Identitäre: Zu extrem für die AfD, genau richtig für die FPÖ

In Deutschland zerreißt es gerade mehrere Landesverbände der „Alternative für Deutschland“ (AfD) – trotz bemerkenswerter Wahlerfolge und Umfragewerte. Ein wichtiger Streitpunkt ist das Verhältnis der AfD zu den „Identitären“. Das ist aus österreichischer Sicht durchaus verwunderlich. Hierzulande bekennt sich die FPÖ doch viel offener zu ihren Kameraden von den „Identitären“, ohne dass dies bislang Konsequenzen nach sich gezogen hätte.

Sympathien für die „Identitären“ gab es in der AfD schon lange. Schon 2014 bezeichnete Björn Höcke, Vorsitzender der AfD im Bundesland Thüringen, in einem Interview mit der neurechten Online-Zeitung Blaue Narzisse die AfD selbst als „identitäre Kraft“.

Den Identitären verbunden ist auch Hans-Thomas Tillschneider, wie Höcke am rechts-außen-Flügel der Partei angesiedelt und mittlerweile Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt. Tillschneider ist Vorstandsmitglied der „Patriotischen Plattform“, einem besonders rechten Zusammenschluss innerhalb der AfD. Er trat bei einer Studierendenorganisation der Identitären in Halle als Redner auf. Auch André Poggenburg, Vorsitzender AfD in Sachsen-Anhalt, hatte sich positiv zu den Identitären geäußert.

AfD und Identitäre: kompliziertes Verhältnis

Vor wenigen Wochen schließlich forderte die Patriotische Plattform auch offiziell eine engere Zusammenarbeit mit den „Identitären“: „Wir wünschen uns eine engere Zusammenarbeiten zwischen Identitärer Bewegung und AfD, denn auch die AfD ist eine identitäre Bewegung und auch die Identitäre Bewegung ist eine Alternative für Deutschland.“

Zu den Unterzeichner_innen dieser Erklärung zählte unteren anderen Dubravko Mandic, Mitglied des Landesschiedsgerichts der baden-württembergischen AfD ist. Dort hatte sich der AfD-Landesverband ebenfalls schon gespalten. Anlass waren antisemitische Äußerungen des Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, der daraufhin vom rechtsaußen-Flügel der Partei noch unterstützt wurde.

Doch nicht allen in der AfD behagt die Annäherung an die Identitären. In Sachsen-Anhalt veröffentliche die Parteibasis unter dem Titel „Ruf der Vernunft aus Sachsen-Anhalt“ einen offenen Brief, in dem sie eine Zusammenarbeit mit den Identitären deutlich ablehnte: „Wir wollen keine enge Zusammenarbeit mit Gruppen, die sich selbst noch nicht gefunden haben. Die Identitäre Bewegung ist solch eine Gruppierung. Sie besteht in Deutschland aus heterogenen Ideologien und wird in Teilen nicht ohne Grund vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie ist somit eine schwer einzuschätzende Gefahr für unsere bürgerliche Mitte.“ André Poggenburg, Vorsitzender des Landesverbandes, sah sich daraufhin genötigt, sich in einem Interview von den „Identitären“ zu distanzieren und Tillschneider von der „Patriotischen Plattform“ zu kritisieren.

FPÖ <3 Identitäre

Aus österreichischer Sicht wirken diese Vorgänge irritierend – denn hierzulande löst die Zusammenarbeit zwischen FPÖ und „Identitären“ keine solchen Verwerfungen aus. Das wiederum sagt einiges über die FPÖ aus – und wie mit ihr politisch und medial umgegangen wird.

Die FPÖ hielt sich die „Identitäre Bewegung“ von Anfang an warm – wobei die „Identitären“ in Österreich deutlich stärker sind als in Deutschland. So verteidigte Heinz-Christian Strache sie nach ihrer jüngsten, von Ausschreitungen begleiteten Demonstration im Juni in Wien. Schon zuvor fand er lobende Worte für den Überfall der „Identitären“ auf eine Theatervorstellung von Flüchtlingen im Audimax der Universität Wien. Der Angriff fand mitten im Bundespräsidentschafts-Wahlkampf und knapp vor dem potentiell größten Triumph der FPÖ statt – also zu einem Zeitpunkt, als die FPÖ eigentlich großes Interesse daran hatte, sich als „Kraft der Mitte“ darzustellen. Doch selbst in dieser Situation distanzierte sich der FPÖ-Kandidat Hofer zwar halbherzig, der Rest der Partei hält den „Identitären“ aber weiterhin die Stange.

Identitäre Gewalttäter

Bei den „Identitären“ handelt es sich nicht um einen skurrilen Spaßverein, sondern um eine rechtsextreme Organisation, deren Mitglieder immer wieder gewalttätig agieren. So überfielen ihre Funktionäre im Jänner in Graz Antifaschist_innen nach einer antifaschistischen Kundgebung

Fotos belegen den Üeberfall und zeigen auch, dass die Angreifer dabei einen Teleskopschlagstock als Waffe einsetzten. Obwohl ihre Namen sind bekannt und ärztliche Atteste der verletzten Opfer vorliegen, wurde das Verfahren gegen die „Identitären“ nun eingestellt.

Vielleicht ist es auch das, was den Unterschied zu Deutschland ausmacht: Rechtsextreme können sich hier nicht nur der Unterstützung einer großen politischen Partei sicher sein, sie können auch mit der Milde der Justiz rechnen. Dass dies kaum mehr jemanden aufregt, zeigt die Befindlichkeit des Landes deutlich auf

Julian Bruns und Natascha Strobl sind zusammen mit Kathrin Glösel AutorInnen eines Handbuchs zur Identitären Bewegung, das im Juni 2016 in zweiter, aktualisierter Auflage im Verlag Unrast erschienen ist. 

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