Asylpolitik: Nachrang für Menschenrechte

Mehrere Gesetzesänderungen, die Flüchtlinge betreffen, sind derzeit geplant. Die Verschärfung des Asylrechts wurde bereits im Ministerrat durchgewunken und soll im Juli in Kraft treten. Vorschläge für Integrationsmaßnahmen sollen folgen. Anny Knapp erläutert, inwiefern die geplanten Änderungen auf eine Abschreckung von AsylwerberInnen zielen und dabei Flüchtlings- und Menschenrechte weiter aushöhlen.

Änderungen bei der Grundversorgung

Für Asylsuchende mit wenig Aussicht auf eine positive Entscheidung hält das Paket gleich mehrere Verschärfungen bereit. So ist geplant, AsylwerberInnen bereits nach der negativen Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl die Grundversorgung zu streichen, wenn einer Beschwerde gegen die Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das trifft regelmäßig auf Asylsuchende aus für sicher erklärten Herkunftsländern wie Algerien, Marokko oder den Kosovo zu. Das erhöht den Druck auf diese Asylsuchenden, die während des Beschwerdeverfahrens kein Aufenthaltsrecht mehr haben und von Abschiebung bedroht sind, indem ihnen Unterbringung und  Versorgung gestrichen werden.

Solche Maßnahmen höhlen das Recht auf ein faires Verfahren aus, denn am Beschwerdeverfahren können obdachlose Flüchtlinge kaum mehr mitwirken. Die geplante Einstellung der Grundversorgung steht auch im Widerspruch zu den 2004 von Bund und Ländern definierten Zielgruppen der Grundversorgung, die ohne Einschränkung alle AsylwerberInnen während des Asylverfahrens umfassen. Und selbst nach negativem Abschluss des Verfahrens muss eine menschenwürdige Behandlung sichergestellt sein, was durch Grundversorgung bis zur Ausreise gewährleistet wird.

Neue „Ausreisezentren“ und Ausweitung der Schubhaft

Stattdessen werden nun die Weichen für „Ausreisezentren“ gestellt, in denen das Innenministerium Fremde mit einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung versorgen und verstärkt Rückkehrberatung durchführen wird. In Deutschland hat sich das Modell der Ausreisezentren nicht durchgesetzt, was sich aber noch nicht bis ins Innenministerium durchgesprochen haben dürfte.

Nachdem das Gesetzespaket etwa Straffälligkeit als neuen Grund für Schubhaft vorsieht, sollen Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten zukünftig möglicherweise statt in einem Flüchtlingsheim vermehrt in Schubhaft „untergebracht“ werden. Die zulässige Haftdauer soll entsprechend von vier auf sechs Monate, bei mündigen Minderjährigen von zwei auf drei Monate verlängert werden. Bei Personen, die ihre Abschiebung erschweren oder vereiteln, könnte die Schubhaft sogar 18 Monate statt der bisher höchstzulässigen zehn Monate dauern.

Solche Haftandrohungen sind vor dem Hintergrund von verfassungs- und EU-rechtlichen Bestimmungen kritisch zu sehen. Schubhaft darf demnach nur dann angewendet werden, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht. Und auch das gilt nur für den Fall, dass die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

Die Verschränkung von Flüchtlings- und Sicherheitsdiskurs

Da der Flüchtlingsdiskurs untrennbar mit dem Sicherheitsdiskurs verbunden ist, enthält die geplante Änderung eine weitere Verschärfung bei Straffälligkeit. Ein Verfahren zur Aberkennung von Asyl ist künftig nicht erst bei einer rechtskräftigen Verurteilung einzuleiten. Vielmehr soll dies bereits bei Anklageerhebung bzw. bei Ertappen auf frischer Tat oder bei Verhängung von Untersuchungshaft möglich sein, vorausgesetzt die Asylaberkennung ist wahrscheinlich. Das Bundesamt muss dieses Verfahren binnen eines Monats erledigen, dem Gericht werden zwei Monate zur Behandlung einer Beschwerde eingeräumt.

