Wahlen in der Steiermark: „Reformpartnerschaft“ abgestraft

Mit gewaltigen Verlusten für SPÖ und ÖVP und erdrutschartigem Zugewinn für die FPÖ gingen die Wahlen zum Steiermärkischen Landtag vom Sonntag zu Ende. Warum sich der Protest nahezu ausnahmslos in Zugewinnen für die Freiheitlichen ausdrückte, ist wohl die wesentlichste Frage nach dem Wahlabend. Die Grünen legten leicht zu, während es für die KPÖ hauchdünn zum Wiedereinzug in den Landtag reichte. Was bedeutet dieses Ergebnis für die Steiermark, für den Bund und für die Linke da wie dort?

Am Ende wiederholte sich das Szenario von 2010. Analog zu den Landtagswahlen vor fünf Jahren entschied die SPÖ erst mit einem vergleichsweise starken Ergebnis von 29 Prozent (minus 3 Prozent) in Graz das Rennen um Platz Eins für sich. Ebenso in Graz sicherte sich die KPÖ den Wiedereinzug und damit den Fortbestand der Partei in ihrer jetzigen Form. Das Zittern dauerte diesmal länger als vor fünf Jahren. Erst am Montag Nachmittag, nach Auszählung der Wahlkarten, stand das Erreichen des Grundmandats im Wahlkreis 1 (Graz und Graz-Umgebung) schließlich fest.

Landesweit verloren SPÖ (29%) und ÖVP (28%) 18 Prozentpunkte. So viel, wie noch nie zuvor in der 2. Republik. Die selbsternannte „Reformpartnerschaft“, ein von der bürgerlichen Journaille bejubeltes und ganz Österreich zum Vorbild angeratenes Austeritätsmodell ist damit abgestraft worden. Einziger Profiteur sind die Freiheitlichen. Mit einem Plus von rund 16 Prozentpunkten landen sie knapp hinter den Regierenden an dritter Stelle. Die Grünen steigern sich ihrerseits leicht auf 6,4 Prozent, die KPÖ gibt 0,2 Prozentpunkte ab und landet bei 4,2 Prozent. NEOS und Team Stronach, und das ist auch schon das Erfreulichste am gestrigen Ergebnis, verpassen den Einzug deutlich.

Protest geht nach rechts

Warum sich der Protest nahezu ausnahmslos in Stimmenzuwächsen für die Freiheitlichen ausdrückte, ist wohl die wesentlichste Frage nach dem Wahlabend. Eine, über die sich insbesondere die KPÖ Gedanken machen muss.
Mit einer im Vergleich zur FPÖ sehr defensiven Kampagne, die den Wähler/die Wählerin individuell adressierte (symbolhaft gemacht durch einen Rettungsring mit Partei-Emblem als zentralem Sujet) gelang es offenbar nicht, den Protest gegen die Kahlschlagpolitik von SPÖ und ÖVP auf sich zu ziehen. Mehr noch fehlte es an einer konsistenten Gegenerzählung zur Alternativlosigkeit des Kürzens. Dabei hätte das Beispiel des im letzten Jahr mit den Stimmen der KPÖ mitbeschlossenen Grazer Budgets, eine solche bereit gehalten.
Eine Zuspitzung der sozialen Frage und eine bewußte, mithin aggresive Polarisierung zwischen „denen, oben“ und „uns, unten“ hätten es womöglich vermocht, das Profil der KPÖ als sozialer Protestpartei zu schärfen. Und: Auch die KPÖ wird lernen müssen, dass sie von Zurückhaltung in einem polarisierten, rassistisch aufgeladenenen Wahlkampf, nicht profitieren kann. Die Zustimmung der KPÖ-Landtagsfraktion zur Einsetzung einer Kommission, die den „Tatbestand“ der „Integrationsunwilligkeit“ ausloten soll, vom Jänner dieses Jahres hätte unter keinen Umständen passieren dürfen. Stattdessen wäre – auch auf Kampagnenebene – ein klar formulierter antirassistischer Klassenstandpunkt notwendig gewesen. Aus Überzeugung und als mobilisierendes Motiv.

Aus der Defensive

Bereits am Wahlabend haben Franz Voves und Hermann Schützenhöfer, Ersterer entgegen der Ankündigung bei einem Ergebnis unter 30% zurückzutreten, ihren Verbleib in der Landespolitik und die Fortsetzung der bisherigen Arbeit angekündigt. Aus der „Reformpartnerschaft“ soll eine „Zukunftspartnerschaft“ werden. Gleichkommen wird das einer verschärften Kürzungspolitik, die insbesondere die Filettierung des Spitalswesens am Plan hat. Schon im Herbst, wenn die Eckpunkte des nächsten Landesbudgets präsentiert werden, sollte Klarheit über das Ausmaß der Kürzungen herrschen. Wenn es soweit ist, wird es die KPÖ brauchen – als Verbindungsglied zu den Betroffenen und als Ermutigerin für jene, die kollektiv Widerstand leisten wollen.

In die Offensive

Es braucht sie aber nicht nur in der Steiermark. Angesichts der Zugewinne für die Freiheitlichen, ist es höchste Zeit, dass die Reorganisation einer bundesweiten, handlungsfähigen Linken in die Gänge kommt – mit der KPÖ Steiermark als einer zentrale Akteurin. Der Umstand, dass es immerhin in einem von neun Landesparlamenten eine Kraft links von SPÖ und Grünen gibt, reflektiert auch auf die Linke jenseits des Semmerings (Franz Parteder hat darüber an dieser Stelle schon ausführlicher geschrieben). Und zwar zu ihrem Vorteil. Die KPÖ Steiermark ihrerseits muss die Grenzen der bundespolitischen Bedeutungslosigkeit überwinden, will sie nicht bei jeder Wahlauseinandersetzung auf kommunaler oder Landesebene von Neuem erklären müssen, warum es Sinn macht, sie zu wählen.

Eine solche Annäherung würde den unterschiedlichen Segmenten der österreichischen Linken freilich einiges abverlangen: Die Schaffung verstetigter Kommunikationsprozesse, die Institutionalisierung von Foren der Verständigung und des Austauschs und die Erprobung einer gemeinsamen Praxis. Trotz so mancher Vorbehalte, trotz unterschiedlicher Traditionen und ja, auch trotz vorhandener Differenzen. Alles andere aber, und das gilt heute mehr noch, als es dies vor den Wahlen vom Sonntag getan hat, wäre wirklich Quark.

Samuel Stuhlpfarrer ist hauptberuflich in der politischen Erwachsenenbildung tätig. Daneben schreibt er in regelmäßiger Unregelmäßigkeit für die in Berlin erscheinenden Tageszeitungen Neues Deutschland und junge Welt.

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