So prekär sind Arbeitsbedingungen der Deutschtrainer_innen

Simone* und Gregor* sind Deutsch-TrainerInnen für Schutzsuchende in einem Wiener Unternehmen. Mit mosaik sprachen die beiden über ihren Arbeitsalltag, die Rolle, die Flucht und Rassismus im Unterricht spielen und warum sie sich jetzt Wien-weit organisieren wollen, um gegen die Missstände in ihrem Berufsfeld zu kämpfen.

Hanna: Beschreibt doch ein bisschen eure Rahmenbedingungen im eurem Unternehmen, was sind eure Aufgaben und wie seid ihr angestellt?

Gregor: Unsere Aufgabe ist es, MigrantInnen und Schutzsuchenden Deutsch zu unterrichten, darunter auch subsidär Schutzberechtigte. Mehr als die Hälfte der Leute kommt aus Syrien, aus dem Iran, aus dem Irak und Afghanistan. Der andere Teil setzt sich aus TeilnehmerInnen aus Osteuropa und verschiedenen anderen Ländern zusammen. Ihnen werden vom Arbeitsmarktservice (AMS) Sprachmaßnahmen vermittelt als Voraussetzung, einem Beruf nachgehen zu können. Das klare Ziel ist, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist unsere definierte Kernaufgabe.

Simone: Am Standort, an dem wir arbeiten, sind im Moment etwa 80 MitarbeiterInnen beschäftigt, davon 60 TrainerInnen, die Deutschkurse leiten, der Rest besteht aus Verwaltungspersonal. Die allermeisten KollegInnen sind Frauen – darunter viele Alleinerzieherinnen. Wir haben nur eine handvoll männliche Trainer im Haus. Gregor und ich sind beide für 36 Stunden angestellt, also Teilzeit. Wir arbeiten von Montag bis Donnerstag und leiten täglich drei Kurse unterschiedlicher Niveaus. Diese unterrichten wir hintereinander, ohne Pause. Die Geschäftsleitung vergleicht unsere Arbeit mit der am Fließband, und wir fühlen uns auch so. Kaum geht eine Gruppe hinaus, kommt schon die nächste herein.

Gregor: Von den 36 Stunden, die wir angestellt sind, unterrichten wir auch tatsächlich 36 Stunden – wir stehen diese Zeit komplett in der Klasse bei den TeilnehmerInnen.  Wir starten mit AnfängerInnen, A1, wo einige TeilnehmerInnen schon ein bisschen Vorwissen haben und alphabetisiert sein sollten, was nicht immer der Fall ist. Einige können auf Deutsch grüßen und vielleicht ein, zwei Sätze wechseln. Bei BeginnerInnen-Gruppen arbeiten wir ganz viel mit Wiederholung und vor allem mit einer großen Portion Geduld. Bis zum Maturaniveau B2 unterrichten wir alle Stufen. Dazu kommen noch viele weitere Aufgaben. Etwa die Erstellung des Karriereplans mit den TeilnehmerInnen. Das heißt, wir erarbeiten mit den TeilnehmerInnen ihre Berufswünsche, tippen sämtliche persönliche Daten ab und tragen die Ergebnisse der drei Zwischentests ein. Das ist eigentlich Aufgabe des Arbeitsmarktservices, aber seit über einem Jahr wurde sie uns DeutschtrainerInnen zugeteilt.

Die genannten Zwischentests müssen wir auswerten, eintragen, um sie an das AMS zurückzusenden. Für die Korrektur der Zwischentests ist keine bezahlte Arbeitszeit vorgesehen. Außerdem gehört der ständige Mailverkehr mit dem Management zu unseren Aufgaben und wir sind verpflichtet, mit den TeilnehmerInnen der B-Niveau-Kurse Lebensläufe für die Arbeitssuche zu erstellen. Das sollen sie eigentlich selbst machen, praktisch ist es aber schon so, dass wir ihnen dabei unter die Arme greifen.

