Zwölf soziale Bewegungen, die uns Hoffnung für 2017 machen

Machen wir uns nichts vor: 2016 war ein furchtbares Jahr für alle Menschen, denen soziale und ökologische Gerechtigkeit ein Anliegen ist.

Und doch gab es Kämpfe und Siege sozialer Bewegungen inmitten des Elends. Das Transnational Institute hat zwölf Geschichten aus der ganzen Welt zusammengetragen, die uns zu Beginn des neuen Jahres Hoffnung geben.

Foto: Thomas Zauner

1. Handelsabkommen im Dienst der Konzerne wurden gestoppt oder blockiert

Jahrelang aufgebaute Kampagnen und eine Öffentlichkeit, die sich der wirtschaftlichen und sozialen Kosten der sogenannten „Freihandelsabkommen“ bewusst wird, haben 2016 zum Wendepunkt gemacht.

Die Trans-Pazifische Partnerschaft (TPP) zwischen den USA und ostasiatischen Ländern war am Ende, nachdem alle US-PräsidentschaftskandidatInnen sich dagegen ausgesprochen hatten. Das transatlantische TTIP-Abkommen steht ebenfalls auf der Kippe. Und der Ratifizierung von CETA, dem Abkommen zwischen der EU und Kanada, stehen noch große Hürden bevor.

Foto: Kenshin

2. Historische Proteste bringen Südkoreas Präsidentin zu Fall

In Südkorea demonstrierten ab Oktober Millionen Menschen gegen Präsidentin Park Geun-hye. Höhepunkt war eine Groß-Demonstration, an der unglaubliche 2,3 Millionen Menschen teilnahmen. Die Proteste sorgten dafür, dass das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Park einleitete. Anlass der Bewegung waren Enthüllungen über Korruption im koreanischen Staat.

Die Präsidentin hatte öffentliche Gelder veruntreut und mithilfe ihrer Freundin und Geschäftspartnerin, Choi Soon-sil, Geld von Unternehmen erpresst. Konzerne wie Samsung und Hyundai spendeten an Parks Partei und kauften sich damit die Gunst der Regierung.

Foto: Liberation News

3. Der größte Streik in der Geschichte der Menschheit

Am 2. September 2016 streikten unglaubliche 180 Millionen ArbeiterInnen in Indien. Sie forderten eine Anhebung des Mindestlohns, eine Sozialversicherung für Zeit- und LeiharbeiterInnen sowie ein Ende der Privatisierung von Staatsunternehmen. Der Streik brachte organisierte und unorganisierte ArbeiterInnen aus dem öffentlichen und dem Privatsektor zusammen. Die öffentliche Wut richtet sich zunehmend gegen die unternehmensfreundliche Politik der Regierung von Narendra Modi.

Foto: htmvalerio

4. Katalonien will Konzerne zur Verantwortung ziehen

Im November gründete das katalonische Parlament das weltweit erste Zentrum zur Überwachung der Auslandsaktivitäten transnationaler Konzerne. Es soll die Befugnis haben, Strafen gegen Unternehmen zu verhängen, die die Menschenrechte brechen. Damit könnte ein Präzedenzfall für andere Regierungen geschaffen werden. Das Zentrum entspricht den Bemühungen des UN-Menschenrechtsrats, ein „rechtlich bindendes Instrument“ zu entwickeln, um die Aktivitäten transnationaler Konzerne zu regulieren.

Foto: Laura Nawrocik

5. Barcelona und Valladolid bilden Speerspitze gegen Wasserprivatisierung

Die Stadtparlamente von Barcelona und Valladolid stimmten dafür, die Wasserversorgung ihrer Städte wieder ins Eigentum der Gemeinde zurückzuführen. Sie sind damit Teil eines globalen Trends. In über 240 Städten wurde privatisiertes Wasser rekommunalisiert, also wieder unter öffentliche Kontrolle gebracht.

Darüber hinaus verpflichteten sich zehn spanische Städte in einem neuen Netzwerk, sich gegen Privatisierungen einzusetzen. Die Wasserversorgung soll unter den Prinzipien der Solidarität, der ökologischen Nachhaltigkeit, der Kooperation, des gemeinschaftlichen Zugangs, der Gleichheit sowie unter demokratischer Kontrolle organisiert werden.

Foto: Oceti Sakowin Camp

6. Standing Rock wehrt sich gegen Ölpipeline

Am 1. April 2016 gründete der Standing Rock-Stamm der Sioux das Sacred Stone Camp, um gegen die Dakota Access Pipeline (DAPL) zu protestieren. Der Bau der Ölpipeline bedroht den Fluss Missouri, die einzige Wasserversorgung des Stammes, und bricht mehrere Abkommen, die die US-Regierung mit der Nation der Sioux geschlossen hat.

Das Camp wurde zum Anziehungspunkt für hunderttausende WasserschützerInnen. Immer wieder waren sie Polizeigewalt ausgesetzt. Die Proteste entwickelten sich zur größten Zusammenkunft der indigenen Völker Nordamerikas seit hundert Jahren. Im Dezember weigerte sich das US Army Corps of Engineers, das von der US-Regierung für den Bau der Pipeline eingesetzt wurde, die Arbeiten unter dem Fluss fortzusetzen – ein wichtiger Teilerfolg.

