Die SPÖ ist noch nicht ganz verloren – Prüfsteine einer sozialdemokratischen Steuerreform

Fayad Mulla hat das „Ende der Sozialdemokratie“ für den 17. März angekündigt. Seine Annahme, dass die SPÖ erneut nicht in der Lage sein werde, eine Vermögens­steuer durchzusetzen, bewahrheitet sich in diesen Tagen. Gäbe es gleichwertige Alternativen? Ist die Vermögenssteuer der einzige “Prüfstein”, auf den wir achten müssen?

Das Elend der SPÖ

882.000 ÖsterreicherInnen haben sich mit ihrer Unterschrift für das ÖGB-Steuermodell ausgesprochen, also auch für eine Vermögensteuer. Wenn man dem Magazin “trend” (März 2015) glauben darf, befürworten 52% der Österreicher­Innen eine Vermögens-„Substanz“steuer mit Freibetrag. Die Christlichen Gewerk­schaf­terInnen haben sich vollinhaltlich hinter die ÖGB-Forderung nach einer Vermögenssteuer gestellt, die zwei ÖAAB-Arbeiterkammerpräsidenten von Tirol und Vorarlberg desgleichen. Wenn die SPÖ unter solchen Bedingungen nicht in der Lage ist, wenigstens erste Schritte einer solchen Steuer durchzusetzen: Was setzt sie überhaupt noch durch? Welche politischen Randbedingungen müssten herrschen, damit diese SPÖ in die Lage versetzt wäre, tatsächlich eine Vermögenssteuer zu erreichen?

Aber sei’s drum: Auch zu einer echten Vermögenssteuer gibt es durchaus wirkungs­ähnliche Alternativen und der Erfolg der Steuerreformkampagne hängt nicht nur von diesem Punkt ab. Es gibt zahlreiche weitere Fragen, die ebenso wichtig sind und nicht in Vergessenheit geraten sollten. Im Folgenden daher die Eckpunkte, an denen meiner Meinung nach die Ergebnisse der koalitionären Auseinandersetzung bewertet werden sollten. Dabei sei nur am Rande erwähnt: Die extrem undemokratische Vorgangsweise, die die Regierung gewählt hat, spricht bereits für sich. Gerade in einer Sache, für die sich 882.000 ÖsterreicherInnen engagiert haben, über alle NGOs, die Sozialpartner, aber in Wahrheit auch die eigenen Abgeordneten einfach „d’rüberzufahren“ – schon das spricht Bände.

Den Staat nicht schwächen – die ArbeitnehmerInnen entlasten

Der ÖGB hat sehr bewusst eine komplette, ja übervollständige Gegenfinanzierung exakt beschrieben. Es geht nicht um eine Erhöhung der Steuerquote, aber auch sehr bewusst nicht um deren Senkung! Wer immer im vorliegenden Zusammenhang daher Kürzungen durchsetzen will, darf damit nicht erfolgreich sein (es sei denn, es ginge um sinnlose Förderungen für Reiche). Wir brauchen für Zukunftsinvestitionen (Bildung, Pflege, Wohnungen, Arbeitsplätze…) eher mehr Steuereinnahmen als bisher. Klar muss aber sein und bleiben, dass nicht aus der einen Tasche der ArbeitnehmerInnen genommen werden darf, was diese in die andere Tasche bekommen.

„Für Reiche gilt das Gleiche!“ – Zurückverteilen ist angesagt

Kernziel der Steuerreform ist es, die jahrzehntelange Umverteilung von den ArbeitnehmerInnen weg, hin zu den Reichen, endlich im Ansatz zurückzuführen. Genau: Es geht um Umverteilung, ausnahmsweise von oben nach unten! Das bedeutet nicht nur, dass Vermögen belastet und ArbeitnehmerInnen entlastet werden müssen. Das muss auch unter den ArbeitnehmerInnen gelten: Im Effekt müssen die niedrigen Einkommen, egal ob steuerpflichtig oder nicht, stärker entlastet werden als die hohen. Und für die MillionärInnen dürfen, nein: müssen die Steuern fühlbar steigen.

Dazu gehört zu allererst Steuergerechtigkeit für die Vermögen: Wenn eine Vermögenssteuer nicht durchsetzbar ist, dann muss wenigstens für hohe Einkünfte aus Kapitalvermögen gelten, dass sie wie jedes andere Einkommen und zusammen mit diesem versteuert werden: Also dass die normalen Steuersätze des Einkommen­steuergesetzes gelten und nicht die berühmten 25% KESt.

Natürlich darf das nicht für das normale Sparbuch der „kleinen Frau“ gelten: Tech­nisch sind auch Sparbuchzinsen „Kapitalerträge“. Hier kann man sich leicht mit zwei KESt-Steuersätzen behelfen: Bis zu „Kapitalerträgen“ von z.B. EUR 1.000.- pro Jahr (das entspricht derzeit einem Sparguthaben von fast EUR 200.000.-) bleibt es weiter­hin bei den 25%. Aber für alles, was darüber liegt, gilt ein KESt-Satz von 50% (und das Recht, durch Veranlagung gegebenenfalls einen niedrigeren Steuersatz für die Gesamtein­künfte wirksam zu machen). Denn auch Gewinnausschüttungen, Dividenden und dergleichen sind Einkommen, zudem ohne Arbeit erzielt, und müssen wie jedes andere Einkommen versteuert werden. Bei rund 7-8% Erträgen, die die MillionärInnen (und nur sie!) erreichen, wirkt eine solche Änderung wie eine 1-2%ige Vermögens­steuer.

