Für eine linke Politik. Replik auf Martin Birkner

Martin Birkner hat jüngst auf dem mosaik-blog einen Beitrag zur Re-Organisierung der Linken in Österreich geschrieben. Dafür ist ihm Fritz Schiller dankbar, denn er habe damit eine Strategiedebatte wieder aufgegriffen, die absolut notwendig, aber leider in der Vergangenheit versandet ist. Schiller attestiert Birkner aber das Fehlen konkreter Schritte, wie das von ihm entwickelte Programm umgesetzt werden soll, wie zum Beispiel die Taktik der Beteiligung an Wahlen.

Unser Programm und eine Strategie sowie davon abgeleitete Taktiken sollten wir aus der aktuellen österreichischen Situation entwickeln. Mein Vorschlag ist, sich an allen Wahlen in Österreich (außer an Wirtschaftskammer-Wahlen) zu beteiligen und zu versuchen, in die Parlamente bzw. Wahlkörper hineingewählt zu werden. Wieso?

Nur wenn wir im Nationalrat vertreten sind, können wir überhaupt eine Politik entwickeln. In der österreichischen und auch in der europäischen politischen Landschaft wird man/frau nur dann von der Bevölkerung als politische Kraft wahrgenommen, wenn sie im Parlament vertreten ist. Der Einzug in den Nationalrat wird für uns zur entscheidenden Nagelprobe.

Nur als parlamentarische Kraft haben wir die Bühne, um unsere Politik zu propagieren. Dadurch können wir auch die anderen Medienkanäle (soziale Medien, Printmedien, Radio, TV-Anstalten etc.) viel leichter erreichen. Eine eigene andere Bühne können wir uns nicht leisten bzw. würde in dieser Medienvielfalt nur bedingt auffallen.

Wie soll das Wahlprogramm aussehen? Peter Pelinka hat jüngst bei der sogenannte Ameisenrunde für die Bundespräsidentschaftswahl auf Puls4 gemeint, Erfolgsfaktoren wären eine klare politische Position und ein/e einigermaßen öffentlich bekannte/r Kandidat/in. Ich teile diese Meinung.

Wahlprogramm

Das Wahlprogramm sollte maximal drei Schwerpunkte haben. Wir müssen mit diesen Schwerpunkten identifiziert werden.

1. Ich schlage einen sozialen Schwerpunkt vor: Vollbeschäftigung – oder: Jobs, Jobs, Jobs. Wir haben aktuell knapp 500.000 registrierte Arbeitslose in Österreich. Hinzu kommt die sogenannte Stille Reserve, also etwa Frustrierte, die für sich die Beteiligung am Arbeitsmarkt aufgegeben haben. Statistik Austria gibt für diese Gruppe rund 400.000 Personen für 2014 an.

Die österreichische Bundesregierung hat nur völlig unbedeutende Schritte zur Reduktion der aktuell hohen Arbeitslosenzahlen unternommen. Sie ist viel zu sehr eingeschränkt durch die neoliberale EU-Stabilitätspolitik des Sparzwangs. Nur nachhaltige Investitionen verbunden mit einer höheren Staatsverschuldung werden das Arbeitslosenproblem lösen können. Das ist eine wirtschaftspolitische Maßnahme aus der Mottenkiste der 1960er Jahre, aber sie hilft. Verbunden werden sollte sie mit unterstützenden Forderungen, etwa der nach Arbeitszeitverkürzung oder einem Verbot von Überstunden.

2. Als weiteres Thema schlage ich die Flüchtlingsfrage vor. Sie wird auch in zwei Jahren auf der Tagesordnung stehen. Dabei haben wir uns eindeutig auf die Seite der Menschen zu stellen, egal ob es Asylsuchende oder sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ sind. Natürlich positionieren wir uns damit auch als antifaschistische Kraft.

3. Schließlich schlage ich als drittes Thema Umverteilung vor. Spätestens nach den Vermögensverteilungsstudien der Oesterreichischen Nationalbank ist es empirisch nicht mehr haltbar, die extrem ungleiche Vermögensverteilung in Österreich zu leugnen. Es sollten Vermögens- und Erbschaftssteuern eingeführt werden.

