LA Times sie sogar für unglaubwürdig, denn ihr Gesicht sei ausdruckslos und nicht von Emotionen gezeichnet gewesen.

Damit nicht genug: An Gabby Douglas wird jede Kleinigkeit kritisiert. Sie sei übertrieben geschminkt oder zu wenig frisiert, heißt es. Das Onlineportal hollywoodlife.com bezeichnet Douglas schließlich sogar als „unsportlich“, weil sie sich über den Goldmedaillen-Erfolg einer Teamkollegin nicht ausreichend gefreut hätte, und unterstellt ihr Neid. „Es muss ihr wehgetan haben, an der Seitenlinie zu sitzen und dabei zuzuschauen, wie jemand anderes neuer Champion wird, […] aber sie hätte zumindest ein bisschen Freude heucheln können.“

4. Rafaela Silva soll dem Rassismus dankbar sein

Olympia Rafaela Silva
Foto: France24/Screenshot

Die brasilianische Judoka Rafaela Silva stammt aus der „Stadt der Götter“, einer von Drogenkrieg und Armut gebeutelten Favela. Aufgewachsen in allerärmsten Verhältnissen, musste sie ihr Leben lang gegen Rassismus kämpfen. Bei den Olympischen Spielen in London 2012 wurde Silva wegen eines unerlaubten Griffs disqualifiziert. Als Reaktion brach in Brasiliens Medien und sozialen Netzwerken ein Shitstorm gegen sie los. „Der Platz für Affen ist in ihrem Käfig“, lautete die wohl widerlichste Meldung.

In Rio, vier Jahre später, gewinnt Silva Gold – als erste Brasilianerin im Turnier. Die einheimische und internationale Presse jubeln. Von offenen Beleidigungen ist jetzt nichts mehr zu lesen oder hören, doch der Rassismus in der Berichterstattung bleibt: „Der Rassismus hat das golden girl zur Großartigkeit motiviert“, schreibt die Agentur Reuters. „Rafaela Silva hat den Rassismus besiegt“, titelt die brasilianische Boulevardzeitung O Globo. Der Rassismus ist jedoch nicht besiegt und besteht weiter; und Rafaela Silva hat es ganz sicher nicht wegen, sondern trotz Rassismus, Sexismus und Armut geschafft, erfolgreich zu sein.

Fazit: Es geht um Disziplinierung

Die Olympischen Spiele zeigen, dass die Kämpfe um das, was gesellschaftlich und moralisch richtig ist auf den Rücken derer ausgetragen werden, die nicht männlich und weiß sind. Anstatt Sportlerinnen an ihren sportlichen Leistungen zu messen, werden sie zum Objekt politischer und sozialer Auseinandersetzungen gemacht. Sie müssen sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, aussehen und eingliedern, um als gleichwertige Menschen angenommen zu werden. Bei „Fehlern“ – ob eine sportliche Niederlage, eine bestimmte Frisur, zu viel oder zu wenig Make-Up oder eine politische Stellungnahme – werden sie öffentlich an den Pranger gestellt. Die öffentliche Kritik und Bewertung dient dazu, Frauen und Nicht-Weiße zu disziplinieren – und ihnen ein „korrektes“ Verhalten und Aussehen vorzugeben.

Barbara Stefan ist Politikwissenschaftlerin und schreibt derzeit an ihrer Dissertation zum Thema soziale Bewegungen.

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