Foto: Iga Lubczańska

7. Frauenstreik verhindert Anti-Abtreibungs-Gesetz in Polen

Im Oktober verweigerten zehntausende Frauen in sechzig polnischen Städten die Arbeit. Ämter, Universitäten und Schulen mussten geschlossen bleiben. Die Proteste richteten sich gegen Pläne, das ohnehin schon extrem restriktive Abtreibungsgesetz noch weiter zu verschärfen. Das Ausmaß der Proteste zwang die Regierung, das Gesetz zurückzuziehen.

Foto: Floris Leeuwenberg

8. UNO hört Bauern und Bäuerinnen an, die illegalisierte Pflanzen anbauen

Der gescheiterte „Krieg gegen die Drogen“ betrifft auch viele Bauern und Bäuerinnen. Sie werden von ihren Regierungen unterdrückt, weil sie Pflanzen anbauen, die illegalisiert wurden, etwa den Cocastrauch oder Schlafmohn. Im Jahr 2016 sorgten sie mit Mobilisierungen dafür, dass sie bei der UNO-Generalversammlung im Rahmen der UN General Assembly Special Session on Drugs (UNGASS) angehört wurden.

Die Bewegung der Bauern und Bäuerinnen verabschiedete die historische „Heemskerk Erklärung“. Darin fordern sie ein Ende der Zwangsrodungen und dass sie in die Entwicklung einer neuen Drogenpolitik einbezogen werden, die Menschenrechte und das Wohlergehen von bäuerlichen Gemeinschaften respektiert.

Foto: Avery Smith

9. Black Lives Matter macht Polizeigewalt und Rassismus zum Thema

Die Bewegung unter dem Motto „Black Lives Matter“ entstand 2013, als George Zimmerman, der den afroamerikanischen Teenager Trayvon Martin erschossen hatte, vor Gericht freigesprochen wurde. Seitdem hat sie sich zu einer Bewegung in den ganzen USA entwickelt. 2016 gelang es ihr, die andauernde Polizeigewalt und den strukturellen Rassismus zum Thema im US-Präsidentschaftswahlkampf zu machen. Alleine in der ersten Julihälfte gab es 112 Proteste in 88 amerikanischen Städten.

Die Bewegung entwickelte 2016 auch ein detailliertes Programm, das in einem kollektiven Konsultationsprozess erarbeitet wurde. Es enthält die wichtigsten Forderungen und schlägt Maßnahmen gegen strukturellen Rassismus auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene vor.

Foto: Biekko

10. Island crowd-sourced seine Verfassung

2017 könnte Island eine Verfassung bekommen, die durch Crowd-Sourcing entstanden ist. Fünf politische Parteien haben sich dazu verpflichtet, die bereits 2012 von den WählerInnen angenommene Verfassung innerhalb von zwei Jahren in Kraft treten zu lassen.

Die Verfassung enthält Bestimmungen über Umweltschutz, internationale Menschenrechte und die Rechte von MigrantInnen und Geflüchteten. Sie sieht auch eine Umverteilung der natürlichen Ressourcen Islands vor, besonders der Fischreserven, und gibt BürgerInnen die Möglichkeit, Gesetze und Gesetzesänderungen vorzuschlagen.

Die Piraten-Partei, die die Entwicklung der Verfassung maßgeblich vorangetrieben hat, konnte ihren Stimmanteil bei der Wahl im Oktober verdreifachen und ist nun drittstärkste Partei im isländischen Parlament.

Foto: Colectivo La Luz

11. Die Bewegung „Ni una menos“ erobert Lateinamerika

Die „Ni una menos“-Bewegung fordert „Nicht eine Tote mehr!“. Sie begann 2015 in Buenos Aires als Aufschrei gegen alle Formen von Gewalt gegen Frauen. 2016 verbreitete sie sich in alle großen Städte des Landes und nach Peru, Uruguay, Chile und Mexiko.

Die Bewegung schärft das öffentliche Bewusstsein für das Ausmaß an sexueller, oft mörderischer Gewalt gegen Frauen. Sie erhält Unterstützung von KünstlerInnen, JournalistInnen, SportlerInnen und PolitikerInnen. In Argentinien führte der Druck dazu, dass der Oberste Gerichtshof eine Verzeichnis von Frauenmorden einrichtete.

Foto: Kenya National Union of Teachers

12. LehrerInnen in Kenia erkämpfen mehr Gehalt

Eine Streikwelle von LehrerInnen in Kenia endete im Oktober mit einem Erfolg. GrundschullehrerInnen erhielten eine Gehaltserhöhung von 25 Prozent. Die Kämpfe gehen jedoch weiter. Sie richten sich gegen die Ausbreitung privater Schulen für Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen, die von profitorientierten Unternehmen wie „Bridge International Academies“ und „Omega“ geführt werden.

 

Das Transnational Institute (TNI) mit Sitz in Amsterdam setzt sich für die Stärkung sozialer Bewegungen auf der ganzen Welt ein.

Übersetzung: Benjamin Opratko

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