Simone: Außerdem kopieren wir die Entschuldigungen der TeilnehmerInnen, die wir am Ende jeder Woche abgeben müssen. Wir melden die Leute zu Workshops und Exkursionen an (durchführen dürfen wir leider keine Veranstaltungen außer Haus), und wir sind zuständig für die Prüfungsan- und abmeldung, diese werden extern durchgeführt. Zudem gibt es sog. “Zusatzmodule” für die wir die KursteilnehmerInnen anmelden, außerdem administrieren wir Kurswechsel und -abbrüche. Das Sekretariat hat nur zwei Stunden am Tag Sprechzeiten, nur dann haben wir die Gelegenheit, persönlich beim Management nachzufragen. In der Pause der TeilnehmerInnen soll auch das erledigt werden.

Wir müssen tausende administrative Tätigkeiten quasi nebenbei erledigen. Aber besonders hart sind die ersten Wochen – da müssen wir die Kursbegehren mit den TeilnehmerInnen ausfüllen und Nachbesetzungen durchführen. So wirklich beginnt die Arbeit an der Sprache erst, wenn die KursteilnehmerInnen fix angemeldet sind und wir wissen, dass wir jetzt unsere Gruppe vollständig zusammen haben.

Hanna: Wenn ihr für 36 Stunden angestellt seid und 36 Stunden in der Klasse steht, dann bearbeitet ihr die Mails und benotet die Zwischentests in eurer Freizeit? Wie sieht das mit der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts aus?

Simone: Eigentlich wird von uns verlangt, administrative Tätigkeiten in der Zeit zu machen, in der die TeilnehmerInnen Pause haben, also in den 15 Minuten  zwischen den Kursen und in den 15 Minuten der TeilnehmerInnen-Pause. Das geht sich aber nicht immer aus und dann fallen alle diese Tätigkeiten in unsere unbezahlte Freizeit. Die Pausen sind vor allem Pausen für die TeilnehmerInnen – nicht für uns. Nach sechs Stunden ist es  gar nicht mehr so einfach, die Geduld und Konzentration aufzubringen, auf einzelne Fragen einzugehen und bei schwächeren Gruppen die selbe Grammatik wiederholt zu erklären. Wir sind uns natürlich dessen bewusst, dass der dritte Kurs am Tag ebenso nette, freundliche, motivierte und konzentrierte TrainerInnen, wie der erste Kurs am Tag, verdient. Da reißen wir uns dann einfach zusammen, dass die Qualität nach dieser Zeit nicht mehr die selbe sein kann, ist aber auch klar. Viele TeilnehmerInnen wissen gar nicht, dass wir schon zwei Gruppen unterrichtet haben, wenn sie um 14.00 Uhr starten. Wenn sie in die Klasse kommen, sind sie frisch und voller Energie, sie erwarten von uns das selbe, und darauf haben sie auch ein absolutes Recht.

Hanna: Welche Art der Vorgaben gibt es denn für die Gestaltung des Unterrichts? Gibt es fixe Abläufe für Unterrichtseinheiten?

Gregor: Die Lehrbücher sind inhaltlich problematisch – da gibt es viele ExpertInnen, die Kritik an diesen Büchern ausüben. Abseits der genannten Unterlagen werden uns keine weiteren Bücher oder Unterlagen zur Verfügung gestellt. Wir müssen uns da selber Bücher ausborgen, Materialien recherchieren, zusammen tauschen, kopieren oder kaufen, in unserer Freizeit, wohlgemerkt. Es gibt keine betriebseigene Bibliothek, in der es Lernunterlagen gäbe; es gibt auch keine Materialien für die Prüfungsvorbereitung.