Ich möchte diese beiden Themenbereiche nicht weiter ausführen. Sie stehen exemplarisch dafür, wie ich mir eine Kandidaturkampagne vorstellen könnte. Entscheidend ist, dass wir uns für eine Kandidatur entscheiden und nur für sie arbeiten, dass wir uns auf maximal drei (besser zwei) Schwerpunkte einigen, die für unsere potenziellen WählerInnen relevant sind und dass wir bei den Schwerpunkten sogenannte Alleinstellungsmerkmale haben.

Mögliche WählerInnenschichten

Wieso ist die Frage der Vollbeschäftigung aktueller denn je? Weil wir seit Jahren durch die Durchsetzung der neoliberalen Wende ansteigende Arbeitslosenzahlen haben – mit all ihren politischen Folgen, wie zum Beispiel der Abwanderung der ArbeiterInnenklasse zur FPÖ. Genau hier sehe ich unsere strategische Chance. Wir orientieren unsere Politik an der ArbeitnehmerInnenklasse mit allen ihren Schichtungen und machen klar, dass wir die einzige Organisation sind, die für die Interessen der ArbeitnehmerInnen steht. Das heißt, dass wir uns klar gegen die Sozialdemokratie positionieren, die seit Jahrzehnten die neoliberale Wende mitgetragen und durchgesetzt hat. Vielleicht können wir mit dieser Positionierung auch geringe Teile der FPÖ-WählerInnenschaft gewinnen.

Welche WählerInnenschichten könnten wir überhaupt erreichen? Ich vermute, nur in einem äußerst begrenzten Maße Arbeiter – und Arbeiterinnen nur unwesentlich mehr. Wir sollten unsere Aufmerksamkeit vor allem den vielen ehemaligen sozialdemokratischen Nicht-WählerInnen widmen, die nicht mehr mit der Sozialdemokratie mit können. Meiner Vermutung nach wären das vor allem Frauen und Angestellte, hauptsächlich wahrscheinlich aus dem öffentlichen und dem Sozialbereich. Darüber hinaus könnten wir für Grün-WählerInnen, denen das Bobo-hafte Auftreten der SpitzenrepräsentantInnen der Grünen ebenso auf die Nerven geht wie die stiefmütterliche Behandlung der sozialen Frage, interessant sein.

Das Ziel muss jedenfalls sein, bei den nächsten Nationalratswahlen die vier-Prozent Hürde für den Einzug ins Parlament zu erreichen. Dafür sollten wir einigermaßen öffentlich bekannte KandidatInnen haben. Als Spitzenkandidatin schlage ich eine Frau vor, weil wir dadurch eine feministische Botschaft schicken könnten und weil (wenn meine Thesen oben stimmen) unsere WählerInnen vor allem weiblich sein werden. Dabei ist es wichtig, eine richtige Spitzenkandidatin zu haben, denn sie transportiert durch ihren Lebenslauf und ihr Verhalten ihre (unsere) politischen Vorstellungen.

Die historische Chance nutzen

Wir haben eine historische Chance. Spätestens nach der Weltfinanzkrise 2008 wurde offensichtlich, dass die neoliberalen Konzepte keine Lösung brachten. Im Gegenteil: Fast überall in Europa gibt es beständig hohe Arbeitslosenzahlen, und die Versuche, ein nachhaltiges Wirtschaften einzuleiten, sind bescheiden.

Mit der Schwäche der Sozialdemokratie angesichts der wichtigsten zeitgenössischen Krisen (Arbeitslosigkeit, Flüchtlingsfrage etc.) und ihrer RepräsentantInnen, der weitgehenden Ignoranz gegenüber der sozialen Frage aufseiten der österreichischen Grünen sowie dem Erstarken der Freiheitlichen haben wir die Möglichkeit, ein neue relevante Kraft in Österreich zu etablieren. Alle bisherigen Versuche, die SPÖ von innen her zu reformieren, scheiterten und werden scheitern.

Wir müssen eine neue unabhängige Linke schaffen, die sich der Traditionen der ArbeiterInnen- und ArbeitnehmerInnenbewegung bewusst ist, sich aber den Aufgaben des 21. Jahrhunderts stellt. Ich hoffe, wir schaffen es.

Fritz Schiller ist Betriebsratsvorsitzender, Wiener AK-Rat für die AUGE/UG und Mitglied des Bundesvorstandes der GPA-djp. Er ist in keiner Partei.

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