Jugendticket: Kürzungspolitik statt Recht auf Mobilität?

Nach der Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage durch die Familienministerin vor ein paar Tagen ist klar geworden: das Recht auf Mobilität für Studierende will die Regierung nicht finanzieren, für die Rettung von Banken ist aber genug Geld verfügbar. 

Im Arbeitsprogramm der aktuellen Bundesregierung wurde 2013 beschlossen, man wolle sich um die „Sicherstellung der Mobilität” (Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2013-2018) kümmern. Dazu gehört – so das Regierungsprogramm – auch die Ausweitung des Jugendtickets für den öffentlichen Verkehr für alle Jugendlichen in schulischer oder schulähnlicher Ausbildung. Explizit vorgesehen ist auch die Erweiterung des „tarifliche[n] Angebot[es] im öffentlichen Verkehr“ für Studierende. Finanziert werden sollte diese Ausweitung aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF), weshalb die Umsetzung in den Bereich des Familienministeriums fällt.

Besagter Budgettopf wird durch 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme von Arbeitnehmer_innen finanziert und durch Arbeitgeber_innen automatisch ans Finanzamt überwiesen. Selbstständige finanzieren den FLAF bisher nicht mit, haben aber Anspruch auf daraus finanzierte Zahlungen, etwa auf die Familienbeihilfe. Die Forderung der Sozialistischen Jugend und des Verbandes Sozialistischer Student_innen nach einem österreichweit gültigen, ganzjährigen Jugendticket um 60 Euro für alle steht schon lange auf der politischen Agenda – und das keineswegs unbegründet. Eine Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Auftrag der Österreichischen Hochschüler_innenschaft hat gezeigt, dass sich 20 Prozent der Studierenden die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel nicht selbst leisten können. So wird selbst der Familienbesuch zur großen finanziellen Belastung. Die große Nachfrage nach bereits bestehenden, weniger umfassenden Jugendtickets, verdeutlicht dies ebenfalls.

Am 21. Jänner 2015 haben einige Kolleg_innen aus der SPÖ-Parlamentsfraktion gemeinsam eine Parlamentarische Anfrage an die zuständige Familienministerin Sophie Karmasin gestellt. Sie fragen die Ministerin darin, wann mit der Umsetzung des Jugendtickets zu rechnen sei und was bereits getan wurde, um das Jugendticket für alle Jugendlichen in Ausbildung schnellstmöglich umzusetzen. Vor wenigen Tagen ist nun die Anfragebeantwortung durch Karmasin übermittelt worden. Das Schreiben macht deutlich, dass es in dieser Legislaturperiode aus Kostengründen nicht mehr zu einer Ausweitung der Anspruchsberechtigten kommen wird. Konkret argumentiert die Familienministerin: „[…] Mittel für neuerliche Leistungsausweitungen sind im Hinblick auf die bekannt straffen Vorgaben des BMF zum Budgetvollzug der nächsten Jahre nicht zu erwarten; allein die angestrebte Leistungsausweitung auf Studierende im Alter bis 24 Jahre würde aber bereits jährliche Mehrkosten von geschätzt 150 Mio. € verursachen.“

Die Ankündigung, das österreichweit geltende Jugendticket für Studierende nicht umzusetzen, steht zum einen im Widerspruch mit den Ankündigungen des Minister-Vorgängers und Vizekanzlers Reinhold Mitterlehner. Zum anderen verweist die Absage an die Förderung der Mobilität von Studierenden auf ein grundlegendes Problem aller „Verhandlungserfolge“ der SPÖ im aktuellen Regierungsprogramm. Auf der Seite 99 des Arbeitsprogrammes der Bundesregierung steht: „Sämtliche im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen – sofern sie zu Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen führen bzw. in den Ausgabenobergrenzen des Bundesfinanzrahmens keine Deckung finden – stehen unter Finanzierungsvorbehalt“. Das heißt, dass die Umsetzung jeder im Regierungsprogramm verhandelten Reform, die dem Staat direkt oder indirekt Geld kostet, nur dann erfolgt, wenn der vom Finanzministerium gesteckte Budgetrahmen eines Ministeriums dies zulässt. Die Konsequenzen dieses Absatzes sind weitreichend und im Hinblick auf die fehlende Gegenfinanzierung der Steuerreform verheerend. Die politische Entscheidung, wofür Geld ausgegeben wird und wofür nicht, darf nicht alleine von der neoliberalen Haushaltspolitik des Finanzministers getroffen werden.

Kein Einzelfall, sondern Kürzungspolitik

Das Ticket für alle Jugendlichen in schulischer oder schulähnlicher Ausbildung ist eine zentrale Forderung zur Umsetzung des Rechts auf Mobilität junger Erwachsener, unabhängig von Vermögen und Einkommen der Eltern. 3,6 Milliarden Euro wurden bisher von der Republik zur Rettung der Hypo ausgegeben. Im Vergleich zu den Summen, die das Hypodesaster letztendlich ausmachen wird, erscheinen die genannten 150 Millionen Euro für die Ausweitung des Tickets für Studierende bis 24 Jahren geradezu lächerlich. Das vorzeitige Ableben der Förderung der Mobilität von jungen Erwachsenen zeigt aber auch, welche Konsequenzen die fehlende Gegenfinanzierung der Steuerreform haben wird. Weil auf vermögenbezogene Steuern weitgehend verzichtet wurde, wird die Debatte um weitere Sparpakete zur Erreichung der engen Budgetziele, die der Fiskalpakt vorgibt, spätestens 2016 nach in Kraft treten der Steuerreform erneut aufflammen.

Dies wird den schnellen Tod für viele wichtige, wenn auch nicht ambitionierte, Reformvorhaben im Arbeitsprogramm der Bundesregierung bedeuten und vielleicht sogar zu weiteren Kürzungen im Bildungs-, Jugend- und Sozialbereich führen. Die SPÖ muss dafür sorgen, dass wichtige jugendpolitische Forderungen wie das Jugendticket rasch umgesetzt werden. Fehlende Finanzierung kann, in Anbetracht der unangetasteten Vermögensreserven der Reichen, kein Argument sein.

Daniela Holzinger ist Politikwissenschafterin und seit 2013 SPÖ-Abgeordnete zum Nationalrat und stellvertretende Bezirksvorsitzende der SPÖ Vöcklabruck in Oberösterreich.

Lucia Grabetz studiert Französisch und Deutsch auf Lehramt an der Universität Wien. Sie ist Spitzenkandidatin des Verbandes Sozialistischer Student_innen in Österreich für die ÖH-Wahlen 2015. Außerdem ist sie Sozialreferentin an der ÖH Bundesvertretung.

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