Simone: Ein Problem an den Büchern ist, dass wir mit einer einzigen Lernunterlage nicht auf unsere 1.000 TeilnehmerInnen eingehen können. Zum Teil unterrichten wir sog. “ungewohnte LernerInnen”, das sind Menschen die nie eine Schule besucht haben. Da ist unsere vordergründige Aufgabe gar nicht, Deutsch zu lehren, sondern wir müssen ihnen beibringen, dass lernen eine Form von Arbeit ist, man sich hinsetzen und sich Grammatik und Vokabeln erarbeiten muss, und wie man an die im Buch gestellten Aufgaben überhaupt erst herangeht. Viele Übungen müssen von uns vorbereitet werden. In unseren Kursen sitzen teils schwerst traumatisierte Leute, viele sind trotzdem motiviert. Aber das stellt uns vor große Herausforderungen – es geht nicht nur um Deutsch, es geht auch um das Zuhören, das psychologisches Geschick erfordert. Wenn wir das nicht haben, erreichen wir die Leute gar nicht. Neun Stunden am Tag mit einer solchen Zielgruppe zu arbeiten, das ist wirklich keine leichte Arbeit, am Ende des Tages sind wir einfach fix und fertig. Wenn wir Zuhause ankommen ist der Tag aber noch nicht vorbei, sondern wir müssen dann die Kursblöcke für den nächsten Tag vorbereiten.

Hanna: Habt ihr keine Mittagspause?

Simone: Also rein theoretisch können wir die Pausen der TeilnehmerInnen selber einteilen und wenn man die Pausen so legt, dass um 14.00 Uhr herum eine größere Pause von 30 Minuten entsteht, ist das – eben theoretisch – möglich. In der Praxis würde das bedeuten, dass alles andere liegen bleiben würde und alle administrativen Tätigkeiten komplett in die Freizeit fallen.

Gregor: Ich lasse mittlerweile das Mittagessen lieber ausfallen, weil mit vollem Magen es noch schwieriger ist, sich auf die Herausforderung am Nachmittag zu fokussieren. Von den Betriebszeiten her ist eine Mittagspause nicht vorgesehen.

Hanna: Spielen die Fluchterfahrungen der TeilnehmerInnen eine Rolle im Unterricht? Sprecht ihr im Unterricht explizit darüber?

Simone: Viele TeilnehmerInnen sprechen von selbst über ihre Erfahrungen, viele wollen von ihrer Flucht erzählen. In jedem Sprachniveau sieht der Unterricht das Thema “Reisen” vor, da kommen viele Erinnerungen hoch. Die TeilnehmerInnen werden dann hochemotional und erzählen von ihren Fluchtrouten, von ihrem Weg über die Türkei nach Mazedonien bis nach Österreich. Aber ihre Kriegs- und Fluchterfahrung drückt sich auch in ihrem Wortschatz aus. In einer meiner A1+-Gruppen habe ich einen afghanischen Teilnehmer, der zwar das Verb “haben” nicht konjugieren kann, aber er kennt die Wörter “Waffe” und “Messer”. Mir erscheint es immer wieder wichtig zu betonen: wir arbeiten mit traumatisierten TeilnehmerInnen aus Kriegsländern.

Hanna: Sprechen die TeilnehmerInnen im Unterricht auch über Erfahrungen mit Rassismus?

Simone: Ja, meine KursteilnehmerInnen erzählen oft davon. Sie erzählen etwa, dass die Tasche weggezogen wird, wenn sie sich in der U-Bahn neben eine Person setzen.

Gregor: Meine TeilnehmerInnen haben von sehr unterschiedlichen Erfahrungen erzählt. Manche sagen, dass sie ganz einfach mit ÖsterreicherInnen ins Gespräch gekommen sind, dass sie mit NachbarInnen plaudern und gemeinsam kochen. Andere erzählen, dass es für sie gar nicht möglich ist, in Kontakt zu treten, weil sich Leute abwenden und dass sie viele negative Erfahrungen gesammelt haben. Eine ganz nette, 19-jährige Iranerin, mit deren Familie ich mittlerweile befreundet bin, hat erzählt, dass sie im Nachtbus von einer Betrunkenen beschimpft wurde, als sie mit einer Freundin Persisch gesprochen hat. Anstatt sie zu verteidigen, hat sich ein älterer Mann noch in die Schikane mit eingestimmt. Das war sehr traumatisierend, kein Wunder, dass viele MigrantInnen Angst haben, sich nach außen zu öffnen.

