Zu Ostern vertreiben die Wiener Linien die BettlerInnen

In der Karwoche mobilisieren die Wiener Linien mit einer „Aktion Scharf“ gegen BettlerInnen. Vor allem die vielen TouristInnen sollen die Armut in der „lebenswertesten Stadt der Welt“ nicht sehen. Annika Rauchberger erklärt, wie die Kontrollen funktionieren und wie die Betroffenen unterstützt werden können.

„Die Stadt gehört dir“, der Slogan der Wiener Linien, gilt nicht für alle NutzerInnen der öffentlichen Verkehrsmittel. Das kündigt sich – wieder einmal – in der Karwoche an. Viele TouristInnen, die nach Wien strömen, um das österliche Flair der Stadt zu genießen, greifen auf die Öffis zurück. Was sie allerdings nicht sehen sollen, sind von Armut betroffene Menschen, die das glänzende Image der „lebenswertesten Stadt der Welt“ trüben. Diesen Frauen und Männern begegnen wir täglich auf unserem Weg in die Arbeit, zur Schule, zur Uni oder wo es uns auch immer in der Stadt hin verschlägt. Sie sitzen meist mit gesenktem Blick bei den Eingängen, Bahnsteigen und Entwertern oder versuchen mit Musizieren ihren Alltag zu bestreiten. Es sind jene Menschen, die uns daran erinnern, dass in Europa nicht alle die gleichen Chancen auf ein „gutes Leben“ haben.

Aktion Scharf

Von 9. bis 16. April starten die Wiener Linien eine „Aktion Scharf“ gegen BettlerInnen und MusikerInnen. Mit Unterstützung von Polizei und SchnellrichterInnen fahnden sie im Verkehrsnetz nach Menschen, die das Hausrecht vermeintlich verletzen. Die Gefassten bekommen ihre Strafen direkt durch RichterInnen ausgehändigt. Wehren können sie sich dagegen kaum. Das Credo der Wiener Stadtregierung, nicht Arme, sondern Armut zu bekämpfen, ist offensichtlich nicht mehr als ein wohlklingender Slogan der „Menschenrechtsstadt“. Und das, obwohl der Verkehrsbetrieb der Rot-Grünen Regierung zugesichert hat, dass sie „ihr Hausrecht“ tolerant nützen würden, solange es keine Behinderungen gäbe. Das erfuhr zumindest die Grüne Gemeinderätin Birgit Hebein auf Anfrage der BettelLobbyWien.

Schnellverfahren und Repression

Schon im Jahr 2013 fand eine groß angelegte Aktion gegen BettlerInnen in den U-Bahn-Bereichen statt. Ein Stab unter Polizeigeneral Karl Mahrer unterstützte die Sicherheitsleute der Wiener Linien bei der Suche nach „organisierten“, „betrügerischen“ und „aggressiven“ BettlerInnen. Die Gefassten wurden mit der Polizei – MitarbeiterInnen der Wiener Linien dürfen niemanden zum Mitgehen zwingen – zum Westbahnhof geleitet. In einem Raum mit der Aufschrift „Kontrollbezirk“ saßen SchnellrichterInnen und MitarbeiterInnen der MA 6 (Abgabe- und Rechnungswesen), die die Strafen aushändigten. Bis zu 140 Euro kostet zum Beispiel das „Versperren eines Fluchtweges“. Für einen Menschen, der mit Betteln am Tag etwa 10 Euro verdient, ist das ein Vermögen. Obwohl alle Menschen das Recht haben, eine Vertrauensperson, beispielsweise FreundInnen, Verwandte, aber auch PassantInnen, zu diesem Schnellverfahren hinzuzuziehen, wird ihnen dieses Recht meistens verwehrt. ZeugInnen sind unerwünscht. So müssen Frauen und Männer, die häufig nicht ausreichend Deutsch sprechen, diese Form der Repression über sich ergehen lassen. Aus Angst vor einer Gefängnisstrafe, die sie antreten müssten, wenn sie das Geld nicht zahlen können, verlassen die Betroffenen manchmal sogar das Land. Die Vertreibung hat ihren gewünschten Effekt erzielt.

Wie kann ich aktiv werden?

Nicht nur die Bettellobby Wien, sondern auch die Initiative „Kieberei was geht?“ hat mehrsprachige Warnungen für die bevorstehenden Kontrollen der Wiener Linien verfasst. Besonders wichtig ist, dass die Betroffenen nicht alleine gelassen werden. Unter Angst und Druck unterschreiben Menschen alles, um aus einer unangenehmen Situation herauszukommen. Daher ist es wichtig, sich ihnen als Vertrauensperson zur Verfügung zu stellen und sich nicht von der Polizei abwimmeln zu lassen. Sollten die Betroffenen doch Strafen erhalten, können sie mit Unterstützung der Bettellobby kostenlos Einspruch einlegen. Die Termine der offenen Rechtsberatung gibt es hier.

Annika Rauchberger hat Soziale Arbeit und Soziologie studiert und engagiert sich seit 2013 als Aktivistin der Bettellobby Wien.

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