Natürlich: Dazu muss es automatische Auskünfte – jedenfalls innerhalb des Banken­systems, besser an das Finanzamt – geben, sonst ist eine solche 2-stufige KESt nicht voll­ziehbar. Das „Bankgeheimnis“ kann gerne erhalten bleiben – gegenüber NachbarInnen, dem Hausbesorger, usw.

Menschen mit niedrigen Einkommen massiv entlasten

Gar keine Frage darf es sein, dass eine deutliche Entlastung auch für jene gelten muss, die wegen geringen Einkommens keine Steuer zahlen. Die Belastung durch die Sozialversicherungsbeiträge und die steigenden Lebenshaltungskosten trifft gerade diese Gruppe am härtesten. Niedrige Einkommen werden regelmäßig zur Gänze für den Konsum benötigt und sind damit von den Preissteigerungen am meisten betroffen: Zuletzt waren Mieten und Lebensmittel die stärksten Preistreiber.

Gerüchte sagen, dass sich die Koalition hier auf einen Kompromiss einigen wird. Daher nochmals die zentralen Punkte: Die Negativsteuer, „Rückerstattung von SV-Beiträgen“ oder wie immer man es nennen mag, muss jedenfalls ohne Antrag, also automatisch von der Finanzver­waltung durchgeführt werden. Auf Wunsch sollte eine monatliche Auszahlung möglich sein. Der Anspruch sollte bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze beginnen, weil in diesem Einkommensbereich derzeit schlagartig 18,6% SV-Beiträge anfallen, sodass eine Brutto-Lohnerhöhung zu einem echten Netto-Lohnverlust führt! Und er sollte jedenfalls bis zu jenem Medianein­kommen bestehen, das Frauen bzw. ArbeiterInnen im Regelfall verdienen (also mindestens bis ca. EUR 2.500.- brutto bzw. EUR 1.660.- netto) und dann schrittweise verringert werden.

Gendergerechtigkeit!

Die gerade beschriebene Entlastung ist auch ein zentraler, aber keineswegs aus­reichender Teil einer Reform, die Frauen fair berücksichtigt: Völlig zu Recht hat „Femme Fiscale“ für die Steuerentlastung „Halbe/Halbe“ gefordert. Davon sind leider auch die ÖGB-Vorschläge weit entfernt – aber angesichts des von der Koalition bereits um 1 Milliarde verringerten Volumens der Steuerreform wird eine Steuersenkung selbst noch für Einkommen über EUR 5.000.- wohl ohnedies nicht möglich sein. Wichtig ist, dass eine wenigstens im Ansatz ihrer sozialen Aufgabe verpflichtete SPÖ weder bei der Negativsteuer noch beim 25%-Eingangssteuersatz und der folgenden Zwischenstufe, die das ÖGB-Modell vorsieht, auch nur einen Millimeter nachgibt. Dann entsteht eine bessere (noch keine faire) Geschlechterverteilung automatisch.

Strukturänderungen, nicht nur einmalige Entlastung

Neben der Umverteilung geht es vor allem darum, strukturell zu verhindern, dass auch in Zukunft ein hoher Teil aller Lohnerhöhungen wieder weggesteuert wird. Dazu ist es nötig, den Eingangssteuersatz massiv zu senken und durch mehr Steuerstufen das Ansteigen des Steuerersatzes weniger sprunghaft zu gestalten. Hingegen kann mit dem Erreichen der Höchstbeitragsgrundlage ein deutliches Ansteigen vorge­sehen werden, weil dann die Belastung durch die SV-Beiträge abnimmt. Auch dadurch lässt sich aber nicht vermeiden, dass auch in Zukunft regelmäßig eine Lohnsteuersenkung stattfinden muss – wie es der ÖGB fordert.

Darüber hinaus wird es angesichts der Kombination einer scharfen Krise am Arbeitsmarkt mit einer ökologischen und Klimakrise unverzichtbar sein, einen Strukturwandel des österreichischen Steuersystems einzuleiten: Weg von der Besteuerung von Arbeit und hin zur Besteuerung des Energie- und Ressourcenverbrauches. Das muss so geschehen, dass durch einen Ökobonus gerade die Menschen mit niedrigen Einkommen nochmals davon profitieren. Es sollte insgesamt aufkommensneutral sein, sodass auch keine Arbeitsplätze gefährdet werden.

Klar: Das kann die Regierung nicht bis zum 17. März verhandeln. Aber sie sollte wenigstens eine Einigung darüber erzielen, einen solchen (und keinen anderen!) zweiten Schritt einer Steuerreform binnen Jahresfrist zu erarbeiten – und zwar ausdrücklich unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft!

René Schindler ist Bundessekretär der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, arbeitet als Arbeitsrechtler und engagiert sich in außerparlamentarischen Initiativen.

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