Simone: Ja, der Großteil fühlt sich sehr isoliert hier.

Hanna: Gibt es unter den KollegInnen einen Rahmen, in dem über den psychologischen Aspekt eurer Arbeit reflektiert wird? Einen Ort, an dem ihr euch gegenseitig unterstützen und austauschen könnt? Gibt es Supervision?

Gregor: Es gibt angeblich in einem anderen Gebäude unseres Unternehmens, 10 Gehminuten entfernt, eine Person, die für Supervision zuständig ist. Irgendwo hängt ein Infoblatt mit den Kontaktmöglichkeiten, es spielt aber im Alltag keine Rolle, weil es nicht bekannt ist und nach neun Stunden Unterricht in der Freizeit auch niemand wahrnehmen kann. Bei 60 TrainerInnen ist eine SupervisorIn auch zu wenig. Wir TrainerInnen tauschen uns untereinander aus und geben uns Tipps – in unserer Freizeit. Theoretisch gibt es außerdem SozialarbeiterInnen im Haus, zu denen wir die KursteilnehmerInnen schicken können. Etwa wenn es um Themen wie Wohnungs- und Arbeitssuche geht. Das geben wir an die SozialarbeiterInnen weiter, denn uns fehlt die Zeit, auf alle TeilnehmerInnen im Unterricht so genau einzugehen. Das ist eine belastende Abwägung: was kann ich mir selber noch zumuten und wo brenn’ ich mich selber aus. Wir sind ständig in diesem Zwist der Selbstausbeutung. Dienst nach Vorschrift und ein_e engagierte TrainerIn sein, das steht im Widerspruch zueinander.

Hanna: Wie stark umkämpft ist denn diese Branche? Herrscht da ein starker Wettbewerb unter den Unternehmen bzw. unter den MitarbeiterInnen?

Simone: Unternehmen, die AMS-Maßnahmen umsetzen, stehen untereinander in großer Konkurrenz. Sie bewerben sich bei Ausschreibungen des AMS und gewinnen diese, wenn es zuvor hohe Erfolgsquoten bei den Abschlussprüfungen gab. Das Interesse des Unternehmens ist es, eine Dienstleistung möglichst billig anzubieten. Wenn ein Unternehmen eine Ausschreibung nicht gewinnt, “wandern” die MitarbeiterInnen zum nächsten Institut, um sich dort ausbeuten zu lassen.

Gregor: Unser Unternehmen sucht im Moment massiv nach Leuten, weil wir gerade eine Aufstockung der Kurse durch das AMS bekommen haben. Da wird vor allem nach Leuten gefischt, die gerade mit dem Studium fertig geworden sind. Es gibt gleichzeitig viele Kündigungen, die Geschäftsleitung kommt im Moment, was Personalfragen angeht, ziemlich ins Schwitzen. Das ist der gute Ausgangspunkt, warum wir jetzt mit dem Konflikt an die Öffentlichkeit gehen wollen.

In anderen Betrieben, die solche Ausschreibungen nicht gewinnen, kommt es zu großen Entsolidarisierungseffekten unter den ArbeitnehmerInnen, weil die Frage ist, welche  KollegInnen dann im Betrieb bleiben können – jene, die besonders lange im Betrieb sind, jene die MuttersprachlerInnen sind und so weiter. Die Kündigungswelle führt zu großer Unsicherheit bei den KollegInnen.

Hanna: Eure Arbeit ist ja auch ganz stark Teil der rassistisch geprägten politischen Debatte. Da gibt es unterschiedliche Narrative, etwa dass “Integration nur über das Deutsch lernen” funktioniere, oder dass “die gar nicht Deutsch lernen wollen” und so weiter.

