Das Problem ist die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit

Vergangenen Herbst gründete sich an der FH für soziale Arbeit die Initiative KNAST (Kritisches Netzwerk Aktivistischer Studierender). Neben Kritik am Studium und der Praktikasituation geht es der jungen Gruppe um mehr. Sie kritisieren Ökonomisierung, schlechte Bezahlung und den Umgang der Politik mit Sozialer Arbeit. Aurelia Sagmeister und Lena Roisz stellen die Initiative im Interview mit Martin Konecny vor. 

Was ist KNAST eigentlich genau und für was steht das?

Aurelia Sagmeister: KNAST steht für Kritisches Netzwerk Aktivistischer Studierender der Sozialen Arbeit und wir sind eine Gruppe Studierender der Sozialen Arbeit am FH-Campus Wien. Wir haben uns diesen Herbst zusammengefunden.

Lena Roisz: Wir sind eine recht offene Gruppe, auch aus verschiedenen Semestern und uns geht es vor allem um Sozialarbeits- und Studienrelevante Themen.

Aurelia: Ein paar Studierende hatten das Gefühl, dass es mehr Vernetzung unter den Studierenden benötigt somit haben wir uns einmal zusammengesetzt. Hierbei tauchte sehr schnell das Thema der prekären Praktika auf. Das Problem ist, dass wir im Rahmen unseres Studiums mehrere Monate Praktika machen müssen, die unbezahlt sind. Wir haben das  zum Anlass genommen eine Podiumsdiskussion dazu zu veranstalten und Druck aufzubauen.

Lena: Grundsätzlich geht es aber darum, dass es im Rahmen des Studiums wenig Möglichkeit zum Austausch gibt und so haben wir uns entschlossen KNAST zu gründen.

Nochmal zum Thema Praktika, was sind da eure wesentlichen Kritikpunkte?

Aurelia: Wie schon gesagt, geht es vor allem darum, dass sie nicht bezahlt sind. Es ist keine Frage, dass praktische Erfahrung ein wichtiger Teil des Studiums sein soll, sondern darum, dass die meisten von uns nebenher noch arbeiten müssen. Es ist kaum möglich sich auf Arbeit und Vollzeitpraktikum gleichzeitig zu konzentrieren. Das Praktikum muss so gestaltet sein, dass die Studierenden so viel wie möglich lernen können und die Anleiter*innen genügend (vor allem zeitliche) Ressourcen dafür zur Verfügung haben.  Außerdem zahlen wir auch während dem Semester, in dem 2/3 der Zeit Praktikum ist, volle Studiengebühren.

Ihr habt ja auch einen Anspruch über das Studium hinaus. Habt ihr auch Kritik an den Arbeitsbedingungen für Sozialarbeiter*innen allgemein und wenn ja, was sind die?

Lena: Ja, allerdings, die haben wir. Es geht vor allem darum, dass immer weniger Zeit für Klient*innen bleibt. Es wird immer mehr Arbeit in immer weniger Zeit gemacht. Es geht nur noch darum, effizient zu sein. Ein weiteres Problem, gerade in der Sozialarbeit, sind die Evaluierungen. Es geht in die Richtung, dass die Zahlen das Wichtigste sind. Wie viele Klient*innen betreut werden, wird so zum einzigen Qualitätsmerkmal. Das geht damit einher, dass viele Förderungen von Objekt zu Subjektförderung werden. Das ist z.B. ein großes Problem in der Wohnungslosenbetreuung. Für ein Übergangswohnheim geht es jetzt nur noch darum, möglichst alle Betten zu belegen. Da bleibt keine Zeit mehr auf das Klima im Heim zu schauen.

Aurelia: Ja, ich sehe das auch so. Das Problem ist vor allem die Ökonomisierung der sozialen Arbeit. Neben dem Effizienzaspekt geht es dabei auch darum, dass die Klient*innen auf ihre Konsum- und Marktfähigkeit reduziert werden. Dabei sollte das Ziel sozialer Arbeit sein, dass die Menschen das Leben führen können, das sie wollen und man sie dabei unterstützt. Stattdessen geht es oft nur noch darum die Menschen wieder auf den Arbeitsmarkt zurück zu bekommen. Klar ist das etwas, das viele Menschen auch für sich wollen, aber wenn das das einzige ist, dann hat soziale Arbeit auch einen ganz wichtigen Sinn verloren.