Diese Verfahrensbeschleunigung steht in starkem Kontrast zu der seit Juli 2016 auf 15 Monate erstreckten Entscheidungsfrist für die Asylbehörde. Denn offensichtlich ziehen sich die Verfahren von Flüchtlingen, die gute Chancen auf eine positive Entscheidung und sich nichts zuschulden kommen lassen haben, mehr und mehr in die Länge. Bei straffällig Gewordenen hingegen wird nicht nur das Asylverfahren beschleunigt. Die ohnehin überlasteten Asylbehörden müssen zudem Verfahren führen, die einzustellen sein werden, wenn die gerichtliche Entscheidung länger dauert. Dabei kommt es auch einer Vorverurteilung gleich, wenn für die Einleitung des Aberkennungsverfahrens nicht das Gerichtsurteil ausschlaggebend ist.

Neuregelungen bei der Familienzusammenführung

Ein weiterer Nebenschauplatz ist die Bekämpfung von sogenannten „Scheinehen“. Eine Familienzusammenführung soll in diesem Fall für Schutzberechtigte nicht möglich sein. Wie die österreichischen Vertretungsbehörden bei einem diesbezüglichen Verdacht vorgehen und welche Nachweise notwendig sein werden, ist jedoch unklar.

Bei Anträgen auf Familienzusammenführung wird zudem nicht mehr das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl prüfen, ob die Familieneigenschaft vorliegt, sondern die zuständige Botschaft. Bei Zweifeln kann diese auch einen DNA-Test vorschlagen. Wurden die Kosten für den Test bisher vom Bundesamt rückerstattet, wenn damit die Zweifel ausgeräumt werden konnten, ist dies jetzt nicht mehr vorgesehen. Den Flüchtlingsfamilien entstehen so zusätzliche Kosten beim Familiennachzug.

Taschengeld für gemeinnützig tätige Flüchtlinge

Schon bisher können Flüchtlinge bei Gebietskörperschaften freiwillig für gemeinnützige Hilfstätigkeiten, etwa zur Pflege von Parkanlagen, als HelferInnen im Kindergarten oder zur Unterstützung der Administration herangezogen werden. Diese Möglichkeit soll auf nicht auf Gewinn ausgerichtete Organisationen ausgeweitet werden. Der Innenminister, der im Herbst bereits eine Liste von gemeinnützigen Tätigkeiten vorgelegt hat, soll auch den „Anerkennungsbeitrag“ festlegen können, den die Flüchtlinge für ihre Arbeit erhalten. Es ist zu erwarten, dass Minister Sobotka die von den LandessozialrätInnen beschlossenen 5 Euro pro Stunde unterbieten wird. Zuletzt hat er 2,50 Euro pro Stunde angekündigt.

Eine weitere Änderung im Grundversorgungsgesetz wirft grundsätzliche Bedenken über die Auslagerung sicherheitspolizeilicher Aufgaben auf. Vorgeschlagen wird, dass MitarbeiterInnen der Betreuungsstellen ermächtigt werden können, Personen am Betreten der Betreuungseinrichtung zu hindern. Sie können künftig auch Befehls- und Zwangsgewalt zur Durchsetzung der Hausordnung einsetzen. Grobe Verstöße gegen die Hausordnung sollen MitarbeiterInnen der Betreuungseinrichtungen dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl melden, und das Verhalten soll mit Entziehung der Grundversorgung geahndet werden.

Abschreckung um jeden Preis

Es ist zu bezweifeln, inwieweit die besprochenen Verschärfungen in der Praxis wirklich starke Auswirkungen haben werden. Das Asylsystem wird dadurch nicht effizienter und die Entscheidungen werden nicht besser. Die regulären Verfahren werden voraussichtlich länger dauern und die Kosten für die Versorgung und Betreuung entweder auf Länder oder Private ausgelagert. Oder es kommen anstatt der Grundversorgung die teureren Varianten Schubhaft und Ausreisezentren zum Einsatz. Die beabsichtigte abschreckende Wirkung auf Asylsuchende wird angesichts der anhaltenden Krisenherde nicht greifen.

Die Gesetzesverschärfungen fügen sich ein in einen Mechanismus der Ausgrenzung, in dem die Flüchtlings- und Menschenrechte Nachrang haben vor Sicherheitsvorkehrungen. Das zeigte sich sehr deutlich an der im Herbst beschlossenen Verankerung von Obergrenzen samt der möglichen Erklärung des Notstands und im weiteren Ausbau des Grenzschutzes. Hört man unseren PolitikerInnen zu, gewinnt man rasch den Eindruck, dass die Mauern gegen Flüchtlinge gar nicht hoch genug sein können.

Anny Knapp ist seit der Gründung im Jahr 1991 Obfrau des Vereins Asylkoordination Österreich.

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