Gregor: Ja, man könnte denken, deshalb sei unsere Tätigkeit  besonders gut bezahlt und dass sie die Nachfrage nach Deutschkursen ausreichend bedient. Praktisch funktioniert dieser Mythos in der Gesellschaft nicht. Materiell abhängig sind wir von der Firma, für die wir arbeiten, die wiederum vom AMS abhängig ist und von den Verhandlungsergebnissen zwischen SPÖ, ÖVP, Industriellenvereinigung, Kammern und den SozialpartnerInnen.

Simone: Eigentlich ist es ja auch eine wichtige Tätigkeit für die Gesellschaft. Aber es gibt eine Kluft zwischen dem angeblichen Stellenwert, den das Deutschlernen haben soll und den Arbeits- und Lernbedingungen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind.

Gregor: MitarbeiterInnen in unserem Unternehmen sind maximal vier bis fünf Jahre in diesem Berufsfeld, das ist kein Job, den man ein Leben lang machen kann…

Simone: …unter diesen Konditionen zumindest.

Hanna: Was bedeutet diese Abhängigkeit von der Politik für euch? Wo liegen besondere Herausforderungen, in der Organisierung von KollegInnen?

Gregor: Wir sind zwar stark von den politischen Rahmenbedingungen abhängig, aber wir sind auch davon abhängig, uns zusammen zu tun. Wir wollen die Widersprüche öffentlich thematisieren und mobilisieren, um EntscheidungsträgerInnen kraftvoll konfrontieren zu können. Viele unserer Kolleginnen sind alleinerziehend, sie sind besonders abhängig von ihrem Einkommen im Unternehmen und durch die Hausarbeit doppelt belastet…

Simone: … sie haben aber verständlicherweise große Angst vor dem Jobverlust, deswegen akzeptieren viele diese prekären Bedingungen. Die Qualifizierungsniveaus sind sehr unterschiedlich, mittlerweile werden Leute angestellt, die eine Ausbildung von 100 Stunden hinter sich haben, das ist nicht vergleichbar mit einer Person, die fünf Jahre Germanistik studiert hat. Viele unserer TrainerInnen kommen aus dem Ausland, besonders viele aus Ungarn. Für sie sind die Bedingungen hier ein “Aufstieg” und viele kennen ihre gewerkschaftlichen Rechte in Österreich nicht.

Gregor: …da wäre es wichtig, jemand zu haben, der/die alle MitarbeiterInnen etwa über Rechte und Handlungsspielräume aufklärt. Das könnte der Betriebsrat, den es ja bei uns gibt, sein – theoretisch. Leider ist es bisher so gewesen, dass wir um jeden Schritt gegenüber dem Betriebsrat kämpfen mussten. Etwa darum, dass eine Betriebsversammlung durchgeführt wird. Die Geschäftsleitung hatte beim ersten Versuch angekündigt, dass es rechtliche Konsequenzen haben wird, wenn LehrerInnen die Gruppen während der Betriebsversammlung unbeaufsichtigt lassen. Das Recht auf Betriebsversammlung wurde gegen die Aufsichtspflicht ausgespielt – bei erwachsenen TeilnehmerInnen, wohlgemerkt! Am Ende waren bei vergangener Versammlung dann auch nur drei Leute da.

Hanna: Ihr habt aber jetzt eine Versammlung durchsetzen können, richtig? Wie ist die zweite Betriebsversammlung abgelaufen? Hat euch die Gewerkschaft bisher unterstützt?

Gregor: Wir mussten lange um die Betriebsversammlung kämpfen. Zwar haben wir zwei Betriebsräte, die auch zumindest teilweise freigestellt sind, aber sie unterstützen uns überhaupt nicht. Erst der Druck des in der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) zuständigen Regionalsekretärs hat dazu geführt, dass eine Betriebsversammlung organisiert wurde und der Betriebsrat nachgegeben hat. Wir mussten tatsächlich um eine Betriebsversammlung gegen den Betriebsrat kämpfen und erst der Druck von zwei Seiten, der Basis und der Gewerkschaft, hat dazu geführt, dass wir uns überhaupt einmal treffen konnten.

