Fifty Shades of Schas

Am 12. Februar 2015 begann der Kinoauftritt der berühmt berüchtigten „Erotikroman”-Trilogie „Fifty Shades of Grey“. Bereits das Buch wurde ein weltweiter Bestseller und zog einige Diskussion nach sich. „Arztroman ohne Doktor“ (WOMAN) ist nur eines der Labels mit denen das Buch „ausgezeichnet“ wurde. Mit der Verfilmung der Bücher gibt es erneut zahlreiche Diskussionen um BDSM-Sex sowie einen regelrechten Hype um die Story. Der wahre Skandal ist allerdings nicht der Sex, sondern die reaktionären Vorstellungen, die der Geschichte zu Grund liegen. Im Folgenden wird hauptsächlich auf das erste Buch „Shades of Grey – Geheimes Verlangen“ und dessen Verfilmung eingegangen.

Warum überhaupt darüber reden?

Vorweg: Die Geschichte ist nicht anders als jede andere weichgespülte Hollywood-Liebesgeschichte: sexistisch und klischeehaft wie eh und je. Diesmal eben gewürzt mit etwas, das sich Sado-Masochismus (SM) nennen möchte. Eine wunderschöne junge Frau, allerdings ein „Mauerblümchen”, trifft auf einen erfolgreichen, ebenfalls äußerst attraktiven Mann. Sie verlieben sich. Er ist emotional kaputt und möchte aufgrund seiner schwierigen Kindheit keine Nähe zu lassen. Sie möchte ihm Liebe zeigen, was er auch bis zu einem gewissen Grad zulässt. Im Gegenzug unterwirft sie sich seinen Vorgaben und Bedürfnissen. Dazwischen müssen sich Leser_innen durch endlosen E-mail-Verkehr, Geschlechtsverkehr, die immer gleichen abgestumpften Phrasen und ein bisschen Gewalt quälen. Die Charaktere sind ebenso seicht und klischeehaft wie die ganze Story. Der Film hat hier nochmal Abstriche gemacht, diese aber versucht mit einer attraktiven Besetzung zu kompensieren.
Dennoch schlugen sowohl Buch als auch Film dermaßen ein, dass es Wert ist, sich das Phänomen näher anzusehen und in einen gesellschaftlichen Kontext zu bringen. Das VICE-Magazin hat bereits einen Artikel zu einigen Punkten gebracht. Ich möchte an dieser Stelle die Kritik um einige Aspekte erweitern.

Was ist außer Auspeitschen der Klitoris noch in dem Buch?

Ob das Buch meine ohnehin schon geringen Erwartungen, die ich an so einen Besteller habe, noch unterboten hat? Schwer zu sagen. Es ist sexistisch, unoriginell und nicht einmal der Sex darin ist spannend. Es reproduziert genau das, was in unserer Gesellschaft ohnehin fest im Mainstream verankert ist: Eine mehr als klassische Rollenverteilung. Christian Grey: der Dominante, stark, erfolgreich (ist es Gesellschaftskritik, wenn jemand durch „Entwicklung und Umweltschutz“ utopisch reich wird?), beherrschend, gefühlskalt. Anastasia (Ana) Steele: submissiv, jung, studiert Literaturwissenschaft, unerfahren, kaum andere Charaktereigenschaften als „schön“. Ihre Hauptaufgabe ist es Opfer von Gewalt zu sein. Es gibt Gewalt, der sie zwar irgendwie zustimmt, die sie allerdings dennoch heulen lässt. Die Frage was Konsens und Einvernehmen in diesem Zusammenhang überhaupt bedeuten muss gestellt werden. Ana hatte, bevor sie Christian Grey kennenlernt, noch nie Sex. Nachdem Grey sie dann noch schnell entjungfert, denn das muss „bereinigt“ (James 2012: S 74) werden, setzt er der naiven, unerfahrenen Ana einen Vertrag vor und führt sie damit in seine Vorstellung von Sex ein. Darin wird geregelt was alles erlaubt ist, und was nicht. Das betrifft ihr gesamtes Leben: Kleidung, Essensplan und eben Sex. Und das obwohl Ana das nicht wirklich durchziehen will. Warum sich auf ein Spiel einlassen und dann die Regeln nicht einhalten? Eben! Es ist kein Spiel. Die Beziehung beginnt bereits während der Vertrag noch verhandelt wird. Es folgen zahlreiche Auspeitsch- und Sexszenen mit den immer gleichen Sätzen. Dazwischen elendslanger E-Mail-Verkehr und Geschwafel über die „innere Göttin“. Abgesehen davon ist es eine Geschichte von unerfüllter Liebe, viel Gefühlschaos und Dominanz auch und vor allem abseits des Bettes.
Während im Buch die Ambivalenz und die Motive der Protagonistin noch einigermaßen durch ihre Gedanken verdeutlicht werden (sie liebt ihn, möchte ihn „ins Licht führen“, und lässt dafür, bis zu einem gewissen Grad, seine Gewalt über sich ergehen), besteht der Film hauptsächlich aus wirrem, zusammenhangslosen Gefühlschaos. Erst am Ende von Buch und Film zeigt sich die angesprochene Ambivalenz und Ana geht mit einem pathetischen „So gefällt es dir also? Ich? So? […] Du bist ein komplett abgefuckter Dreckskerl!“ (James 2012: S 353)

Das Buch und der Diskurs – eine Symbiose

Was das Buch so unangenehm macht ist, dass es einen Diskurs ausgelöst hat, der sich nicht um selbstbestimmten Sex oder Sex abseits der „Norm“ dreht, sondern inwiefern Gewalt nun doch okay ist, und ob Frauen nicht vielleicht doch gerne geschlagen werden. Dazu titelt das Nachrichtenmagazin „Profil“: „Die Lust an der Unterwerfung“ und fragt sich an anderer Stelle „Sind alle Frauen Masochistinnen?“. Noch weiter geht ein Moderator im regionalen Radiosender 88,6 und rät gleich dazu, die „G’sunde Watschen“ doch einmal nicht an Kindern sondern an Frauen anzuwenden (88,6 hat sich von diesen Aussagen mittlerweile distanziert und sich öffentlich entschuldigt). Angesichts der Tatsache, dass viele Frauen allerorts regelmäßig und systematisch von Gewalt betroffen sind ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit Gewalt, sexueller Gewalt und einvernehmlichem Sex, ob Blümchensex oder BDSM, mehr als ausständig. Denn sexualisierte Gewalt betrifft Frauen überall und nicht nur „wo anders“, sondern auch und gerade hier in Österreich. Während tagtäglich zahlreiche Frauen mit sexueller Gewalt konfrontiert werden, Sexismus in Österreich so weit verbreitet ist wie Schnitzel und es die Justiz wenig überraschend nicht schafft, sexuelle Übergriffe angemessen zu ahnden, wird darüber philosophiert ob „Frauen“ nicht vielleicht doch gerne geschlagen werden wollen. Wo ist nach Ulrich Seidels „Im Keller“ die Frage, ob Männer nicht auch gerne geschlagen werden wollen? In dem Diskurs, und in dem Buch, geht es nicht um eine Sexpraktik. Es geht um Dominanz und Unterwerfung in allen Lebenssituationen. Es geht nicht um aufregenden Sex sondern die Reproduktion von Geschlechterverhältnissen, die es auch vor „Shades of Grey“ gab.

Buch: E.L. James: „Fifty shades of Grey – Geheimes Verlangen“ Goldmann, München: 2012

Julia Wais ist Redakteurin bei mosaik und studiert vergleichende Literaturwissenschaft und Nederlandistik in Wien

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