Das Ende der Sozialdemokratie

Das Ende der Sozialdemokratie hat ein fixes Datum bekommen. Es ist der 17. März vermutlich um 10 Uhr vormittags (um die Uhrzeit finden die meisten Pressekonferenzen statt). Dann wird die Regierung Faymann eine Steuerreform verkünden, in der ihre Hauptforderung nach einer Vermögenssteuer nicht vorkommen wird. Es wird das berühmte „Umfallen im Liegen“ sein, das die österreichische Sozialdemokratie an diesem Tag vollführen wird. Viel hat man ihr in den letzten Jahren ohnehin nicht mehr zugetraut und es gab auch keinen Fall, bei dem sie positiv bzw. überhaupt überrascht hätte.

Dass der Glauben an das eigene Verhandlungsgeschick und die ideologische Überzeugung auch intern dahin ist, machte der Wiener Bürgermeister Häupl gestern in einem Interview klar. Vermutlich als der, der beim Knobeln verloren hatte, musste er gestern damit beginnen, die Wähler und Wählerinnen, aber vor allem die Mitglieder der SPÖ darauf einzustellen, dass die große Niederlage bei der Steuerreform kommen wird. So laufen wohl seit gestern Abend auch die Telefone der Parteiführung heiß. Am anderen Ende GewerkschafterInnen, die nur eine einzige Frage haben: „Woit’s ihr mi veroarschen?“ Monate sind sie gelaufen, haben ihre GenossInnen angetrieben und ihr ganzes Gewicht in ihre „Lohnsteuer runter“ Kampagne geworfen. 866.000 Unterschriften sind es geworden für ein Steuermodell, deren zentrale Gegenfinanzierung auf der Vermögenssteuer beruht. Ohnehin schon angefressen, dass nach sechs Jahren sozialdemokratischer Kanzlerschaft für eine sozialdemokratische Steuerreform Unterschriften gesammelt werden müssen, sollen sie jetzt wieder vertröstet werden.

Es geht um Gerechtigkeit

Wirkliche Sprengkraft in der SPÖ hat das Thema Vermögenssteuer aber aus ideologischen bzw. inhaltlichen Gründen. Denn viele in der Gewerkschaft und auch anderen Teilen der Basis der Partei wissen noch, dass es bei der Vermögenssteuer nur zum Teil um die Einnahmen geht. Sie ist nämlich das zentrale Werkzeug um die unglaubliche Ungleichheit der österreichischen Gesellschaft zu ändern. In kaum einem anderen Land sind Vermögen so ungleich und ungerecht verteilt wie bei uns. Das reichste ein Prozent der Bevölkerung verfügt über 41 Prozent des Gesamtvermögens, während die Hälfte der Bevölkerung, gut 4 Millionen Menschen, gemeinsam nicht einmal drei Prozent besitzen. Weil echte Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen nicht in so einer Gesellschaft leben wollen, fordern sie Vermögenssteuern.

Ohne Vermögenssteuer gibt es keine gerechte Steuerreform

Eine Vermögenssteuer braucht es daher sogar dann, wenn es gelingen sollte, die Steuerreform anders gegen zu finanzieren. Sie muss den unerträglichen Verteilungsmissstand in Österreich beenden und den Menschen das zurückgeben, was ihnen über ihre Löhne in den letzten Jahren konservativer Politik vorenthalten wurde. Denn nur darum braucht es überhaupt Vermögenssteuern. Nicht weil die Linken nichts lieber tun als zu enteignen und die Wirtschaft zu zerstören, sondern weil unser derzeitiges System so ungerecht primärverteilt, dass der Staat immer im Nachhinein eingreifen muss. Ziel progressiver Politik muss es daher sein, das System so zu verändern, dass so wenig wie möglich und vielleicht irgendwann einmal gar nicht mehr umverteilt werden muss. Dass jede und jeder für Arbeit einen Lohn erhält, von dem ein gutes Leben möglich ist.
Faymann versteht das leider nicht. Für ihn ist die Vermögenssteuer reine Verhandlungsmasse auf der Finanzierungsseite. Deshalb darf offen gesagt werden: Wir haben keinen sozialdemokratischen Bundeskanzler.
Wie lange die Regierung die Totalniederlage bei der Steuerreform überleben wird, hängt nur mehr daran, wie viele Menschen mit SPÖ-Parteibuch nach dem 17. März sagen werden: „Jetzt könnt’s mich echt amal.“

Fayad Mulla engagiert sich für internationale Entwicklungszusammenarbeit und ist Vorsitzender von Der Wandel. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind Verteilungsgerechtigkeit sowie Fragen zur Zukunft der Arbeit.

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