Simone: Der Betriebsrat gehört meiner Meinung nach entmachtet. Er macht absolut nichts, obwohl er uns zugesichert hat, dass er auf unserer Seite ist. Anfang nächsten Jahres gibt es erst die nächste Betriebsratswahl. Vor zwei Monaten haben wir unsere Forderungen aufgeschrieben und den Betriebsrat gebeten, sie an die Geschäftsleitung zu übermitteln, das ist nicht passiert. Erst nach mehrmaliger Konfrontation ist das endlich geschehen.

Gregor: Bei der gerade stattgefundenen Betriebsversammlung war schließlich die Hälfte der Belegschaft anwesend, es ist sehr emotional zugegangen, weil sich so viel aufgestaut hat. In der ersten Hälfte war auch der Sekretär der Geschäftsleitung anwesend, der sich von KollegInnen, die wussten, dass sie bald das Unternehmen verlassen, einiges anhören konnte. Er hat leere Versprechungen gemacht und ist dann abgehauen. Aber sonst traut sich keine_r aus Angst vor Repression etwas zu sagen. Eigentlich hätte er nicht an der Versammlung teilnehmen sollen. Es sind auch immer wieder Leute zum Spitzeln reingekommen und der Portier wurde durch die Projektleiterin ersetzt, damit die Geschäftsleitung weiß, wer an der Versammlung teilgenommen hat.

Hanna: Du hast gerade Repression der Geschäftsleitung angesprochen. Sprechen wir da von Jobverlust oder davon, dass Stunden sukzessive reduziert werden?

Simone: Beides. Weil es natürlich leichter werden könnte, durch die neue 100-Stunden-Ausbildung Leute zu finden, die den Job machen können und würden. Das führt automatisch zu einem enormen Druck unter den KollegInnen.

Bei der Versammlung ist es zu einem weiteren Vorfall gekommen, der das deutlich macht. Die Projektleiterin ist in Begleitung des restlichen, niedrigen Managements während der Sitzung hereingekommen und hat eine Kollegin vor allen anderen hinauskommandiert – mit der Begründung, dass sie auf Grund ihrer Arbeitsverpflichtung ihre Gruppe nicht unbeaufsichtigt lassen darf und nicht mehr an der Betriebsversammlung teilnehmen darf. Der Betriebsrat hätte die Betriebsleitung aber eigentlich über die Versammlung informieren müssen, wir wissen nicht, ob das passiert ist. Wir haben aber das Recht, an der Versammlung teilzunehmen. Als die Kollegin wie ein kleines Mädchen rausgeführt worden ist, standen Betriebsrat und Gewerkschafter da und haben nichts unternommen. Dass die angeblich Betriebsleitung nicht informiert war, kann nur eine Ausrede sein, denn der Sekretär der Geschäftsleitung wusste im Vorhinein von der Versammlung – er war ja schließlich anwesend. Die Betriebsversammlung ist dann de facto aufgelöst geworden. Die Kollegin hat unmittelbar darauf hin gekündigt, eventuell mit gerichtlichem Nachspiel für die Firma. Das hätte einfach nicht passieren dürfen.

Hanna: Habt ihr auf der Betriebsversammlung gemeinsam Forderungen ausgearbeitet?

Gregor: Ja, wir haben einige betriebsinterne Forderungen und einige, die unternehmsübergreifend sind.