Ihr sprecht da schon ganz grundsätzliche Themen an. Kann soziale Arbeit überhaupt anders sein in dieser Gesellschaft?

Aurelia: Das ist gerade die Krux der Sozialarbeit: einerseits für Klient*innen da zu sein, für sie parteilich zu sein in Politik und Gesellschaft und andrerseits vom Staat gefördert zu werden der das mit einem klaren Auftrag verbindet. Und dazwischen steht Sozialarbeit. Ich denke sie darf nicht einfach nur Handlangerin des Staates und der Wirtschaft sein, die bestimmen wie ein Menschenleben auszusehen hat.

Wir können ja auch in Österreich von einer sozialen Krise sprechen, Stichwort 500 000 Arbeitslose und gleichzeitig gibt es die von euch beschriebene Tendenz zu Ökonomisierung. Wie verändert sich soziale Arbeit in der Krise?

Lena: Der Trend geht klar in die Richtung, dass soziale Arbeit und Sozialarbeiter*innen zunehmend als Kontrolle und zur Normierung eingesetzt werden. Mehr als das früher der Fall war. Das ist auch einer der Gründe warum wir uns gegründet haben, weil es kritische soziale Arbeit braucht und auch wieder eine Stimme benötigt. Da ist auch jedeR selbst gefragt etwas zu tun. Das wird nicht von den Fördergeber*innen ausgehen, denn die sind zufrieden über die Richtung in die es geht.

Daran anschließend, ist das Problem nur die Politik mit ihren Vorgaben, oder sind das auch die Trägervereine, die das umsetzen?

Lena: Das sind auch die Strukturen der Vereine. Es ist ja z.B. so, dass die Leitungen der Organisationen aus der Wirtschaft kommt und nicht etwa aus der sozialen Arbeit. Die führen dass dann auch, klarerweise, wie ein Unternehmen.

Aurelia: In der öffentlichen Darstellung von sozialer Arbeit wird auch viel mit Rechtfertigung gearbeitet. Soziale Arbeit rechtfertig sich ganz oft im neoliberalen Schema: Wenn es soziale Arbeit gibt, dann gibt es weniger von diesem oder jenem Problem, bzw. dann sieht man weniger von diesen oder jenen Leuten auf der Straße. Das wird auch stark von Vereinen mitgetragen.

Und zurück zur Politik. Was wären da so zentrale Forderungen im Augenblick?

Lene: Kurz gesagt, keine weiteren Einsparungen im Sozialbereich. Da geht es darum, was soziale Arbeit für einen Wert hat. Soziale Arbeit wird ja nach wie vor sehr schlecht bezahlt. Das hängt nach wie vor damit zusammen, dass es ein weiblicher Beruf ist.

Aurelia: Und dann geht es darum, soziale Arbeit als eigene Profession zu sehen, die nicht so messbar ist, wie manche andere Berufe es vielleicht sein mögen.

Und in der Parteipolitik gibt es da Verbündete für eure Forderungen?

Lena: Naja, man muss da erstmal bei den Trägervereinen selbst ansetzen. Dort herrscht die Vorstellung, bloß nicht zu viel Forderungen stellen, sonst nehmen sie uns das was wir haben auch noch weg. Da geht es erstmal um das politische Selbstbewusstsein von sozialer Arbeit.

Aurelia: Klar gibt es auf der „linken“ Seite da auch immer wieder gute Vorschläge. Aber dann kommen wieder solche Aussagen, wie kürzlich rund um “Integrationsunwilligkeit” und Bestrafung.

Wie kann man soziale Arbeit so politisieren, dass man auch BündnispartnerInnen in der Gesellschaft finden kann?

Lena: Ich denke vor allem, dass erstmal wichtig wäre, sich untereinander gut zu vernetzen. Studierende mit schon im Beruf stehenden SozialarbeiterInnen, aber auch mit anderen Gruppen im Sozial- und Gesundheitsbereich, wie zum Beispiel KrankenpflegerInnen.

Aurelia: Und natürlich auch mit den KlientInnen, weil auch die brauchen und haben eine Stimme.

Lena Roisz studiert im 6. Semster Soziale Arbeit und ist in verschiedenen linken Kontexten aktiv. 

Aurelia Sagmeister studiert im 4. Semester Soziale Arbeit und jobbt nebenbei als Kellnerin.

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