Kerns CETA-Umfaller nützt nur Hofer (und Konzernen)

Die SPÖ hat entschieden: Sie macht den Weg frei für CETA. Damit stellt sie sich nicht nur gegen die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung, sondern auch einmal mehr gegen die eigene Basis. Kerns Umfaller hat weitreichende Konsequenzen – nicht nur in handelspolitischen Fragen, sondern auch für die österreichische Innenpolitik und die kommende Wahlauseinandersetzung zwischen Norbert Hofer und Alexander van der Bellen. 

Nach dem heutigen Parteipräsidium der SPÖ verlautbarte Christian Kern, Österreich werde „den Ratifizierungsprozess nicht behindern“. Die österreichische Sozialdemokratie stimmt damit der vorläufigen Anwendung des weitreichenden Handels- und Investitionsankommens mit Kanada (CETA) unter bestimmten Bedingungen zu. Kern hat damit die wichtige Chance vertan, ein Signal zu setzten und eine Debatte über die neoliberale Ausgestaltung der Europäischen Union und die negativen Effekte der Globalisierung auf ArbeitnehmerInnen zu starten. In der zugespitzten Entscheidung „oben“ gegen „unten“ hat sich Kern klar entscheiden: er steht auf der Seite der exportorientierten Kapitalfraktionen. Das bringt Nobert Hofer ein gutes Stück näher zur Hofburg.

Was ist CETA?

Das Ziel von CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement“) ist die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und Kanada. Es umfasst neben der Reduktion von Zöllen auch Investitionsschutz und Investitionsschiedsgerichte, Liberalisierung von Dienstleistungen, öffentliche Auftragsvergabe und geistige Eigentumsrechte. Den Lohnabhängigen in Österreich bringt das Abkommen im besten Fall so gut wie gar nichts. Österreichische Löhne werden durch CETA maximal 0,016 Prozent steigen. Christian Kern kennt diese Zahlen nur zu gut – er selbst erklärte damit seine ablehnende Haltung. CETA nützt nur großen, exportorientierten Konzernen, die so ihre politische Macht ausbauen und ihren Profit maximieren wollen. Außerdem hat das Abkommen negative Auswirkungen auf soziale Rechte, Umweltschutz und die nachhaltige Landwirtschaft, Finanzdienstleistungen, die Gestaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie auf die Demokratie. Auch der von Kern verlangte „Beipackzettel“ ändert nichts an der grundsätzlichen Ausrichtung von CETA. Die Zusatzerklärung ist nur Kosmetik und, so argumentiert der Europarechtsexperten Walter Obwexer, rechtlich nicht bindend.

Darüber hinaus gilt CETA als Blaupause oder Probelauf für TTIP, das erklärt auch das hohe Engagement von Unternehmensverbänden und der EU-Kommission. Wird CETA in der vorliegenden Fassung ratifiziert, wird es nicht möglich sein, anderslautende Inhalte mit den USA in TTIP zu verhandeln. Wenn Kern TTIP kritisiert, aber CETA durchwinkt, ist er unglaubwürdig. 

Stimmung gegen CETA

Seit Jahren mobilisieren Nichtregierungsorganisationen gegen die Abkommen TTIP und CETA und weisen auf die Gefahren durch die weitreichenden Vereinbarungen hin. Auch die Basis der SPÖ zeigt sich skeptisch: Von den 14.387 Mitgliedern und 9.343 Nicht-Mitgliedern sprachen sich 88 bzw. 89 Prozent gegen eine vorläufige Anwendung von CETA aus, 92 Prozent sind gegen die Sonderklagsrechte für Unternehmen Kern übergeht mit seiner Entscheidung nicht nur soziale Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen, die eigene Parteibasis sowie die Parteijugend, sondern auch weite Teile der österreichischen Bevölkerung. Studien zeigen, dass 58 Prozent der Befragten CETA ablehnen.

Kern äußerte in der Öffentlichkeit bisher weitreichende Kritikpunkte:. Wenn man seine bisherigen Aussagen beim Wort nehmen würde, dürfte ein Ja zu CETA keine Option sein. Heute argumentierte er, wie wir es von abgehobenen PolitikerInnen schon lange kennen, nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Nun heißt es, bei der Entscheidung gehe es um die „Reputation“ Österreichs und um den „Wirtschaftsstandort“ . Dafür opfert er die eigene Glaubwürdigkeit und die seiner Partei. Kerns Erklärung ist entlarvend: Für die SPÖ ist die neoliberale Konkurrenz der nationalen Standorte, die ArbeitnehmerInnen unterschiedlicher Länder gegeneinander ausspielt, offenbar wichtiger als Demokratie und soziale Politik. Die Zustimmung zu CETA macht auch Kerns Kritik an der  Kürzungspolitik der Europäischen Union unglaubwürdig.

Das hilft nur Hofer

Dass Kern und die SPÖ CETA nun durchwinken schadet nicht nur der Glaubwürdigkeit von Christian Kern. Es zeigt auch, wie weit sich die SPÖ von einer demokratischen Partei entfernt hat. Die Befragung der Mitglieder scheint keinerlei Bedeutung zu haben. Darüber hinaus  hat die Entscheidung auch weitreichende Konsequenzen für die kommende Bundespräsidentenwahl. Am 28. Oktober soll das Abkommen auf dem Kanada-EU-Gipfel einstimmig unterzeichnet werden, Anfang 2017 ist die Abstimmung im EU-Parlament vorgesehen und im Laufe des kommenden Jahres sollen Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifizieren. Für Österreich bedeutet das, dass der Nationalrat sowie der Bundesrat CETA ratifizieren werden und der Bundespräsident dies unterzeichnen muss. Hofer versprach im Wahlkampf, CETA nicht „ohne direkt-demokratische Entscheidung“ zuzustimmen. Die heutige Entscheidung Kerns gibt Hofer die Möglichkeit, sich als Ritter in goldener Rüstung zu präsentieren. Denn der Freihandels-Fan Alexander van der Bellen, der erst für TTIP eingestanden war und nun „vorsichtig kritisch“ dazu steht, formuliert keine klare CETA-Ablehnung.

Kern hat sich für “oben” entschieden

Christian Kerns Umfaller bedeutet nicht nur, dass die Macht von Konzernen ausgebaut und ArbeitnehmerInnenrechte ausgehöhlt werden. Kern scheint die Bedeutung des Kampfes gegen CETA nicht verstanden zu haben. Mit einem Nein zu CETA hätte eine Debatte über die negativen Effekte der neoliberalen Globalisierung, über die profitorientierten Interessen von Reichen und Konzerne beginnen können. Der Widerstand gegen das Abkommen muss auch als Kampf gegen die Vertiefung des Neoliberalismus und gegen die Macht transnationaler Eliten verstanden werden, die sich abseits der Demokratie die Welt nach ihren Interessen einrichten. Kern stand vor der Entscheidung, sich auf die Seite der österreichischen (aber auch vieler europäischer und kanadischer) Gewerkschaften, der internationalen sozialen Bewegung und der ArbeitnehmerInnen zu stellen, oder auf jene der Interessen von großen Konzernen. Er hat sich für die Interessen der Eliten entschieden und dabei eine wichtige Chance vertan. Das Ja der SPÖ zu CETA könnte sich als das entscheidende Moment für die Wahl von Norbert Hofer und damit für den Umbau der Republik erweisen.

Autor

 
Nach oben scrollen