Simone: Zu den betriebsinternen Forderungen gehört etwa jene, nach einer transparenten Vergabe der B-Gruppen. Weil dort minimale Vorbereitungszeiten angerechnet werden, für die man später einen Tag Zeitausgleich nehmen kann, gibt es großes Interesse an B-Gruppen. Hier braucht es eine für alle nachvollziehbare Regelung. Eine andere, vor allem betriebsbezogene, Forderung betrifft die schnellere Abwicklung von Urlaubsanträgen, die oft monatelang nicht beantwortet werden. Wie soll man da Urlaub planen, wenn man erst eine Woche davor erfährt, ob man frei hat?

Gregor: Zu den unternehmensübergreifenden Forderungen gehört, dass wir eine neue Arbeitszeitregelung wollen. Bei einem 38-Stunden-Vertrag wollen wir acht Stunden bezahlte Zeit, um die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie die administrativen Aufgaben zu erledigen. Bei der Ausverhandlung des Kollektivertrages ist die Vor- und Nachbereitungszeit ein großes Thema gewesen. Man hat sich darauf geeinigt, die schlechteste Lösung in den KV zu nehmen, nämlich dass die Betriebe selbst entscheiden können, wie viel Vor- und Nachbereitung es für TrainerInnen gibt. Jeder Betrieb darf das selbst regeln – zum sicheren Nachteil für den großen Teil der ArbeitnehmerInnen in der Branche.

Simone: Acht Stunden sind da schon das absolute Minimum.

Gregor: Dann fordern wir eine freie Verfügung über die sog. Plusstunden – sie wurde uns vom Geschäftsleitungssekretär zugesagt, aber nichts hat sich geändert. Die entstehen, wenn wir in einer Woche mehr unterrichten, etwa weil wir für KollegInnen einspringen und eine Gruppe mitbetreuen. Wenn TrainerInnen krank sind, funktioniert das zum Teil so, dass wir zwei Gruppen gleichzeitig unterrichten müssen. Das ist eine Beschäftigungsmaßnahme, bei der wir den TeilnehmerInnen dann Arbeitsaufgaben zum selbstständigen Arbeiten geben, damit sie etwas zu tun haben.

Für diese drei Stunden “Mitbetreuung”, bekommen wir 1,5 Stunden gutgeschrieben, den wir als Zeitausgleich verwenden können. Die stehen uns theoretisch zur Verfügung oder theoretisch können wir sie ausbezahlen lassen. Praktisch gibt es niemanden, der sich Überstunden je ausbezahlen hat lassen. Dafür müsste die Firma 25 Prozent Zuschlag zahlen bis zur Erreichung der 38 Wochenstunden und 50 Prozent Zuschlag bei denen, die darüber sind. Wir haben das gegenüber der Geschäftsleitung angesprochen, sie argumentiert, “das zahle sich betriebswirtschaftlich – auch für das AMS – nicht aus”. Sie müssen dann von ihrer Profitrate runtergehen und das machen sie schlicht nicht. Daher werden die Stunden nicht ausbezahlt. Im Gegenteil, es gibt Auslastungslöcher, in denen KollegInnen kürzlich davor erfahren, dass sie nicht unterrichten können, und sie werden heim geschickt.

Simone: Ein weiterer, unternehmensübergreifender Punkt, ist die Einstufung im Kollektivvertratg. Wir sind derzeit in der Gruppe 4A unseres Kollektivvertrages BABE, eigentlich müssten aber jene unter uns, die schon über vier Jahre Erfahrung gesammelt haben, in der  nächsthöheren Gruppe 5 sein, weil wir den Unterricht selbst gestalten. Bis auf die Lehrbücher bekommen wir keinerlei Hilfe bei der Gestaltung des Unterrichts, es liegt in unserem Ermessen, wie wir das machen. Daher ist die Einstufung im KV falsch. Desweiteren ist im KV verankert, dass die Vor- und Nachbereitungszeit in der Arbeitszeit liegen muss, bis dato sind die minimalen Stunden, die wir bei B-Gruppen bekommen, aber ausschließlich als Zeitausgleich angeboten worden.

Hanna: In anderen Branchen des Sozial- und Gesundheitsbereiches sind Krankenstände ein großes Thema. Ist das bei Euch auch so?

Gregor: Vor ein paar Monaten gab es einen Fall, in dem eine Kollegin während des Krankenstandes gekündigt wurde. Sie war eine jener KollegInnen, die bei der  MitarbeiterInnenversammlung, zu der die Geschäftsleitung geladen hatte, am meisten Kritik geäußert hat. Wir wissen nicht genau, was der Grund ihrer Kündigung war. Ihr ist gesagt worden, ihre Arbeitsmoral sei zu gering.

Simone: Eine andere Kollegin ist nach drei Tagen Krankenstand zu einem Briefing geladen worden, wo offensichtlich Druck gemacht wurde. Wieder eine andere Kollegin ist während eines Krankenhausaufenthaltes gekündigt worden.

Gregor: Das Problem an Krankenständen bei geringem Personalstand ist, dass der Arbeitsdruck auf die anderen KollegInnen steigt – denn in die Supplierklasse passen max. zwei Gruppen hinein. Hin und wieder kommt es vor, dass da auch mal drei Gruppen gleichzeitig von nur einem Trainer unterrichtet werden.

Hanna: Wie sehen denn eure nächsten Schritte aus? Denkt ihr an Streik?

Gregor: Unser erster Schritt ist es, die Arbeitsbedingungen offenzulegen und damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Außerdem ist die Vernetzung zwischen den DeutschtrainerInnen verschiedener Institute von Bedeutung. Wir wollen mit anderen Betrieben zusammenarbeiten, in denen die Situation bis auf wenige kosmetische Unterschiede die selbe ist. Außerdem wollen wir selber versuchen, mehr und mehr KollegInnen in unserem Betrieb ins Boot zu holen.

Ob das am Ende schlecht oder gut für uns alle ausgeht, das hängt von der Solidarität unserer KollegInnen ab. Immerhin schwebt das Damoklesschwert einer Kündigung über uns.

Simone: Wir raten allen Leuten aus anderen Instituten, die gerade gekündigt worden sind und in unser Unternehmen wechseln, einfach mal 200 Euro mehr zu verlangen. Unser Unternehmen sucht dringend MitarbeiterInnen, und bei der Bezahlung gibt es Spielraum nach oben. Wir denken auch an Streik, aber die Gewerkschaft unterstützt uns bei diesem Anliegen nicht. Wir würden auch nur in unserem Betrieb streiken, aber davor warnt uns die Gewerkschaft. Sie sagt, es sei nur betriebsübergreifend sinnvoll. Aber ohne Unterstützung weder des Betriebsrats, noch der Gewerkschaft, sind wir bald weg vom Fenster. Deswegen denken wir über ein wienweites Treffen nach.

Gregor: Eine perspektivische Forderung ist jedenfalls, dass der Unterricht von Erwachsenen von öffentlicher Hand organisiert wird, denn sie bezahlt auch dafür. So würde nicht mehr ein Teil der Zahlungen in die private Tasche wandern und die Bildung zu Gunsten und zum Wohle der ganzen Gesellschaft gestaltet. In diesem Betrieb passieren viele Dinge, die durch die demokratische Beteiligung der KollegInnen, Lernenden und ExpertInnen verbessert werden könnten. Ein wienweites Treffen als erster Schritt ist zentral, denn nur, wenn wir gut vernetzt sind und zusammenhalten, können wir die Bedingungen verändern und um Anerkennung kämpfen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass ein Arbeitsklima entsteht, das uns ermöglicht, länger an dieser wichtigen Schnittstelle zu arbeiten. Denn die meisten von uns machen ihren Job gerne und mit vollem Herzen.

*Namen von der Redaktion geändert. 

Simone ist 28 Jahre alt, hat Sprachwissenschaften und Fremdsprachenpädagogik studiert und lebt in Wien. 

Gregor hat an der Uni Wien Sprachen studiert und ist politischer Aktivist bei Der Funke.

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